Tichys Einblick
Bei EZB und Fed

Unveränderte Leitzinsen: Mit offenen Augen in die nächste Wirtschaftskrise

Die Notenbanken der Eurozone und der USA lassen ihre Leitzinsen auf einem hohen Niveau. Auch wenn Experten Senkungen im kommenden Jahr erwarten, ist die Inflation aufgrund der historisch hohen Geldmenge weiterhin viel zu hoch. Währenddessen wirken Habeck und Co. heillos überfordert. Von Samuel Faber

EZB-Präsidentin Christine Lagarde bei der Pressekonferenz der Europäischen Zentralbank in der EZB in Frankfurt, 14. Dezember 2023

IMAGO / Panama Pictures

Der wohl bekannteste Slogan von Milton Friedman lautet: „Money matters“. Der Ökonom war der Meinung, dass die Geldmenge die wesentliche Komponente von Wirtschaftswachstum und Stabilität ist. Steigt die Geldmenge, so steigt auch die Inflation, und der Euro wird weniger wert. Der eine Euro von 2002 verlor Jahr für Jahr sukzessive seine Stärke und ist heute nur noch ein Schatten seiner selbst.

Ein Instrument, die Geldmenge zumindest implizit zu steuern, ist der Leitzins. Nun hat die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) zum dritten Mal in Folge entschieden, dass der Leitzins unverändert bleibt. Damit liegt dieser zwischen 5,25 und 5,5 Prozent historisch hoch. Für das kommende Jahr stellten die Währungshüter jedoch eine Senkung in Aussicht. Analysten gehen davon aus, dass der Leitzins in drei Schritten auf bis zu 4,6 Prozent gesenkt wird.

Der Leitzins ist der Satz, zu dem sich Geschäftsbanken Geld leihen können. Mit der Senkung schafft die Fed den Anreiz, dass die Bank of America, City Group, Goldman Sachs und Co wieder mehr Kapital in den Markt pumpen. Dies könnte sich auch auf die Inflation auswirken. Zwar ging diese im November im Vergleich zum Vormonat leicht zurück, ist jedoch mit 3,1 Prozent weiterhin hoch.

Auch die EZB senkt die Zinsen

Anders gesagt: Die Enteignung aufgrund der Teuerungsrate hält in den Staaten, wie auch in Deutschland, nicht nur weiter an, sie wird mit der Entscheidung der Fed wieder befeuert. „Der Inflationsrückgang bleibt ein zäher Prozess“, kommentierte Ökonom Bastian Hepperle von der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe gegenüber der Tagesschau. „Besonders widerspenstig zeigt sich die Kerninflationsrate, die weiterhin viel zu hoch ist“, so der Experte. Diese sogenannte Kernrate ohne die Energie- und Lebensmittelpreise verharrte bei 4,0 Prozent.

DER PLEITEGEIER KREIST WEITER
Erneuter Anstieg der Insolvenzen
Die sinkenden Preise für Energie sind auch der wesentliche Grund, warum die Inflation in den USA sinkt. Diese kostete 5,4 Prozent weniger als noch im November 2022. Nahrungsmittel verteuerten sich hingegen um 2,9 Prozent, die Wohnkosten zogen sogar um 6,5 Prozent an. Die Begründung ist denkbar simpel: Im Gegensatz zu Deutschland machten sich die USA über Jahrzehnte vom Ausland unabhängig. Doch nicht etwa durch eine ineffiziente Energiewende wie in Deutschland, sondern durch Fracking und Kernenergie.

Es wirkt wie abgesprochen, denn Gleiches wie die Fed hat auch die Europäische Zentralbank (EZB) vor. In ihrer Sitzung vom Donnerstag verkündete Notenbank-Chefin Lagarde, den Leitzins bei 4,5 Prozent. Doch auch hier zeichnet sich eine Senkung ab. Für Haushalte bedeutet das: Variable und neu zu vergebene Kredite bleiben weiter sehr teuer. Die ohnehin krisengeplagte Baubranche hat das Nachsehen.

Droht die nächste Immobilienkrise?

Wie alarmierend die Stimmung auf dem Bau ist, zeigen die Zahlen. Eine Umfrage des Münchner Ifo-Instituts hat ergeben, dass inzwischen fast die Hälfte aller Unternehmen unter Auftragsmangel klagen. Viele Unternehmen verzeichnen sogar Stornierungen. Im November wurden 21,5 Prozent der Aufträge abgesagt. Der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe, erklärt wie folgt: „Die hohen Baukosten und das aktuelle Zinsniveau lassen viele Bauherren verzweifeln.“

Achtung, Glosse
Schrödingers Marktwirtschaft
Viele Projekte rechnen sich nicht mehr. Dabei liegt es nicht daran, dass zu wenig zu tun ist. Marode Brücken, Straßen und Schulen sind in Deutschland längst keine Seltenheit mehr. Das Problem ist, dass die Mittel nicht da sind. Hohe Zinsen schrecken potenzielle Bauherren zusätzlich ab. 11,1 Prozent der befragten Unternehmen meldeten bereits Finanzierungsschwierigkeiten. Im Oktober lag die Rate noch unter 10 Prozent. „Die Stimmung unter den befragten Betrieben bleibt eisig“, meinte Wohlrabe. „Besserung ist im Moment nicht in Sicht.“

Währenddessen droht auf dem Aktienmarkt die nächste Immobilienblase heranzuwachsen. Der Subindex erreichte den Höchststand seit Anfang des Jahres. Seit Ende Oktober ging er um 40 Prozent nach oben. Ein gesundes Wachstum sieht anders aus. Einer der großen Profiteure ist übrigens Vonovia.

Habeck wirkt heillos überfordert

Es scheint paradox: Die Märkte reagieren optimistisch, während Wissenschaftler skeptisch bleiben und Verbraucher immer weniger Geld in der Tasche haben. Der Aktienmarkt spiegelt immer die Erwartungen der Anleger wider. Offensichtlich sind diese höher als in der Realität. Ähnlich wie in den USA liegt im Euroraum die Kerninflationsrate bei 3,6 Prozent, ein Wert deutlich über dem Zielwert der EZB.

So bleibt neben den Zinsen das eigentliche Problem die Geldmenge. Belief sich diese im Euroraum mit Einführung des Euro als Buchwert im Jahr 1999 auf 4,7 Billionen Euro, so liegt dieser heute bei fast 16 Billionen Euro. Diese Verdreifachung spüren Verbraucher, wenn sie einkaufen, tanken, Miete bezahlen oder in den Urlaub fliegen, falls sie sich dies überhaupt noch leisten können.

EZB und Fed reagieren wie Getriebene, die mit Make-up versuchen, etwas zu kitten, was von den Vorgängern Powells und Lagarde, aber auch von den damaligen Staatschefs in der Finanzkrise kaputt gemacht wurde. Währenddessen beweist der Wirtschaftsminister vor laufender Kamera Tag für Tag seine Inkompetenz. Das wäre als Buchautor nur halb so tragisch. Als der wohl wichtigste Minister in diesen Zeiten ist dies eine Katastrophe und für den ökonomischen, also auch gesellschaftlichen Zusammenhalt dieses Landes unabdingbar. Denn Friedman hatte völlig recht, als er meinte: „Es gibt keine ökonomische Freiheit ohne gesellschaftliche Freiheit.“

Deutschland ist gerade dabei, beides zu verlieren.

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