Für das Jahr 2024 rechnet die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) mit mehr als 20.000 Unternehmensinsolvenzen. Schrumpfende Wirtschaftsleistung hinterlässt immer tiefere Spuren. „Bedenklich stimmt zudem das deutlich gestiegene Volumen an Forderungen, die voraussichtlich von Insolvenzen betroffen sind. Monatlich stehen in diesem Jahr fast sechs Milliarden Euro im Feuer – mehr als doppelt so viel wie im letzten Vorkrisenjahr 2019“, so Marc Evers, Mittelstandsfachmann bei der DIHK.
Es ist noch nicht lange her, da meldete sich der Wirtschaftsminister zu Wort und lobte sich selbst in einem Podcast des WDR über den grünen Klee. „Ich glaube, wir haben im Wirtschaftsministerium so viele Gesetze, Verordnungen, europäische Verordnungen und so weiter umgesetzt, um das ganze Land wieder in Fahrt zu bringen, wie – ich behaupte jetzt mal frech, ohne nachgelesen zu haben – kein anderer Wirtschaftsminister davor. Das muss wirklich sehr, sehr lange her sein“, feierte sich der Vize-Kanzler in dem Gespräch. „Daran liegt es nicht, dass die Stimmung im Land so schwierig ist.“ Aus seiner Sicht hat er die „Kernarbeit eines Ministers“ weitgehend erledigt.
Ende September sprach er auf der Weltleitmesse für Windenergie und beanspruchte einen Platz für sich in den Geschichtsbüchern deutscher Energie-Politik. Doch im Ergebnis hat er das Land gegen die Wand gefahren.
Denn die Realität sieht folgedermaßen aus:
Autozulieferer in der Krise
Dass die Autoindustrie leidet, ist allseits bekannt. Doch es sind auch die Zulieferer. „350 Mitarbeiter vor dem Aus: Autozulieferer schließt nächstes Werk“, titelte der Merkur am Dienstag. Einer der größten Autozulieferer der Welt, der kanadisch-österreichische Konzern Magna mit Hauptsitz in Aurora (Ontario, Kanada), plant nach einer am Montag (14. Oktober) abgehaltenen Betriebsversammlung, sein Werk in Rosenberg (Neckar-Odenwald-Kreis, Baden-Württemberg) bis Ende 2026 zu schließen.
Coburger Automobilzulieferer Brose kündigt Abbau von 1.000 Stellen an. Die Werke seien nicht ausgelastet. Brose ist bei weitem nicht der einzige Automobilzulieferer, der unter der wirtschaftlichen Situation leidet – die ganze Branche steckt tief in der Krise. Zuletzt hatte etwa das Unternehmen Bertrandt, das auf Entwicklungsdienstleistungen spezialisiert ist, den Abbau von 1.200 Stellen angekündigt. Das Unternehmen mit zuletzt fast acht Milliarden Euro Umsatz ist dabei nicht allein: Brose reiht sich ein in eine lange Liste von Autozulieferern, die derzeit massive Probleme haben und deswegen Personal abbauen.
Der weltgrößte Autozulieferer Bosch will tausende Stellen streichen
Die Antriebssparte plant einen Abbau von 1.200 Stellen in den Bereichen Entwicklung, Verwaltung und Vertrieb. Betroffen sind Standorte wie Stuttgart-Feuerbach und Schwieberdingen. Ein Sparprogramm läuft auch bei Continental.
ZF streicht in Saarbrücken Jobs – 1800 entfallen bis Ende 2025
Wenn die Auftragslage weiterhin so schwierig bleibt, könnten bis Ende des Jahres 2028 sogar noch mehr Jobs wegfallen, insgesamt bis zu 4500 Arbeitsplätze. Derzeit arbeiten rund 10.000 Menschen im Saarbrücker ZF-Werk.
Quittung für die Wirtschaftsstandortspolitik
Laut der dts Nachrichtenagentur verschlechtert sich offenbar das Image des deutschen Wirtschaftsstandorts im Ausland. Das zeigt eine Umfrage der Auslandshandelskammern (AHK) und der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) unter deutschen und internationalen Unternehmen außerhalb Deutschlands, über die das Handelsblatt berichtete.
Demnach finden 48 Prozent der Befragten, dass sich das Image des Wirtschaftsstandorts in den vergangenen fünf Jahren „verschlechtert“ oder „stark verschlechtert“ habe. Auf einer Skala von 1 bis 5 ordnen 60 Prozent der Firmen Deutschland nur im Mittelmaß oder schlechter ein. Ein Viertel der befragten Unternehmen rät sogar von Investitionen ab.
Volker Treier, Außenwirtschaftschef der DIHK in Berlin, sieht die Umfrage als „klares Alarmsignal“. Es sei „höchste Zeit, dass sich die deutsche Politik wieder auf die Attraktivität unseres Wirtschaftsstandorts konzentriert“, forderte Treier. „Dafür muss sie die entscheidenden Standortfaktoren verbessern.“
Unlängst machte die Billigfluggesellschaft Ryanair Schlagzeilen: Der Carrier hatte angekündigt, drei deutsche Flughäfen komplett und in Hamburg mehr als die Hälfte der Verbindungen aufzugeben. Begründet wurde der Schritt mit nicht wettbewerbsfähigen Standortkosten. Auf Ryanair folgte Condor und kurz darauf Eurowings. Der Betreiber des Flughafens Hamburg äußert in einer Stellungnahme den Eindruck, der Flughafen sei zum Spielball einer bundespolitischen Auseinandersetzung geworden.
Norddeutsche Metall- und Elektroindustrie rutscht tiefer in die Krise
Fast jeder fünfte Betrieb in dem Bereich plant in den kommenden Monaten Arbeitsplätze abzubauen. Das geht aus der Herbst-Konjunkturumfrage mehrerer Arbeitgeberverbände hervor. Vier von zehn Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie klagen über eine schwache Auftragslage – das ist einer der tiefsten Stände der vergangenen 18 Jahre, heißt es im Bericht. Und fast Dreiviertel der Firmen rechnen laut Konjunkturumfrage auch nicht damit, im kommenden halben Jahr den Umsatz steigern zu können. Als einer der Hauptgründe dafür werden unter anderem die vergleichsweise hohen Energiekosten genannt. Etwa jeder fünfte Betrieb der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie plant laut einer Arbeitgeber-Umfrage Produktionsverlagerungen ins Ausland. Das seien so viel wie noch nie. Immer mehr Firmen verlören das Vertrauen in den Standort Deutschland.
Schlechte Stimmung im Maschinenbau
„Der Absturz des Maschinenbaus fügt sich in Deutschlands Rezessions-Erwartung“, schreibt die Welt. Die Stimmung im Maschinenbau hat sich nochmals deutlich verschlechtert. „Der schwache Auftragseingang hat dazu geführt, dass die Auftragsbestände mittlerweile vielerorts aufgezehrt sind“, sagt VDMA-Chefvolkswirt Ralph Wiechers. „Ausbleibende neue Aufträge schlagen damit direkt auf die Produktion durch.“ Indessen bringt Wirtschaftsminister Habeck erneut eine Reform der Schuldenbremse ins Spiel. Habeck zeigt sich grundsätzlich gewillt, mehr für die Wirtschaft zu tun, sieht sich aber begrenzt in seinem Spielraum – und spricht sich deswegen erneut für eine Reform der Schuldenbremse aus. „Wenn es dort mehr Spiel geben würde, würden wir als Volkswirtschaft wirklich einmal aus dem Quark kommen.“
Klimaschutzverträge
Und nun kommt Habeck mit einem weiteren Glanzstück, denn die grünen Blütenträume sind längst nicht ausgeträumt. „Der Wirtschaftsminister fördert Firmen, die in klimafreundliche Technologien investieren. Dazu werden Verträge mit dem Staat geschlossen. Kontrollieren soll das ausgerechnet die Behörde, die bei Projekten im Ausland versagt hat“, kolportiert die Welt am Dienstag. Und weiter: „Bis zu 2,8 Milliarden Euro können die Firmen je nach Energie- und CO₂-Preis bekommen, wenn sie im Gegenzug 17 Millionen Tonnen CO₂ einsparen. Damit liegt der Preis für eine Tonne eingespartes CO₂ bei 165 Euro. Zum Vergleich: Der CO₂-Preis für Verbraucher liegt derzeit bei 45 Euro pro Tonne.“ Dass der Preis so hoch ausfiel, liege schlicht am bislang überschaubaren Interesse der Industrie an den Verträgen.