Tichys Einblick
Konjunkturindikatoren

Der Untergang ist unausweichlich: Rückgang beim Bierabsatz setzt sich fort

Folgt man dem Bier-Indikator, dann ist der Niedergang unausweichlich: Der Absatz schrumpft. Das ist nicht nur auf geänderte Konsumentenwünsche und Wein zurückzuführen, sondern hat auch ernste Hintergründe. Übrigens: Werden die Röcke kürzer getragen oder fallen sie wieder über das Knie?

picture alliance / M.i.S. | Bernd Feil

Die Meldung lässt aufhorchen: Der Bierabsatz ist im 1. Halbjahr 2024 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 0,6 Prozent beziehungsweise 25,8 Millionen Liter gesunken. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am Donnerstag mitteilte, haben die in Deutschland ansässigen Brauereien und Bierlager im 1. Halbjahr 2024 rund 4,2 Milliarden Liter Bier abgesetzt.

Dabei ist das erste Halbjahr gut für Bier und Brauer: Der Karneval ist bierselig, nicht unbedingt in den eher weinseligen Komitee-Veranstaltungen, aber beim Straßenkarneval und in den Kneipen. Im Frühjahr werden die Ärmel hochgekrempelt, in die Hände gespuckt und die Bauarbeiter zischen sich ihr Stärkungsmittel rein. Gebaut wird allerdings kaum mehr in Deutschland. Gerade mal 17.800 genehmigte Wohnungen waren es laut Statistischem Bundesamt im Mai: 24,2 Prozent weniger als im Mai davor. 43,9 Prozent weniger als im Mai 2022.

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Kein Bau – kein Bier. Damit setzt sich die langfristige Entwicklung sinkender Absatzzahlen fort, und natürlich darf heute auf den Baustellen, die es noch gibt, nicht mehr so viel getrunken werden. Aber war da nicht die Fußball-Europameisterschaft als Konjunkturstütze für Brauereien? Konnte der Monat April im Vorfeld der Fußball-EM noch ein Plus von 15,8 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat verzeichnen, blieb der Bierabsatz für die Monate Mai (-1,0 Prozent) und Juni (-11,2 Prozent) weit hinter den Erwartungen der Brauereien zurück. Im Juni 2024 wurde mit einem Bierabsatz von 777 Millionen Litern sogar das niedrigste Ergebnis in einem Juni seit der Neufassung des Biersteuergesetzes im Jahr 1993 erzielt.

Die Europameisterschaft war ein Desaster. Deutschland flog raus; und damit kühlte die Begeisterung ab. Überhaupt hat ja die Politik den Jubel und damit den Durst verdammt: Wer Fahnen schwenkt, ist ein Nazi, das war die Botschaft. Viele Zuschauer blieben zu Hause, aber vereint und gemeinsam fließt es reichlicher. Zu diesem Rückgang hat auch das unbeständige Wetter beigetragen und der späte Tageszeitpunkt der meisten Spiele. Aber Fußball ist Begeisterung – und ohne Begeisterung bleibt die Kehle stumm und bedarf keiner Labung. Der Stolz auf die eigene Leistung und der Jubel über jeden Sieg wirken traditionell wie eine Kraftspritze für die Konjunktur. Die staatlich verordnete Miesepeterei und die hochgezogenen Brauen bei jeder Deutschlandfahne der rotgrünen Stimmungskiller killen auch die Brauereien.

81,7 Prozent des gesamten Bierabsatzes waren für den Inlandsverbrauch bestimmt und wurden versteuert. Der Inlandsabsatz sank im Vergleich zum 1. Halbjahr 2023 um 0,9 Prozent auf 3,4 Milliarden Liter. Die restlichen 18,3 Prozent beziehungsweise 765,5 Millionen Liter wurden steuerfrei (als Exporte und als sogenannter Haustrunk) abgesetzt. Das waren 0,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Davon gingen 428,1 Millionen Liter (+5,4 Prozent) in EU-Staaten, 332,3 Millionen Liter (-4,8 Prozent) in Nicht-EU-Staaten und 5,1 Millionen Liter (-8,1 Prozent) unentgeltlich als Haustrunk an die Beschäftigten der Brauereien.

Liegt es nur an der zunehmenden Abstinenzlerei?

Auch bei den Biermischungen – Bier gemischt mit Limonade, Cola, Fruchtsäften und anderen alkoholfreien Zusätzen – war im 1. Halbjahr 2024 ein Rückgang zu verzeichnen. Gegenüber dem 1. Halbjahr 2023 wurden 5,4 Prozent weniger Biermischungen abgesetzt. Sie machten mit 200,5 Millionen Litern allerdings nur 4,8 Prozent des gesamten Bierabsatzes aus, so die Statistiker. Auch verdünnt wird weniger Bier getrunken.

Nun gut, die Konjunktur folgt dem Bierindikator. Die Zahl der Arbeitslosen steigt, Firmen schließen, Kurzarbeit nimmt zu. „Deutschlands Industrie ist im freien Fall“, bilanziert Alexander Horn.

Das drückt auf Stimmung und Kaufbereitschaft, schlägt jetzt auch auf den Konsum durch. Der Bierindikator warnt: Der Niedergang ist unausweichlich.

Es sind oft die geänderten Verhaltensweisen, die der Konjunktur vorauslaufen. Die große alte Dame der Demoskopie, Elisabeth Noelle-Neumann, hatte einst den Rocksaum-Indikator entwickelt: Geht die Wirtschaft gut, werden die Damen frecher und der Rocksaum geht Richtung Mini. Bei schlechter Konjunktur wird frau vorsichtig. Aber gilt das noch? Was macht die Rocklänge so?

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