Tichys Einblick
TE-Interview 04-2023

Top-Manager Lauk: Trotz Milliarden-Investitionen steht Europas Chipindustrie vor dem Aus

Kurt Lauk war Vorstand in führenden deutschen Industrieunternehmen wie VEBA (heute Eon), leitete für DaimlerChrysler den Vorstandsbereich Nutzfahrzeuge. Er war Abgeordneter im Europaparlament und Präsident des CDU-nahen Wirtschaftsrats. Heute ist er Aufsichtsrat, Investor und Berater.

Kurt Lauk

IMAGO/Jens Schicke

Stuttgart. Den Poker um Milliarden-Subventionen für den Bau der Intel-Chipfabriken in Magdeburg und der Infineon-Fabrik in Dresden sieht der frühere CDU-Politiker und Top-Manager Kurt Lauk (Audi, Daimler, VEBA) kritisch. Vor allem Intel sind die angebotenen Förderung zu gering, auch vor dem Hintergrund stark gestiegener Energiepreise. Europa müsse sehr viel mehr in Forschung und Entwicklung von Hightech-Chips investieren, um nicht noch stärker hinter den USA und Asien ins Hintertreffen zu geraten, so Lauk im Gespräch mit dem Monatsmagazin Tichys Einblick. „Die EU will mit zu wenig Geld zu viel erreichen. Ein Beispiel: Samsung investiert bis 2030 nach eigenen Aussagen 100 Milliarden Dollar für Logikchips, weitere 100 Milliarden in Memory Chips. Die EU ist weit von diesen Zahlen weg, die Rede ist von rund 20 Milliarden Euro“, kritisiert Lauk, der von 2004 bis 2009 für die CDU im Europaparlament saß und von 2000 bis 2015 Präsident des CDU-Wirtschaftsrates war. Aktuell fordert Intel für den Bau von zwei Chipfabriken in Magdeburg 10 Milliarden Euro, die EU und der Bund haben 6,8 Milliarden angeboten. „Das wäre die Hälfte des Bedarfs, den die EU insgesamt für das Advanced-Silicon-Programm ausgeben möchte. Da sieht man, wie weit die Welten auseinander sind und wie wenig Brüssel eigentlich versteht, wie diese Industrie funktioniert. Das ist erbärmlich.“ Aktuell seien in Europa nur zehn neue Chipfabriken geplant, in den USA 14 und in Taiwan über 20.

Die EU drohe vor allem den Anschluss an die Entwicklung von Hochleistungs-Chips unter 20 Nanometer zu verpassen, die besonders für große Serverfarmen und im Cloudcomputing der Zukunft eingesetzt werden. „90 Prozent des Weltmarkts verwenden derzeit Chips in einer Größe zum Teil weit über zehn Nanometer. Da kann Europa mitspielen. Der Zukunftsmarkt wird aber, was die Server angeht, unter zehn Nanometer verlangen“, so Lauk. „Wenn man über Artificial Intelligence und Cloud- Computing nachdenkt, braucht man in Zukunft diese High-Performance-Chips von unter zehn Nanometern. Die sind deshalb wichtig, weil sie zwischen 80 und 90 Prozent weniger Energie verbrauchen als die herkömmlichen.“ Heute würden die weltweit 600 bis 700 Hyperscale-Datenzentren mit jeweils mindestens 400.000 Servern schon rund zehn Prozent der weltweit erzeugten Energie verbrauchen. Hier könnten die neuen Chips also enorme Mengen Energie einsparen. Allerdings seien hiesige Entwickler und Hersteller nicht in der Lage, solche Chips unter 10 Nanometern zu produzieren.

Gegen die Herstellung dieser Chips in Europa und insbesondere Deutschland sprechen zudem die hohen Energiekosten und mangelnde Energiesicherheit, so Lauk. „Nicht nur die Chips und Computer sind stromhungrige Geräte, sondern auch die Chipherstellung. Dazu braucht man ungeheure Energiemengen. Wie soll das eigentlich in Deutschland funktionieren, wenn der Strom durch Windräder erzeugt werden soll? Die Fabriken müssen durchlaufen, sieben Tage, 24 Stunden. Es ist das Geheimnis der Grünen, wie man das mit Solar- und Windenergie machen will.“


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