Die Weltbank befürchtet, dass steigende Inflation und Zinssätze und ein alarmierendes Ausmaß an Verschuldung in ärmeren Ländern eine globale Kettenreaktion auslösen könnten, die es seit Generationen nicht mehr gegeben hat. „Je mehr die weltweiten Zinssätze steigen, desto größer ist die finanzielle Anfälligkeit in Schwellen- und Entwicklungsländern“, sagte die Chefökonomin der Weltbank, Carmen Reinhart, im Zusammenhang mit der Vorstellung des aktuellen Weltentwicklungsberichts.
Reinhart griff auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde direkt an und widersprach deren Behauptung, dass es in der Euro-Zone nicht die gleichen Signale einer wirtschaftlichen Überhitzung gebe wie in den USA. „Die Vorstellung, dass man eine Überhitzung braucht, um Inflation zu bekommen, ist einfach nicht belegt“, sagte Reinhart dem Handelsblatt. Es bestehe vielmehr „die Gefahr einer Stagflation“, also einer Geldentwertung, die gerade eben nicht mit einer Hochkonjunktur der Wirtschaft, sondern mit stagnierendem Wachstum einhergehe. Die Kombination aus Stagnation und Inflation erlebten fast alle westlichen Volkswirtschaften in den 1970er Jahren im Zuge der Ölkrise.
Damals, so Reinhart, hätten die Notenbanken nicht rechtzeitig reagiert. Es werde diesmal zwar eine Straffung der Geldpolitik geben, aber sie werde bescheiden ausfallen. Zwar hat die US-Notenbank Fed die Erhöhung der Zinsen um 100 Basispunkte in Aussicht gestellt. Aber, so Reinhart, in der Vergangenheit habe man mit Zinsanhebungen um rund 300 Basispunkten reagiert, um die Inflation einzudämmen.
Die Weltbank als multinationale Entwicklungsbank fokussiert erwartungsgemäß vor allem die Gefahren für ärmere Länder durch die Kombination von öffentlicher und privater Verschuldung und globaler Inflation beziehungsweise deren Auswirkungen auf die Zinsen.
In größeren Schwellenländern wie Indien, Südafrika, den Philippinen und Kenia rechneten mehr als 65 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen mit Zahlungsrückständen.
Auf einer Online-Veranstaltung der Weltbank aus Anlass der Vorstellung des Berichts erklärte Reinhart, dass der Anteil der Länder, die von einer Verschuldung betroffen oder bedroht seien, „alarmierend“ sei, und dass politische Maßnahmen im Finanzsektor erforderlich seien, um die Risiken der steigenden Verschuldung von Haushalten und Unternehmen anzugehen. „Vor allem Länder mit niedrigen Einkommen und schwacher Solvenz brauchen Schuldenschnitt“, sagte Reinhart dem Handelsblatt. Die Türkei, deren Kreditwürdigkeit letzte Woche von der Rating-Agentur Fitch auf „BB-“ herabgestuft wurde, befinde sich seit mehreren Jahren in der Krise und könnte „der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt“, sagte sie gegenüber Reuters.