Tichys Einblick
Schuldturm Frankfurt Ostend

Target-Salden: Eine Million Euro Schulden pro Minute für Deutschland

Während Sie diesen Vorspann lesen, hat sich Italien bei Deutschland bereits um eine weitere Million Euro verschuldet. Spätere Generationen werden die Frage stellen, wie das Pyramidenschema des Target-2-Systems trotz aller Warnungen nicht als das erkannt wurde, was es in Wahrheit ist: ein Betrugsschema zur Aufrechterhaltung einer Geldillusion.

© DANIEL ROLAND/AFP/Getty Images

Von Alan Greenspan ist der Spruch überliefert: „A billion here, a billion there, soon you are talking real money“. Daran fühlt man sich erinnert, wenn man die üblicherweise am Monatsbeginn von der Bundesbank veröffentlichten neuen Target-2 Salden zu lesen bekommt.

Die Migrationskrise als Nebelwand

Die Migrationskrise und ihre politischen Folgen sorgen seit Monaten dafür, dass das Problem aus dem Bewusstsein der nicht multitaskingfähigen veröffentlichten Meinung verdrängt wird. Im EZB-Schuldenturm in Frankfurts Ostend dankt man es der Kanzlerin wahrscheinlich im Minutentakt, dass ihre bockige Haltung die Nebelwand vor dem Rififi am Vermögen des deutschen Bürgers aufrechterhält. Die politische Klasse in Berlin übt sich derweil im Glauben, dass die Realität sich ihrer Verweigerung sie anzuerkennen irgendwann anschließt. Das wird aber nicht passieren.

Target-2 reflektiert Ungleichgewichte und Vertrauensdefizite

Wie entsteht Target-2? Ganz einfach: Stellen Sie sich vor, ein fleißiger Italiener, Spanier, Franzose oder Grieche traut seinen Politikern nicht, die dafür notwendigen Dinge zu tun, dass sein Land auf Dauer innerhalb des Euro wirtschaftlich überleben kann. Dafür hat er triftige Gründe, wie wir wohl alle zustimmend zur Kenntnis nehmen werden. Er rechnet also damit, dass es früher oder später dazu kommt, dass das passiert, was alle Eurokraten für unmöglich erklären: Dass sein Land den Euro verlässt. Er will aber nicht, dass seine bisher dank des Stabilitätsankers Deutschland relativ stabilen Euro einkassiert und zwangsweise in neue Drachmen, Lira, Peseten oder Franc umgetauscht werden. Er weiß: Die Kaufkraft dieser neuen Währungen wird wohl nur noch halb so hoch sein. Er unterstellt dem Italo-Euro also ein Wechselkursrisiko und handelt konsequent: Er geht zu seiner Bank, hebt das Geld, dass er hat, ab und bringt es nach Deutschland. Man nennt das Kapitalflucht.

Die Bank hat das Geld aber nicht, sie leiht es sich bei der italienischen Zentralbank, die wiederum hat es auch nicht und leiht es sich bei der EZB. In Deutschland kauft er sich vielleicht eine Immobilie oder eröffnet ein Konto bei einer Sparkasse und so fließt das Geld ins deutsche Bankensystem, wo es mangels Kreditnachfrage zum Strafzins von-0,4% bei der Bundesbank angelegt wird. Die Bundesbank hat jetzt einen Überschuss. Das macht nichts, denn rein zufällig fragt das Zahlungsverkehrssystem Target-2 bei der EZB die Bundesbank gerade jetzt um einen Kredit an, um die Leihe an die Banca d`Italia zu finanzieren. So schließt sich der Kreis und das Target-2 Saldo hat sich um den Betrag der kleinen Kapitalflucht erhöht. Das Gleiche passiert bei einem Export von deutschen Autos nach Süden. Reduziert wird das Problem, wenn wir alle fleißig Olivenöl in Italien einkaufen und viel Salat damit anrichten.

Eine Billion Euro: 1.000.000.000.000,–

Schauen wir uns die Zahlen an: Die Bundesbank hat im Rahmen des Zahlungsverkehrssystems Target-2 per 30. Juni 2018 den Betrag von 976 Milliarden Euro an andere Zentralbanken des Eurosystems ausgeliehen. Dieser Überziehungskredit ist unbesichert, unlimitiert, unverzinst und unkontrollierbar, weil es weder eine rechtliche Handhabe gibt, ihn zurückzufordern, noch sein weiteres Anwachsen zu begrenzen. In den letzten 2 Monaten alleine ist er um über 70 Milliarden Euro angestiegen, also um 1,2 Milliarden Euro am Tag.

Das sind ungefähr 1 Million Euro pro Minute.

Es dauert also nur noch bis zum 20. Juli, dann haben wir die Billionengrenze geknackt. Wenn sie in vielleicht 10 Minuten diesen Artikel zu Ende gelesen haben werden, ist der Target-2 Saldo 10 Millionen Euro höher als gerade eben noch, als sie diese Seite angeklickt haben. In jeder Minute, die sie dann die Kommentare darunter lesen, können Sie den Ticker im Millionentakt weiterlaufen lassen.

Machen Drogen gleichgültig? Mir doch egal!

EZB und die Narkosemittelhändler vom DIW um Herrn Fratzscher wollen uns dabei erzählen, dass Target-2 gar kein Kredit sei, sondern nur ein Zahlungsverkehrssaldo. Das ist ungefähr so, als wenn sie Ihrer Bank erklären, dass die ihren Überziehungskredit auf unbegrenzt einstellen soll und auf Rückzahlung und Zinsen dafür bis zum jüngsten Gericht verzichten kann, weil es technisch gesehen ja nur ein Saldo sei, ohne wirtschaftlichen Belang. Ich bin sicher, Herr Fratzscher, Herr Draghi und andere, wie die Verantwortungsträger in der alten und neuen Bundesregierung von Merkel über Schäuble zu Scholz und Altmeier haben das noch nicht probiert. Sonst wüssten sie es nämlich besser.

Die Verträge offenbaren Überraschendes

Es steht nämlich in den Verträgen zur EZB-Gründung, dass ein Land im Falle seines Ausscheidens aus dem Euro diesen Saldo ausgleichen muss. Daran sind mehrere Dinge überraschend: Erstens, dass die Verträge entgegen dem dauernd wiederholten Mantra aus Brüssel, Frankfurt und Berlin die Möglichkeit eines Ausscheidens eben doch vorsehen. Es ist also möglich. Es muss wohl auch vertragskonform sein, sonst stünde es ja nicht da.

Zweitens, dass es sich offensichtlich doch um Schulden handelt, denn wenn es keine wären, müsste ja auch kein Ausgleich erfolgen. Nicht dass sich unser geldpolitisches Zentralkomitee nicht sowieso dauernd widerspricht, aber für die Nachwelt möchte ich diese spezielle ocntradictio in adjectu nur mal hier festgehalten haben.

Da insbesondere im Falle Italiens der größte Teil des Saldos nicht durch ein Handels- bzw. Leistungsbilanzdefizit entsteht, sondern eben durch Kapitalflucht, ist diese Zahl ein direktes Misstrauensvotum der italienischen Sparer in den Fortbestand des Euro, mindestens aber in die Mitgliedschaft ihres Landes in der kranken Währungsunion. Und genau an dieser Stelle lohnt es sich auch noch einmal nachzuhören: Denn die neue Italienische Regierung hat schon klargemacht, dass sie nicht beabsichtigt, diese Target-2-Schulden im Falle eines Austritts zurückzuzahlen. Sie steht nämlich auf dem Standpunkt, dass es sich ja gar nicht um Schulden handelt und wiederholt damit nur das Lügenmantra der EU- und deutschen Politiker und ihrer keynesianischen Claqueure, die zur allgemeinen Beruhigung diesen ökonomischen Unsinn verbreiten.

€mbH: Euro mit beschränkter Haftung

Dazu kommen zwei weitere Aspekte: Erstens hat die Banca d`Italia gar nicht genug Mittel, um diese Salden zurückzuerstatten, selbst wenn sie das wollte, und zweitens sind im Gegensatz zur Bundesbank in einigen unserer Partnerländer im Euro die Zentralbanken nicht als Behörden oder Verfassungsorgane (wie im Falle Deutschlands) verfasst, sondern sind als Aktiengesellschaften etabliert. Aktiengesellschaften haben, das weiß eigentlich jeder BWL-Student noch vor dem 1. Semester, eine Haftungsbeschränkung auf das eingezahlte Kapital.

Das gilt für die Zentralbanken Griechenlands, Italiens und Belgiens. Es wird interessant sein, wie es ausgeht, wenn ein italienisches Gericht darüber zu befinden hat, ob die daraus resultierende Haftungsbegrenzung gegenüber Deutschland gilt oder nicht gilt, denn die bisherige Rechtsprechung dazu ist bestenfalls unvollständig, schlimmstenfalls widersprüchlich. Im Schadensfalle darf man wohl davon ausgehen, dass das staatliche Interesse an einer Haftungsbegrenzung überwiegt.

Fairerweise können wir das unseren südlichen Nachbarn nicht mal zum Vorwurf machen. Denn es gehören immer zwei dazu, wenn einer den anderen hinter die Fichte führt. Einer, der das tut, und einer, der es trotz besseren Wissens mit sich machen lässt. Diese Exkulpation gilt ausdrücklich nicht für unsere politischen Verantwortungsträger, die jeder Aufklärung und besserem Wissen zum Trotz durch ihr Nichtstun den größten Vermögensschaden für die deutschen Bürger heraufbeschworen haben, den es seit 1945 gegeben haben wird. Dafür gibt es genau ein Wort: Untreue.

PS: Es sind jetzt wieder 10 Millionen mehr.

Die mobile Version verlassen