Tichys Einblick

Welche Veränderungen auf die Wirtschaft nach Corona zukommen

Vieles Gewohnte und Geschätzte ist nicht mehr und wird auch nicht zurückkehren nach Ende der Krise. Entscheidend sind die Lern- und Anpassungsprozesse - der Konsumenten, Produzenten und der Regierenden.

© Sean Gallup/Getty Images

Das Sars CoV-2 Virus hält die Welt auch ein halbes Jahr nach Ausbruch weiter in Atem. Auch wörtlich zu nehmen. Und wird es noch lange tun. Der Schock der Horrorzahlen über seine rasche Ausbreitung über die gesamte Welt und über den nachfolgenden abrupten Einbruch der Weltwirtschaft sitzt tief. Erinnerungen an die Depression Ende der zwanziger Jahre und deren fatale Folgen werden wach. 

Teil 1: Die Philosophie

Vieles Gewohnte und Geschätzte ist wegen des Coronavirus nicht mehr, wie es einmal war. Sicher, so wie es war mit der Philosophie des immer Mehr und des immer Schneller konnte es ja nicht ewig weiter gehen, denken viele. Aber einfach zurück können wir auch nicht. Wie sieht die Zukunft nach dieser Pandemie aber dann aus?

Die Frage nach dem Danach rückt immer drängender in den Fokus von Wirtschaft und Gesellschaft. Die Menschen wollen wissen, wie es weitergeht? Was wird sie nach der Krise erwarten? Wie werden Wirtschaft und Gesellschaft von Morgen aussehen? Was kommt auf die Industrie zu, wie wird sich die Arbeitswelt verändern?

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Das ist die Stunde der Propheten und Zukunftsforscher aller Couleur, auch der Schwarzmaler. Und davon gibt es reichlich, auch in der Ökonomie. Der weniger begabte Ökonom mit seinen beschränkten hellseherischen Fähigkeiten muss sich da auf die Rationalität seiner Wirtschaftsmodelle beschränken, untermauert und abgesichert durch Kenntnisse bekannter Abläufe aus der Wirtschaftsgeschichte, noch besser durch solche aus eigener langjähriger Erfahrung, falls der historische Fundus das hergibt. Letzterer soll hier zu Wort kommen.

Deutschlands renommiertester Zukunftsforscher Matthias Horx hat auf die drei elementarsten Fragen der Gegenwart nach der Zukunft sehr sybillinisch wie folgt geantwortet: 

Dieser Auffassung der Zukunftsforschung kann sich der Ökonom nahtlos anschließen. Die Geschichte lehrt, dass Krisen immer irgendwann zu Ende sind und dass dann nichts mehr ist wie früher, „…sie verändern uns…“ (Horx). Diese Veränderungsprozesse finden in uns selber statt. Und werden dann über unsere Entscheidungen als Aktionen kumulativ nach außen in die Wirtschaft und die Gesellschaft getragen. Und werden dann dort zur „Zukunft“ – aus heutiger Sicht.

Mit anderen Worten: Der Homo Oeconomicus als Einzelner und sein Sozialverband, die Gesellschaft, sind verantwortlich für die Zukunft. Auch für die Zukunft der Wirtschaft: Alle gestalten die Zukunft selber durch ihr Verhalten, nicht die Zukunft macht die Gesellschaft, umgekehrt ist die Kausalität! Fatalismus ist völlig fehl am Platz. Wir sind die Zukunft! Und wir lernen …

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Die Menschheitsgeschichte seit Anbeginn wie die Wirtschaftsgeschichte der letzten dreihundert Jahre bietet bestes Anschauungsmaterial für die Anpassungs- und Lernfähigkeit der Menschen. Auch wenn die Kriege und Gräueltaten der letzten Jahrhunderte in der Alten wie der Neuen Welt hin und wieder berechtigte Zweifel an der adaptiven Weiterentwicklung der Menschheit aufkommen lassen. Doch das ist ein anderes Feld!

Dazu folgende Beispiele:

Was lernen wir daraus für unsere Fragestellung nach der Zukunft von Wirtschaft und Gesellschaft nach der Corona-Pandemie? Dazu gibt es gute wie schlechte Botschaften und Erkenntnisse. 

Zunächst die gute Nachricht:

Horx bringt das auf die griffige Formel:  „Es ist nicht der Weltuntergang, mit dem wir gerechnet haben. Es ist nicht hacken, sondern backen. Überall ist die Hefe ausverkauft, weil sich alle entschieden haben, Brot backen zu lernen“ Und selbst die letzten Computer-Nerds haben es hingekriegt, wie unsere Eltern und Großeltern im Hungerwinter 1946/47.

Und nun die schlechten Nachrichten:

Fasst man gute und schlechte Botschaften zusammen, so bleibt als Ergebnis festzuhalten:

Teil 2: Auswirkungen auf die Wirtschaft

Viele Experten gehen davon aus, dass die Corona-Krise Probleme im Wirtschaftssystem aufgezeigt hat, die es schon vorher gab. Viele Wirtschaftszweige, wie etwa die Autoindustrie, seien schon vorher in einer Krise gewesen. „Ich kenne keinen Wirtschaftsführer, keinen Manager, keinen CEO, der nicht auch sagt, eigentlich hat diese Krise im übertragenen Sinne von einem Druckkochtopf den Deckel weggenommen“ (Matthias Horx). Einfach mit unserem System so weitermachen wie bisher, könne man also nicht.

Dem ist voll beizupflichten. Auch wenn aktuell nichts wissenschaftlich bewiesen ist, sprechen doch Verstand, langjährige Erfahrungen in der Wirtschaft und Bauchgefühl für die Richtigkeit dieser These. Große strukturelle Veränderungen im Wirtschaftsgeschehen sind angesagt.

Aus ökonomischer Sicht ergeben sich drei große Einwirkungsfaktoren der Corona-Krise:

  1. Veränderungen unmittelbar eingeleitet durch die betroffenen Akteure selber: Unternehmen/Investoren, Konsumenten/Arbeitnehmer, Außenhandel, Staat etc.  Als Folge von Bewußtseinswandel und Anpasssungsreaktion.
  2. Anpassungsreaktionen bei den o.a. Akteuren, die als Sekundäreffekte von außen induziert werden., z.B. Kaufkrafteinbußen wegen Steuererhöhungen, Absatzeinbruch durch Rückgang der Exportnachfrage.
  3. Bewußtseinswandel der Gesellschaft als Ganzes

Der Einfachheit halber werden die ökonomischen Folgen der Krise hier zunächst anhand der Auswirkungen auf die Nachfrageseite, danach auf der Angebotsseite aufgeführt

Neues Konsumverhalten beim Verbraucher: Lernen mit weniger gut zu leben.

Zusammengefasst kann man sagen: Corona hat die Menschen dazu gebracht, dass sie versuchen, mit weniger Gütern gut zu leben.

Industrie unter Dauerdruck: Schwindendes Wachstum, steigende Produktionskosten.

Die Wirtschaft steht infolge der Corona-Krise vor den gewaltigsten strukturellen Anpassungen seit Beginn der Industrialisierung. Die Herausforderung der Umstrukturierung ist umfassend. Sie betreffen sowohl das, was sie produziert, als auch wie sie es produziert. 

Makroökonomische Aspekte: stärkere Rolle für den Staat
Gesellschaftlicher Bewusstseinswandel. 

Unbelehrbare, die meinen, alles müsse beim Alten bleiben, hat es zu allen Zeiten gegeben. Als Folge von Corona hat sich jedoch auch in den Köpfen und im Verhalten der Hartgesottenen vieles geändert. Fußball trotz leerer Stadien mag da als profanes Beispiel dienen. 

Der Schock des abrupten Anpassungszwangs zieht nicht nur in Deutschland und anderswo große Wachstums-, Beschäftigungs- und Wohlstandseinbußen und kulturelle Verarmung nach sich. Er bietet auch gesellschaftliche Chancen. 

Voraussetzung für all dies ist allerdings, dass der hier unterstellte Bewusstseinswandel tatsächlich in der vorgezeigten Richtung stattfindet.

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