Der DAX erlebte in den Jahren nach der Corona-Epidemie einen beachtlichen Aufschwung. Als eigentlicher Ausgangspunkt der deutschen Wirtschaftskrise muss der Beginn des Krieges in der Ukraine angesehen werden. Ausgelöst wurde sie durch den drastischen und anhaltenden Anstieg der Faktorpreise für Europa, insbesondere für Strom und Gas, aber auch für Öl und andere Rohstoffe. Dieser Preisanstieg untergräbt nachhaltig die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und entlarvt die „Energiewende“ als einen Bluff, der nur so lange funktionierte, wie billiges russisches Gas zur Stromerzeugung einspringen konnte, wenn Wind und Sonne nicht nennenswert zur Stromerzeugung beitrugen – Gaskraftwerke können viel schneller hoch und runtergefahren werden als andere Kraftwerke und sind daher erste Wahl bei schwankungsanfälliger Stromerzeugung.
Zunächst einmal zu den Fakten, die einer sehr genauen Betrachtung bedürfen. Zum Stichtag 5.12.2024 betrug die Gesamtrendite des DAX für den Zeitraum vom 1.1.2022 bis Ende 2024 ca. 27,3%, was einer durchschnittlichen jährlichen Rendite von ca. 8,4% entspricht. Das sind auf den ersten Blick beachtliche Werte. Das Bild fällt jedoch deutlich moderater aus, wenn man die reale Rendite betrachtet, die in der Kapitalmarkttheorie als Prämie für das vom Anleger eingegangene Risiko angesehen wird. Dabei wird die Rendite um die Inflationsrate bereinigt. Nimmt man für das Jahr 2024 eine Inflationsrate von 2,2% an, so ergibt sich für den Zeitraum der letzten drei Jahre eine Gesamtinflationsrate von 15,7% (4,98% p.a.). Würde man auch das Jahr 2021 in diese Rechnung einbeziehen, käme man auf stolze 19,3%. Was im Jahr 2020 für 4 € zu haben war, kostet heute also fast 5 €. Die Bürger, die ausschließlich über ein Geldvermögen verfügten, mussten folglich einen enormen Kaufkraftverlust hinnehmen. Der erhebliche Wohlstandsverlust, der mit der hohen Inflation einhergeht, ist eine Tatsache, die offenbar noch nicht so ganz in das Bewusstsein der Bürger vorgedrungen ist. Bezogen auf den DAX ergibt sich für den Zeitraum der letzten drei Jahre eine reale Rendite von lediglich ca. 3,2% p.a. Dies ist für einen Aktienmarkt alles andere als exorbitant hoch, für den DAX sogar ein sehr niedriger Wert. Auf Basis der Jahre 1987 bis 2022 lag die reale Rendite bei ca. 6,1%! Hinzu kommt, dass der DAX im Gegensatz zu den meisten internationalen Indizes ein sogenannter Performance-Index ist, bei dessen Berechnung davon ausgegangen wird, dass alle Dividenden in die Indexwerte reinvestiert werden.
Eine andere „Realität“ ergibt sich aus der Erkenntnis, wofür der DAX eigentlich steht. Denn der DAX ist heute in etwa so deutsch, wie die englische Premier League englisch ist, in der viele Eigentümer und auch ca. 2/3 der Spieler keine Engländer sind. Schaut man sich z.B. die SAP-Aktie im DAX etwas genauer an, so stellt man fest, dass bereits 55% des Umsatzes außerhalb Europas erwirtschaftet werden und dass von den insgesamt 107.000 SAP-Mitarbeitern nur knapp ein Viertel in Deutschland beschäftigt sind. Ein noch drastischeres Bild ergibt sich bei der Betrachtung der Aktionärsstruktur. Institutionelle Investoren halten insgesamt 63% der SAP-Aktien – davon 5% in deutscher und 27% in US-amerikanischer Hand.
Ein ähnliches Bild ergibt sich für fast alle der 40 DAX-Unternehmen; die Deutsche Telekom beispielsweise erzielt einen Großteil ihrer Gewinne in den USA. Sie sind Teil einer globalisierten Wirtschaft, in der amerikanische Investoren eine dominierende Rolle spielen. Dementsprechend sind die Kursveränderungen dieser Unternehmen zu einem großen Teil auf die Entwicklung in anderen Volkswirtschaften zurückzuführen.
Darüber hinaus gibt es natürlich ganz spezifische Faktoren, die zu berücksichtigen sind. Bei der bereits erwähnten SAP-Aktie spielen sicherlich die spektakulären Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz eine besondere Rolle, da sie Erwartungen auf technologische Fortschritte und signifikante Kosteneinsparungen wecken – vor dem Jahr 2023 waren die Aussichten für die SAP-Aktie doch sehr getrübt. Die Banken haben zweifellos stark von den Leitzinserhöhungen profitiert. Lange Zeit (bis Mitte 2022) lag der Zinssatz für Hauptrefinanzierungsgeschäfte noch bei null Prozent. Bis September 2023 wurde er in mehreren Schritten auf 4,5 Prozent angehoben und liegt derzeit noch bei 3,4 Prozent. Zudem haben die Institute drastische Sparprogramme aufgelegt. So scheut sich die Commerzbank nicht mehr, sich von unrentablen Kunden zu trennen: Lange Zeit haben die Banken ihre Wachstumsperspektiven mit aufgeblähten Kundenzahlen überzeichnet. Rheinmetall wiederum war der typische Kriegsgewinner, denn der Ukraine-Krieg hat die Nachfrage nach Rüstungsgütern deutlich steigen lassen.
Auch die Versicherungsunternehmen waren wesentliche Treiber der DAX-Hausse. Sie profitieren über ihre Kapitalanlagen automatisch von den freundlichen Aktienmärkten und den steigenden Zinsen. Darüber hinaus konnten sie insbesondere im Schaden- und Unfallgeschäft deutliche Preiserhöhungen durchsetzen, die wohlgemerkt nicht nur kostendeckend waren, sondern auch ihre Margen deutlich erhöhten. Dies folgt der bekannten Strategie des „Frontloading“, bei der nicht nur die bereits sichtbare, sondern auch die erwartete zukünftige Inflation in die Prämien eingepreist wird. Damit wird der Inflationszuschlag erhoben, bevor die Kunden an die Grenzen ihrer Belastbarkeit stoßen und gegebenenfalls zu einem günstigeren Anbieter wechseln. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen; derzeit steigen die Krankenversicherungsprämien besonders stark.
Die Sonderstellung des DAX zeigt sich auch im Vergleich zur Entwicklung anderer Indizes, die Unternehmen abbilden, die stärker von der Entwicklung der deutschen Wirtschaft abhängig sind. Sowohl der MDAX als auch der TecDAX weisen für den Zeitraum 2022-2024 eine negative Rendite auf. Die Unternehmen in diesen Indizes haben in der Regel auch keine so dominante Marktstellung, dass sie die Produktpreise dominieren könnten, und werden von internationalen Investoren weniger beachtet, da sie in der Regel eine zu geringe Marktkapitalisierung aufweisen. Auch im Vergleich zum Weltmarkt und zu anderen Länderindizes schneidet der deutsche Aktienmarkt eher schlecht ab, insbesondere im Vergleich zu US-Aktien, bei denen man in jüngster Zeit durchaus von einer „Trump-Prämie“ sprechen kann.
Am 5. Dezember 1996 sprach der damalige US-Notenbankchef Alan Greenspan im Zusammenhang mit der Dotcom-Blase von einem „irrationalen Überschwang“. Zu diesem Zeitpunkt stand der DAX bei 2.832 Punkten. Greenspans anfangs viel diskutierte Warnung verpuffte, der DAX stieg bis zum Jahr 2000 auf über 8.000 Punkte. Aufgrund der stellaren Entwicklung der künstlichen Intelligenz und der anderen genannten Faktoren könnte der aktuelle Aufwärtstrend an den Aktienmärkten noch einige Zeit anhalten. Künstliche Intelligenz wird vermutlich ausnahmslos alle Bereiche von Computer-Applikationen erreichen. Das Ausmaß der Veränderungen ist wohl nur mit der industriellen Revolution vergleichbar. Das angeführte Beispiel zeigt, wie schwierig es ist, das richtige Timing für Investitionen zu finden. Alle dafür wesentlichen Faktoren sind jedenfalls globaler Natur. Mit der Wirtschaftspolitik der aktuellen deutschen Regierung haben sie (glücklicherweise) wenig zu tun.