Das zweite Mal in Folge ist die US-Volkswirtschaft geschrumpft. Schon im ersten Quartal 2022 war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,6 Prozent gesunken. Nun geht die Wirtschaftsleistung für das zweite Quartal hochgerechnet auf das Jahr um 0,9 Prozent zurück. Fachleute sprechen hierbei von einer „technischen Rezession“.
Grund für den erneuten Einbruch dürfte die Geldpolitik der Notenbank Federal Reserve System (Fed) sein. Um die Inflation abzubremsen, sie liegt derzeit bei 9,1 Prozent, erhöhte sie seit März dieses Jahres den Leitzins schrittweise um insgesamt 2,25 Prozent – offenbar handelte es sich dabei um eine solch rasante Zinserhöhungswelle innerhalb kürzester Zeit wie nie zuvor.
Zwar führte das US-Handelsministerium den nochmaligen Rückgang des BIP auf geringere Investitionen der Unternehmen sowie geringere Lagerbestände und sinkende Staatsausgaben zurück; doch die kräftigen Leitzinserhöhungen dürften den Ausschlag gegeben haben.
Auch US-Präsident Biden glaubte zu Beginn der Woche nicht an eine Abschwungphase. „Meiner Ansicht nach steuern wir nicht auf eine Rezession zu“, ließ er verlauten. Dabei wies er auf die guten Zahlen am Arbeitsmarkt hin. Für Biden sind die schlechten Wirtschaftsdaten innerhalb eines halben Jahres vor den Zwischenwahlen zum Kongress im November ein heftiger Rückschlag. Die politische Konkurrenz unterstellt dem Präsidenten den erneuten Abschwung als Zeichen seiner Fehlleistungen in der Wirtschaftspolitik.
Finanzministerin Janet Yellen betont, trotz des wirtschaftlichen Abschwungs gebe es keine Rezession. Am Donnerstag betonte sie: „Sie sehen keinen signifikanten Anstieg von Unternehmensinsolvenzen, die typischen Arten von Notlagen, die wir mit dem Wort Rezession verbinden.“ Die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums sei zu erwarten gewesen.
Das Echo auf die wirtschaftlichen Entwicklungen in den USA fällt hierzulande ambivalent aus. „Hohe Inflationsraten, steigende Leitzinsen und deutlich schlechtere Finanzierungsbedingungen belasten“, heißt es bei der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Andere sprechen von einer technischen, nicht aber von einer breitangelegten Rezession, wie Bernd Weidensteiner von der Commerzbank.
Am Mittwoch kündigte Fed-Chef Powell eine weitere Zinserhöhung von 0,75 Prozent im September an. Ein Zinsniveau von drei bis zu 3,5 Prozent zum Jahresende sei anzustreben. Erst ab 2023 will die Fed auf eine langsamere Gangart zusteuern. Die Folge der US-Geldpolitik: Der hohe Zins lässt den Dollar stärker werden und zieht Kapital aus Europa ins „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“. Am Freitag entspricht 1 US-Dollar 0,98 Euro.
Auch in Deutschland herrscht Konjunkturflaute. Im zweiten Quartal des Jahres bleibt das BIP unverändert im Vergleich zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Die deutsche Wirtschaft stagniert. Volkswirtschaftler hatten mit einem leichten Wachstum gerechnet. Die höchste Inflation seit Jahrzehnten bremst den privaten Konsum aus. Und dieser ist, wie in den USA, eine wichtige Stütze der Konjunktur.