Tichys Einblick
Gesetzliche Rente

Noch mehr Witwen sollen Flaschen sammeln

Die Wirtschaftsweisen wollen Hinterbliebenen die Rente kürzen. Es ist der Vorschlag, wie er nur von einer arroganten, weltabgehobenen Clique von Bestverdienern gemacht werden kann.

picture alliance/Bildagentur-online/Schoening

Monika Schnitzer hat sich durchgesetzt. Sie ist Professorin für Volkswirtschaftslehre in München. Dort versucht sie, die Innovationstätigkeiten von Unternehmen empirisch zu analysieren. Außerdem beschäftigt sie sich mit multinationalen Unternehmen und den Internationalisierungsstrategien von Firmen. Ihr Gehalt beträgt knapp 8.000 Euro im Monat, lebenslang. Wird sie pensioniert, muss sie weniger als 20 Prozent Abschlag hinnehmen. Ihr Auskommen ist gesichert – für immer. Garantiert.

Als Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat sie eine Art Jackpot gewonnen. Ein Vortrag wird mit mindestens 10.000 Euro honoriert. Je Vortrag, wohlverstanden. Mit diesem Einkommen lässt sich gerne über Renten debattieren. Und so fordert sie seit Jahren die Beendigung der Witwenrente. Pardon: der Hinterbliebenenrente.

Wer gesetzlich versichert ist, hat durchaus Anspruch auf eine Portion Neid. Nur rund 50 (in Worten: fünfzig) Personen beziehen eine Altersrente von rund 3.000 Euro. Die Bezüge von Monika Schnitzer sind schlicht unerreichbar.

Bei Frauen lag die reguläre Altersrente – auch Regelaltersrente genannt – 2021 nach allen Abzügen im Schnitt bei 908 Euro. Nun haben Frauen meist ältere Ehemänner und deren Lebenserwartung ist niedriger. Deswegen ist der Begriff Witwenrente für die Beschreibung der Probleme angebracht, auch wenn es Witwer gibt, denen die weise Frau Schnitzer an den Geldbeutel will. Heute erhalten Witwen nach dem Tod ihres Mannes ein kärgliches Auskommen. Zukünftig soll es noch weniger werden.

Dafür gibt es das Flaschenpfand. Allerdings ist in Zukunft damit zu rechnen, dass weniger Flaschen weggeworfen werden, so sorglos sind nur junge Gutversorgte. Und die Zahl derer, die sich um die Flaschen balgen, nimmt schnell zu, demographisch bedingt. Frau Schnitzer kennt die Internationalisierungsstrategie von Unternehmen, die soziale Lage der Menschen kennt sie nicht.
Armut ist für sie nicht vorgesehen. Die Armut der Anderen ist nicht ihre Sache. Deshalb hat sie im Rat eine Empfehlung durchgesetzt, die da lautet:

„Nur wenn der Anstieg der Sozialausgaben gedämpft wird, kann erreicht werden, dass Mindestquoten (etwa für Bildungs- oder Verteidigungsausgaben) auch langfristig eingehalten werden können.“

So steht es es in dem 424-Seiten-Papier, das am Mittwoch der Bundesregierung übergeben wurde, die sich allerdings derzeit nicht für die Rentner, sondern nur für die eigenen Pöstchen interessiert. Natürlich geht es Schnitzer nicht nur um Witwen. Geld für die Ukraine soll eingespart werden, indem „insbesondere das Renteneinstiegsalter an die Entwicklung der ferneren Lebenserwartung gekoppelt werden sollte und der Anstieg der Bestandsrenten gedämpft werden könnte“.

Ein komplizierter Satz. Er lautet übersetzt: länger arbeiten für weniger Geld. Wer bislang Beiträge bezahlt hat, soll dafür weniger erhalten, das versteht man unter „Dämpfung der Bestandsrenten“.
Nun ist es ja nicht so, dass Monika Schnitzer nicht auch irgendwo einen Funken Mitgefühl versteckt hätte. Deswegen beschreibt sie auch einen Ausweg: Der besteht in der „Stärkung der privaten Altersvorsorge“. So soll die Abhängigkeit von der gesetzlichen Rente mittel- bis langfristig herabgesetzt werden und so sollen künftig die Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt gedämpft werden.

Auch der Satz kommt so pseudowissenschaftlich daher wie die etwas seltsame wissenschaftliche Arbeit der Frau Professorin. Er lautet: Zu den demnächst 24 Prozent Rentenbeiträgen soll jeder Arbeitnehmer auch noch privat sparen. Also: Von dem, was er nicht hat, soll er etwas zur Seite legen. Möglicherweise ist das eine Kunst, die künftig an volkswirtschaftlichen Lehrstühlen gelehrt wird. Bisher sind Lösungen für das Problem „Wie spare ich von dem, was ich nicht mehr habe, nachdem der Staat mir fast alles weggenommen hat?“ nicht bekannt.

Aber Frau Schnitzer beschäftigt sich ja auch mit Innovationsstrategien. Die könnten zukünftig für Rentner lauten: „Wie Du heute schon mehr Flaschen als bisher sammelst, die Du morgen gut gebrauchen kannst.“

Die Wirtschaftsweisen waren früher ein ehrenwertes Gremium. Jetzt zieht es nach Berlin um, nach Bestrebungen von Frau Schnitzer, die gerne der Politik näher wäre, da sie ja in München ohnehin nur an einer Provinzuni beschäftigt ist.

Außerdem streiten die Weisen sich vor Gericht, weil wohl Monika Schnitzer ihre Konkurrentin um das fidele und ertragreiche Amt des Vorsitzes, die Energiewissenschaftlerin Veronika Grimm, aus dem Rat entfernen wollte.

Anlass war, dass Grimm sich in den Aufsichtsrat von Siemens Energy hat wählen lassen. Der Job ist mit einem leicht sechsstelligen Betrag vergütet. Kritisiert wird sie auch von den anderen vier Wirtschaftsweisen. Sie halten Grimms Aufsichtsratsmandat für unvereinbar mit ihrer Tätigkeit als Wirtschaftsweise. Auch in den Medien wird darüber viel diskutiert.

Außerdem ist sie Mitglied im Nationalen Wasserstoffrat. Dort wird beraten, was Habeck dann umsetzt und damit scheitert. Auch so werden Milliarden vernichtet und Wohlstand zerstört. Dass da nicht mehr viel für die Rentner übrig bleiben kann, muss man ja verstehen, oder?

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