Die Tesla-Aktie ist am Mittwoch auf ein 52-Wochen-Tief gefallen. Zwischenzeitlich gaben die Papiere um fast 15 Prozent auf gut 105 US-Dollar nach. Das neue Jahr beginnt für den Autobauer, wie das alte endete.
„Elon, Elon gib mir meine Millionen wieder!“ So mag mancher Altsprachler und betuchte Tesla-Aktionär klagend ausgerufen haben, der die Aktie rund ein Jahr zuvor bei Ständen von kurzfristig sogar um die 400 Dollar erstanden hatte. Der Unternehmenswert schrumpfte von rund einer Billion Dollar auf rund 300 Milliarden. Während aber Kaiser Augustus keine Hoffnung auf die Rückkehr seiner im Jahr 9 n.Chr. unter dem Feldherrn Publius Quintilius Varus im Teutoburger von den Germanen des Arminius vernichteten Legionen haben konnte, bleibt die Hoffnung der Tesla-Aktionäre aber nicht völlig illusorisch.
- traditionellen Automobilen einen völlig neuen elektrisch/elektronischen Atem eingehaucht, sie kommunikativ vernetzt und auf der Straße zum Selbstfahren gebracht,
- Raketen mit Mehrfachverwendung gebaut, wozu der eigene Staat nicht in der Lage ist,
- Tesla-Autos als Werbegag ins All geschossen und eigene Satellitensysteme installiert,
- mit seinem Mobilitätssystem Tesla – Elektroauto + Ladeinfrastruktur – völliges Neuland betreten und das auch noch erfolgreich,
- auf allen wesentlichen Autokontinenten unentwegt sogenannte Giga-Fabriken errichtet und ins Laufen gebracht, und
- mit einer unglaublichen Milliarden-Investition ein wesentliches Sprachrohr der globalen Kommunikation namens Twitter übernommen und damit durch die Hintertür globale Meinungsmacht gewonnen.
Da kann der Glaube an die eigene Unbesiegbarkeit und das eigenen Management-Potenzial durchaus ins Unermessliche steigen. Der Autodidakt Musk nahm sich selbst als Maß aller Dinge. Der Volksmund sagt dazu: Erfolg und Ruhm sind ihm zu Kopf gestiegen! Elon Musk hat sich überschätzt (=Hybris) und überfordert (= Overstretching).
Was altgediente Ökonomen und Wirtschaftsexperten schon lange voraus ahnten scheint sich inzwischen zu konkretisieren: Der Thron von König Musk wackelt! Bei seinem Firmen-Imperium mehren sich die Zeichen, dass der Zenit der Erfolgskurve überschritten wurde.
Der Glanz des omnipotenten Siegers und Alleskönners droht sich in den Odeur des Losers zu wandeln, der den Kapitaleignern in die Nase steigt und sie veranlasst, ihr bislang blindes und bedingungsloses Kapital-Engagement erstmals ernsthaft zu überdenken. Denn Börsengewinner waren 2022 diejenigen, die auf einen Niedergang von Tesla gesetzt hatten.
Auslöser der Negativnachrichten waren die unprofessionelle Übernahme und das katastrophale Personal-Management beim neuen Geschäftsfeld Twitter. Unter Investoren kursiert die Befürchtung, dass durch die Twitter Eskapaden die Marke Elon Musk idauerhaft beschädigt sei.
Die Twitter-Story von Musk wurde in den Medien ausgiebig dargestellt, bleiben wir beim wesentlichen. Der Kardinalfehler von Elon Musk beim Projekt Twitter war die Fehleinschätzung, er könne bei Twitter die gleichen rustikal/brachialen Managementmethoden anwenden wie bei all seinen vorherigen Engagements, vor allem bei Tesla.
Musk hat völlig übersehen,
- dass das Kerngeschäft von Twitter nicht wie bei PayPal auf reinen Kommunikations- und Übertragungstechniken beruht, und der Dienstleistungsfaktor Arbeit eine Nebensache darstellt,
- und nicht wie bei Tesla, nur auf Spezialprodukten (Batterien + Batteriemanagement) und einem funktionierenden Produktionsapparat der old economy beruht. Der Faktor Arbeit in einer Automobilfabrik ist zwar wichtig, kann aber ohne langjährig erworbene Spezialkenntnisse kurzfristig durch Leiharbeiter beliebig ausgetauscht werden. Wovon Musk auch reichlich Gebrauch machte. Bei Twitter hingegen beruht die Wertschöpfung (außer auf dem Finanz- und Inkassowesen) fast ausschließlich auf hoch spezialisierten Mitarbeitern, von denen Musk ad hoch die Hälfte entließ. Vor allem die sofortige Ablösung des Spitzen- und Kontroll-Managements von Twitter hat wichtige Werbekunden verschreckt.
Auf alle Geschäftsfelder hat Musk bei all seinen bisherigen Unternehmen unmittelbaren Zugriff, alle wurden und werden faktisch autokratisch durch ihn selber, den „Techno-King“, gemanaged. Den Titel „Techno-King“ verlieh Musk sich 2022 selber, was sogar in einer Pflichtmitteilung an die US-Börsenaufsicht SEC, festgehalten wurde. Nur ein einziger weiterer Tesla-Spitzenmanager erhielt dabei ebenfalls eine neue Amtsbezeichnung: Finanzvorstand Zach Kirkhorn, 34, wurde „Master of Coin“ – der Meister der Münze. Die SEC musste beides pflichtgemäß veröffentlichen.
Bei Twitter liegen die Verhältnisse anders. Twitter beruht zwar technisch auf einer Kommunikationsplattform, der wesentliche Geschäftskern und der zentrale „Produktionsfaktor“ sind jedoch seine Mitarbeiter und deren Spezialkenntnisse. Vor Twitter-Übernahme waren es 12.000, nach der Übernahme schmolz Musk deren Anzahl binnen weniger Wochen auf 6.000 ab.
Probleme bei Tesla
Auch bei Tesla laufen die Geschäft nicht mehr rund, jedenfalls anders als von Musk mit seinen Zukunftsplänen von 25 Millionen verkauften Tesla Fahrzeugen im Jahre 2030 geplant. Ob bei stockendem Absatz und finanziellen Engpässen Tesla-Aktionäre, wie schon so oft in der Vergangenheit, auch 2023 bereit wären, das Unternehmen großzügig und milliardenschwer mit frischem Kapital auszustatten, darf bezweifelt werden. Auch wenn Teslas neuer „Master of Coins“ Kirkhorn im Vorjahr erstmals hohe Gewinne ausweisen konnte.
Fakt ist, dass der Absatz von Tesla gegen Jahresende in Deutschland einbrach, aber auch in China und vor allem den USA, wo ein Orkan die Hälfte des Landes in Schnee und Eis versinken ließ und die Stromversorgung für viele Tage unterbrach. Kein Absatzwetter für Elektroautos, auch nicht für Teslas mit eigenen Super-Chargern.
Die Wirtschaftspresse hat Ende Dezember 2022 Blut geleckt:
- Tesla muss Absatz anschieben berichtete die Automobilwoche (22.Dezember 2022) : Rabatte auf Model 3 und Model Y, kostenloses Laden am Supercharger – Tesla muss seinen Absatz anschieben und lockt mit Kaufanreizen beim Model 3 von 5000 Euro.
- „Elektroautos mit Rekord-Rabatt – Tesla fahren zum Opel-Preis“ betitelte die Wirtschaftswoche (30.Dezember 2022) einen Bericht über die Absatzbemühungen von Tesla in Deutschland in Form einer neuen Incentivestrategie und Kaufanreizen.
In Deutschland meldete das Kraftfahrtbundesamt bis Ende November knapp 52.500 Tesla-Neuzulassungen, im Jahresvergleich ein Plus von rund 60 Prozent. Dennoch ist Tesla von seinem im September von der Automobilwoche genannten Ziel, die Neuzulassungen in Deutschland im laufenden Jahr auf 80.000 Einheiten zu verdoppeln, noch weit entfernt. Die Automobilwoche hatte im September exklusiv über die das Ziel Teslas berichtet, 2022 in Deutschland auf 80.000 Einheiten Fahrzeuge zu verkaufen.
Um den Absatz zum Jahresende hoch zu halten, setzt Tesla verstärkt auf Incentives. Auf zahlreichen Märkten bietet Tesla vergünstigte Fahrzeuge und kostenloses Laden am Supercharger an. „Tesla hat beschlossen, eine kostenlose Supercharger-Gutschrift zu gewähren, die einer Fahrleistung von etwa 10.000 km entspricht, wenn Sie zwischen dem 15. Dezember und dem 31. Dezember 2022 ein Tesla-Fahrzeug in Empfang nehmen“, schreibt der Hersteller auf seiner deutschen Webseite.
Auf der Erlösseite zeigt sich dennoch, dass das Unternehmen Absatzprobleme hat. Denn Tesla bietet seine Autos auf der deutschen Webseite mit einem hohen Rabatt an. Beim Model Y liegt der Angebotsvorteil bei 3000 Euro, beim Model 3 sind es sogar bei 5000 Euro.
Deutschland und andere europäische Länder sind nicht die einzigen Märkte, auf denen der Autobauer mit Incentives wirbt. Auch in den USA und in China bietet Tesla rabattierte Fahrzeuge und kostenlosen Strom. Für die Tesla Modelle 3 und Y, die noch 2022 ausgeliefert werden, sollen in den USA Preisnachlässe von 7500 Dollar gegeben werden und in Kanada von 5000 Dollar.
Auch die WirtschaftsWoche berichtet ausführlich darüber, dass Tesla massiv unter Druck steht, weil die Autos der Konkurrenten immer besser werden, die staatlichen Kaufprämien für Elektroautos überall schrumpfen, und vor allem weil die Kapriolen von Firmenchef Elon Musk die Marke ramponieren.
Der Wind bläst Tesla und Elon Musk inzwischen ins Gesicht. Qualitätsmängel, Serviceprobleme und hohe Preise konnten Tesla lange Zeit nichts anhaben. Der technische Vorsprung der Kalifornier und der Glanz ihres visionären Anführers Elon Musk überstrahlten alle Schattenseiten. „Tesla fuhr im selbstkreierten Angebotsmarkt: Nicht der Hersteller buhlte um die Kunden, sondern umgekehrt. Im Frühjahr erhöhte Tesla die Preise für seine Fahrzeuge um mehrere tausend Euro, im Sommer folgte der nächste Preisaufschlag – und die Kunden schienen mitzuspielen.“ (WirtschaftsWoche)
Damit ist es nun vorbei. Tesla wird Anfang 2023 die Produktion in seinem chinesischen Werk drosseln, sie für mehrere Wochen offenbar sogar ganz einstellen. Tesla nannte dafür zwar keinen Grund, aber es liegt nahe, dass den Hersteller Nachfrageprobleme plagen. Erstmals zeigt sich jetzt die logische Konsequenz: Die Preise bröckeln.
Für Alt-Autopapst Fritz Indra ist das kein Wunder. Denn wie er dem Autor exklusiv verriet: „Was wohl noch viele E-Auto Produzenten nicht wissen oder wahrhaben wollen, ist die Tatsache, dass der Markt für E-Autos nicht beliebig groß ist. Maximale Marke dürfte auf Dauer 20 Prozent vom Gesamtmarkt sein“.
Das Center Automotive Research (CAR) stützt diese Auffassung. „Es gibt vermehrt Hinweise, dass Tesla von einem Produktionsengpass in einen Käufermangel laufen könnte“, heißt es in einer Marktanalyse für die WirtschaftsWoche. Einerseits kühle sich die Nachfrage ab, andererseits erhöhe Tesla ständig die Produktion in seinen neuen Fabriken in China, USA und Deutschland. So stehen die Chancen gut, 2023 einen Tesla mit kräftigen Preisnachlässen zu bekommen: „Tesla kann die angestrebten, hohen Wachstumsraten nur mit erheblichen Incentives und Rabatten erreichen“ (CAR-Direktor Dudenhöffer).
Was das für die Kunden konkret bedeutet, zeigt ein Preisvergleich bei führenden Auto-Abo-Anbietern. Kunden bekommen hier Fahrzeuge meist inklusive Wartung, Reparaturen, Reifenwechsel und Versicherungen – nur für das Laden oder Tanken müssen sie extra bezahlen. Teslas gab es in den Angeboten bislang nur selten und wenn, dann lagen die monatlichen Kosten häufig bei um die 1000 Euro. Nun aber gibt es als Beispiel laut WirtschaftsWoche ein Angebot am Markt, bei dem ein Tesla Model Y Long Range AWD nur 549 Euro kostet. Der ähnlich große, bei Technik und Ausstattung aber kaum ebenbürtige Opel Grandland X kostet bei einem anderen Abo- Wettbewerber nur 529 Euro pro Monat. Und: „Nicht nur günstig, sondern auch lieferbar.“
Hinzu kommt, dass auf allen großen Automobilabsatzmärkten das Angebot an kleineren und preisgünstigeren Elektromodellen auch 2023 weiter kräftig wächst, vor allem in China – für CAR Vorboten weiterer Preisnachlässe bei Tesla in 2023.
Denn der Hersteller gerät von mehreren Seiten unter Druck. Im Hauptabsatzmarkt China macht die bei E-Autos starke chinesische Autoindustrie Tesla – und anderen – zu schaffen. Auto-Fachleute halten inzwischen Hersteller BYD mit dem Spitzenmodell „Han“, Konkurrent NIO mit dem ET7 in Software-Funktionen, Qualität und Batterie-Performance Tesla überlegen Die Wachstumsraten der neuen Wettbewerber seien im Vergleich zu Tesla in China „fast schon raketenhaft“ ( Dudenhöffer). Tesla wie auch die deutschen Wettbewerber haben zwar 2022 Absatzsteigerungen in China verbuchen können, diese waren allerdings deutlich geringer.
In Deutschland dürfte 2023 Tesla das Abschmelzen der staatlichen Kaufprämie für E-Autos im kommenden Jahr heftig zusetzen, denn die Preisobergrenzen für die Förderung sinken. Das hat Folgen. Dank der hohen staatlichen Zuschüsse wurden Teslas oft in Deutschland verkauft und dann nach Ablauf einer Haltefrist von sechs Monaten ins Ausland exportiert. Die im Ausland erzielbaren Preise für die gebrauchten Teslas waren oft höher als die Neuwagenpreise in Deutschland nach Abzug der Prämie.
Durch Verlängerung der Haltedauer auf zwölf Monate sowie niedrigere Umweltprämien wird dieser – staatlich begünstigte – Absatzkanal jedoch unattraktiverer. „Damit entsteht weiterer Druck, das Pricing der Modelle an die Kundennachfrage anzupassen.“ (Dudenhöffer). Laut Analyse des CAR-Instituts wurden in den ersten neun Monaten des Jahres rund 3000 Tesla-Fahrzeuge als Gebrauchtwagen ins Ausland exportiert, nach Berechnungen von CAR knapp 10 Prozent aller deutschen Tesla-Verkäufe.
Alles in allem ist absehbar, dass Elon Musk in 2023 weniger Zeit zum „Zwitschern“, aber sehr viel mehr Zeit für Tesla aufbringen muss, will er wieder zum reichsten Mann auf Erden werden.