Doppel-CEO Blume ist dabei, das Chaos, das sein Vorgänger Herbert Diess („Onkel Herbert“) in Strategie und Software mit „natürlicher Intelligenz“ angerichtet hat, im ICE-Tempo zu beseitigen, Und scheut dabei auch nicht vor dem Einsatz „künstlicher Intelligenz (KI) zurück, nachdem offensichtlich natürliche Intelligenz bei VW nicht ausgereicht hat, die anstehenden Probleme der Großbaustelle VW zu lösen.
Und derer gibt es viele. Was macht Blume? Er greift durch, ordnet die Firmenstruktur des Konzerns neu und kassiert die Software-Strategie, die sein Vorgänger im Chaos hinterlassen hat. Eckpunkte seiner Strategie will Blume am 15. Dezember in einer Aufsichtsratssitzung vorstellen, so laut Handelsblatt aus Konzernkreisen
Oberste Priorität hat für Blume die Neuordnung der Zukunftsprojekte. Und Blume geht systematisch vor. Mitte November hatte er bereits das Projekt „Trinity“ kassiert. Mit dem ursprünglich für 2026 geplanten Modell sollte eine neue Autosoftware für den Konzern eingeführt werden. Stattdessen stellt Blume VW nun darauf ein, die vorhandene Software bis Ende des Jahrzehnts wettbewerbsfähig zu halten. Allein das kostet nach Handelsblatt-Informationen deutlich mehr als eine Milliarde Euro.
Es ist das wohl wichtigste Zukunftsprojekt in Wolfsburg: Der Elektro-Leuchtturm Trinity, mit dem VW Tesla die Stirn bieten will. Doch nachdem der Start des Modells bereits um zwei Jahre auf 2028 verschoben werden musste, hat VW jetzt auch das bisher geplante Design des Autos eingestampft. Kommen soll das Auto zwar – aber ganz anders als gedacht. Das Auto dürfte nicht nur zwei Jahre später kommen, sondern auch ganz anders aussehen als bisher erwartet. Die Tesla Jagd ist damit bis 2028 abgeblasen.
Damit wird bereits der zweite Entwurf, den die neue VW-Spitze vom früheren Markenchef Ralf Brandstätter geerbt hatte, abgeräumt. Zuvor war bereits die Studie ID Life, die Brandstätter 2021 auf der IAA präsentiert hatte, durchgefallen. Neu gezeichnet soll der Einstiegsstromer soll 2025 als ID.2 in Serie gehen.
Der bisherige Trinity-Entwurf einer flachen Limousine cw-Wert optimierten Karosserie fiel bei der neuen Konzernspitze durch, weil zu brav, zu unscheinbar und viel zu wenig markant. VW – Führungsspitze hat plötzlich erkannt – ob dabei KI im Spiel war ist offen -, dass VW Autos brauche, die der Kunde auch kaufen wolle. Und die zur Marke passen. Und das sei keine nur auf Aerodynamik getrimmt Keilform. „Das darf nicht wieder so etwas wie der XL1 werden“, hieß es in Anspielung auf das legendäre Ein-Liter-Auto von Ferdinand Piech, das es nie über die Kleinserie hinaus schaffte (Automobilwoche).
Endgültig entschieden ist aber noch nichts, hieß es in Wolfsburg. Wichtig sei nur, dass man sich an dem orientiere, was die Kunden wünschen. Bei der Aerodynamik werden dafür Abstriche gemacht. Es bleibe dabei, dass Trinity mit der besten Technik komme, aber nicht mehr zwingend mit dem besten cw-Wert. VW hat inzwischen erkannt, dass der cw-Wert bei einem Tempolimit schlicht am Markt vorbeigeht. Stattdessen soll der Trinity jetzt deutlich stärker in Richtung SUV gehen – was der Markt eben so will! Die neue VW Führung hat erkannt, dass man sich an dem orientiere, was die Kunden wünschen. Es bleibe dabei, dass Trinity mit der besten Technik komme. Aber eben nicht mehr zwingend mit dem besten cw-Wert. Denn das gehe schlicht am Markt vorbei.
Noch stärker an die Substanz als die Wirren in der Modellplanung einher gehen die Wirren in der Standortplanung. Offen ist inzwischen, ob das geplante neue Trinity-Werk in Wolfsburg wirklich gebaut wird. Wegen der Verschiebung prüft VW jetzt, ob man das Auto dann nicht besser direkt im Stammwerk baut. Eine Säule der friedlichen Zusammenarbeit zwischen Konzernspitze und VW Betriebsrat kommt so ins Wanken!
Dazu mag auch beigetragen haben, dass die optimistischen Pläne für den Absatz der VW-Elektroautos inzwischen einer nüchternen Betrachtung gewichen sind. Der Absatz von Elektroautos in Deutschland droht nach jahrelangem Wachstum laut einer Prognose des Center Automotive Research (CAR Institut) bis 2024 einzubrechen. Das Institut rechnet für das Jahr 2024 nur noch mit 362.000 verkauften E-Autos nach rund 720.000 Verkäufen im laufenden Jahr. Der Marktanteil der Stromer würde sich von aktuell 27,8 Prozent auf 14 Prozent nahezu halbieren.
Wichtige Gründe für den Niedergang liegen auf der Hand: Kappung der staatlichen Fördermittel sowie absehbar dauerhaft hohe Strompreise, die einen Einstieg in die vor Ort emissionsfreie Technologie zunehmend unattraktiver machen. Für das Jahr 2023 erwartet das (CAR) noch 484.000 verkaufte Elektroautos, was einem Marktanteil von 21,3 Prozent entsprechen würde.
Bezogen auf die Technik will Blume aber an allem festhalten, was bisher angekündigt wurde: Die neue Einheitsplattform SSP und die Software 2.0, die autonomes Fahren bis Level 4 ermöglichen soll, sind weiterhin gesetzt. Eine insgesamt sehr heroische Zielsetzung
Vor allem die Software-Tochter Cariad sorgt im VW Konzern immer wieder für Verzug, bei Audi inzwischen zur Beerdigung aller hochtrabenden Software-Projekte und Luxus-Modelle.
Blumes Lösung: VW verstärkt sich im Bereich Künstliche Intelligenz durch die Übernahme von Paragon Semvox. Die Volkswagens Software-Sparte Cariad will ihr Geschäft mit einem weiteren Zukauf bei Sprachsteuer-Systemen ausweiten. Bislang war die Software-Tochter von Paragon ein externer Lieferant von VW. Die Jobs bleiben erhalten. „Mit der Übernahme stärkt Cariad seine Entwicklungskompetenzen in diesem wichtigen Bereich“, hieß es bei VW.
Paragon Semvox gehört bisher zum Autoelektronik-Zulieferer Paragon. Digitale Sprachassistenten erledigen in vernetzten Fahrzeugen immer mehr Aufgaben. Laut Cariad-Managerin Lynn Longo geht es bei den Übernahm Plänen um den Aufbau einer zentralen Schnittstelle verschiedener Konzernmarken. Damit soll das Sorgenkind Cariad, die Softwaresparte von VW und Stolperstein für Herbert Diess, weiter auf Vordermann gebracht werden.
VW ist bereit, für die Anreicherung seiner Künstlichen Intelligenz durch die Übernahme von Semvox einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag aufzuwenden (Automobilwoche)
Ob diese weitere Investition in die Künstliche Intelligenz der Autos ausreicht, die natürliche Intelligenz in den Entscheidungsprozessen des Automobilgiganten ebenfalls nachhaltig zu verbessern, wird die Zukunft zeigen. Zumindest Blume setzt darauf. Und seine bisherigen Entscheidungen stimmen hoffnungsvoll.