Im Milieu der Gutmenschen und „Wohlgesinnten“ (Alexander Wendt) ist es bekanntlich ein Tabu, über Donald Trump abwägend zu urteilen, geschweige denn, eine positive Meinung zu vertreten. Und man muss allerdings zugeben, dass er es den Kritikern aus diesem Milieu mit seinen erratischen wirtschaftspolitischen Entscheidungen der letzten Wochen leicht gemacht hat. Selbst wohlmeinenden Kritikern fällt es mittlerweile schwer, einen Ariadnefaden durch das Dickicht der Entscheidungen zu ziehen – nicht nur, aber insbesondere im Bereich der Wirtschaft.
Die Wirtschaftsdaten für das vierte Quartal 2024 gaben noch wenig Anlass zur Sorge. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs im vierten Quartal 2024 mit einer annualisierten Rate von 2,3 Prozent und entsprach damit in etwa den Erwartungen der Finanzmärkte. Allerdings fiel der Index der Industrieproduktion auf einen Wert von 102,36, was einem leichten Rückgang gegenüber dem Vorquartal entspricht und leicht unter den Erwartungen lag. Die Arbeitslosenquote blieb wie erwartet stabil und der Preisindex für persönliche Konsumausgaben stieg um 2,4 Prozent. Diese Werte sind nicht berauschend, zeichnen aber das Bild einer insgesamt stabilen Wirtschaftsentwicklung mit Schwächen in der Industrieproduktion.
In den ersten Monaten dieses Jahres war jedoch ein Anstieg der Arbeitslosigkeit und vor allem der Kurzarbeit zu verzeichnen, was nun die jüngsten Maßnahmen der Trump-Administration ins Rampenlicht rückt. Als großes Problem haben sich die angekündigten Stellenstreichungen erwiesen. Nach Angaben des Outplacement-Unternehmens Challenger, Gray & Christmas wurden im Februar insgesamt 172.017 Stellenstreichungen angekündigt, 103 Prozent mehr als im Vorjahr und die höchste Zahl in einem Februar seit 2009. 62.000 davon entfielen auf den öffentlichen Sektor.
Sie sind zumindest teilweise auf Maßnahmen der Abteilung für Regierungseffizienz (Department of Government Efficiency, DOGE) zurückzuführen, die von Elon Musk geleitet wird. Analysten schätzen, dass durch DOGE bis Ende 2025 insgesamt eine halbe Million Arbeitsplätze verloren gehen könnten.
Solche Erwartungen führen naturgemäß nicht zu besonders positiven Zukunftserwartungen der Verbraucher, was sich im Jahresverlauf auch in einer deutlichen Eintrübung des Verbrauchervertrauens niederschlug. Hinzu kommen beunruhigende Äußerungen von Donald Trump und seinem Finanzminister Scott Bessent, die als arrogant oder leichtfertig bezeichnet werden müssen. So erklärte Trump am letzten Wochenende, er schließe weder eine Rezession noch eine höhere Inflation aus, während er gleichzeitig die Bedenken der Wirtschaft hinsichtlich der Unklarheiten bei den Zöllen zurückwies. Bessent führte kürzlich bei einem Treffen des Economic Club of New York aus: „Access to cheap goods is not the essence of the American Dream.“ Solche Äußerungen dürften von Trumps Wählern als Schlag ins Gesicht empfunden werden, war es doch Trump, der Bidens Wirtschaftspolitik immer wieder als Ursache für die ungerechte hohe Inflation geißelte.
Gibt es einen roten Faden?
Trump und Bessent wollen das Staatsdefizit deutlich senken, was auch dringend erforderlich ist, denn derzeit beträgt es rund 36 Billionen US-Dollar, was etwa 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht. Oder anders betrachtet: Die Zinsausgaben belaufen sich auf über 1000 Milliarden US-Dollar pro Jahr, was etwa 10 Prozent der gesamten Staatsausgaben entspricht. Neben den drakonischen Kürzungen durch das DOGE, sollen die Staatseinnahmen durch Steuern und Förderabgaben auf eine massiv ausgeweitete Öl- und Gasförderung und eben durch Strafzölle erhöht werden.
Vor allem die Strafzölle – Trumps liebstes Instrument – bereiten Unternehmenslenkern und Börsianern Kopfzerbrechen. Bereits zwei Monate nach seinem Amtsantritt sind Trumps Kapriolen kaum noch zu überblicken. So setzte er zunächst die Importzölle auf Stahl und Aluminium auf 25 Prozent fest und strich alle bisherigen Ausnahmen. Mexiko und Kanada belegte er mit einem generellen Zoll von 25 Prozent, den er aber später vorübergehend wieder aussetzte, um ihn Anfang März wieder in Kraft zu setzen. Doch auch hier gab es wieder eine Kehrtwende, denn da sich Mexiko bei der Drogenbekämpfung kooperativ zeigte, setzte Trump die Zölle gegen Mexiko bis Anfang April wieder aus.
Für Kanada gelten jedoch Strafzölle in Höhe von 25 Prozent auf Waren, die nicht unter das USMCA (USA-Mexiko-Kanada-Abkommen) fallen. Als Reaktion auf die von Kanada im Gegenzug angekündigten massiven Strafzölle konterte Trump erneut mit der Ankündigung, die Strafzölle auf Stahl und Aluminium im April auf 50 Prozent zu erhöhen. Ziel dieser Zölle sei es, so Trump, „die Automobilproduktion in Kanada dauerhaft zum Erliegen zu bringen“. Kurz darauf ruderte er zurück, da man sich mit dem Bundesstaat Ontario über dessen Zölle geeinigt habe. Unabhängig davon wurde Kanada dringend empfohlen, einen Antrag auf Aufnahme als 51. Bundesstaat der USA zu stellen.
China wurde zunächst mit einem generellen Importzoll von 10 Prozent belegt, woraufhin China im Gegenzug verschiedene US-Produkte mit Strafzöllen belegte. Später wurde der Zoll sogar auf 20 Prozent erhöht. Darüber hinaus wird geprüft, ob auch die heimische Kupferindustrie durch Zölle geschützt werden soll. Die EU soll mit Strafzöllen von 25 Prozent auf alle Produkte belegt werden, woraufhin selbstredend auch die EU entsprechende Gegenzölle angekündigt hat. Wenn Sie, lieber Leser, dies lesen, kann der Lagebericht allerdings schon wieder überholt sein, so schnell ändern sich derzeit die Positionen.
Einführung von Grenzausgleichssteuern
Dieses Hin und Her bei den Zöllen führt auch bei vielen US-Unternehmen zu erheblichen administrativen und wirtschaftlichen Problemen, so dass die Kritik an dieser Wirtschaftspolitik wächst. Viele Unternehmen sehen ihre Produkte massiv verteuert, da sie bei der Produktion auf im Ausland gefertigte Teile angewiesen sind, beispielsweise die Automobilindustrie. Nicht wenige Beobachter erwarten daher, dass die Einführung der Zölle nur eine Vorstufe – sozusagen eine Testphase – für eine weitreichende Reform der Unternehmensbesteuerung in den USA sein wird.
Denkbar wäre zum Beispiel die Einführung eines Systems von Grenzausgleichssteuern („destination-basis tax system“), bei dem Exporte aus den USA gar nicht, Importe aber mit dem US-Körperschaftsteuersatz besteuert würden (statt wie bisher mit einem Zoll). Das neue Steuersystem könnte die Inflation durch höhere Importpreise anheizen. Der durch das neue Steuersystem geschaffene finanzielle Spielraum soll jedoch dazu genutzt werden, Steuern wie die Einkommensteuer zu senken, um die Auswirkungen der höheren Inflation abzufedern. Eine detaillierte Beschreibung eines solchen Systems und seiner Auswirkungen findet sich in der April-Print-Ausgabe von Tichys Einblick.
Vertrauen in die Verlässlichkeit der USA schwindet
Insbesondere der wichtige Rüstungssektor ist durch die sprunghaften Entscheidungen Trumps in Bezug auf die Verfügbarkeit von Waffen in eine Vertrauenskrise geraten. Dies lässt sich beispielsweise am Aktienkurs des französischen Satellitenanbieters Eutelsat ablesen. Allein aufgrund von Spekulationen, dass SpaceX keine Informationen mehr an die Ukraine weitergeben würde, stieg der Aktienkurs des europäischen Konkurrenten in der ersten Märzwoche von 1,19 Euro auf 10,90 Euro!
Zudem entbrannte eine Diskussion über mögliche Notschalter („kill switches“) für die in der Ukraine stationierten US-Waffensysteme. Deutschland hat, wie auch andere Länder – zum Beispiel die Schweiz – mehrere Exemplare des hochmodernen Kampfflugzeugs F-35A bestellt. Nun kursieren Gerüchte, die Flugzeuge könnten mit einem „Kill Switch“ unbrauchbar gemacht werden. Sollten sich die Zweifel an der Zuverlässigkeit der von den USA gelieferten Waffensysteme bewahrheiten, wäre dies für eine Branche, die allein im Jahr 2024 Waren im Wert von 238 Milliarden US-Dollar exportiert hat, ein großes Problem, da Rüstungsimporteure in diesem Fall verstärkt nach verlässlichen Alternativen suchen würden.
Vormachtstellung der USA in Gefahr
Lange Zeit galt „American Exceptionalism“ in der Börsenwelt als feststehender Ausdruck für die überragende Stärke und Innovationskraft der US-Wirtschaft. Und auch zu Jahresbeginn setzten Investoren darauf, dass mit der wirtschaftsfreundlichen Politik von Präsident Donald Trump die Stärke der US-Aktien und des US-Dollars anhalten würde, doch die erratischen Maßnahmen der Trump-Administration, insbesondere in der Zollpolitik, belasten Konsumenten und Unternehmen zunehmend. Knapp zwei Monate nach seinem Amtsantritt machen sich sogar Rezessionsängste breit, die sich in einer erhöhten Volatilität der Aktienindizes niederschlagen.
Viele Fragen können derzeit nicht beantwortet werden, zum Beispiel, ob die FED die Zinsen weiter senken wird (Trump wird gewiss mächtigen Druck ausüben) und ob der von Trump/Musk eingeschlagene Weg des Abbaus von Staatsangestellten unverändert fortgesetzt wird. Die Turbulenzen um die Zölle werden von der Trump-Administration jedoch nur als vermeintlich kurzfristige Störung wahrgenommen und als solche hingenommen. In seiner Rede vor dem US-Kongress kündigte Trump an, ab April reziproke Importzölle zu erheben: „Whatever they tax us, we will tax them“. Gleichzeitig arbeitet seine Regierung an einem Steuerpaket, das die durch die Zölle entstehenden wirtschaftlichen Härten abfedern soll.
Sollte dieses vom Kongress verabschiedet werden, gäbe es wohl kein Zurück mehr aus Trumps Zollwunschwelt.
Bernd Fischer absolvierte ein Studium der Physik und Mathematik in Köln und Boca Raton mit Promotion. 25 Jahre in leitenden Positionen in der Finanzbranche, zahlreiche Fachveröffentlichungen, seit 2020 freier Publizist mit eigenem Blog „Philippicae“.