Tichys Einblick
Gute Schlagzeilen, schlechte Nachrichten

Statistisches Bundesamt: Online-Handel ersetzt immer mehr die Läden

Rekordumsatz im Handel; "Erwerbstätigkeit steigt weiter an." Zum Jahresbeginn bietet das Statistische Bundesamt gute Nachrichten. Zumindest in den Überschriften. Doch die eigentlichen Geschichten liegen verborgen in den Details.

IMAGO / Geisser

„Erwerbstätigkeit steigt weiter an“, klingt gut. Klingt nach: Wirtschaft brummt, Plan wird übererfüllt, und allen geht es gut. Unter dieser Überschrift berichtet das Statistische Bundesamt über den Stand der Erwerbstätigkeit im November 2021 und spricht von einer „rechnerisch guten Entwicklung“. Demnach waren in Deutschland im November 45,3 Millionen Menschen beschäftigt. Das sind 0,1 Prozent mehr als im Oktober 2021 und 0,8 Prozent mehr als im November 2020. Wobei nach dem Wohnort gezählt wird. Der bulgarische LKW-Fahrer, der in Deutschland lebt, wird also ebenfalls mitgezählt.

Das Bundesamt bewertet den Trend als „rechnerisch gut“. Seit dem Mai sei der Vergleich zwischen den jeweils gleichen Monaten 2021 im Vergleich zu 2020 immer positiv ausgefallen. So groß wie im November sei der Sprung dabei aber nie gewesen. Und 0,8 Prozent sei auch der größte monatliche Anstieg seit über zwei Jahren. Es folgt das Aber.

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Aber: Dieses Wachstum repariert nur den Einbruch, der mit der Pandemie kam. Und das nicht vollständig. Die Zahlen vom November liegen um 0,7 Prozent unter den Werten vom Februar 2020 – damals waren rund 300.000 Menschen mehr erwerbstätig. Und es gibt einen weiteren Effekt, der die Euphorie trübt: Auch die Kurzarbeiter fließen in die Statistik der Erwerbstätigkeit ein. Sie sagt somit nichts oder nur bedingt etwas über Bezahlung und Sicherheit der Arbeitsplätze aus.

Aus der Statistik geht auch hervor, dass sich Corona-Maßnahmen negativ unmittelbar bemerkbar machen. Das gilt erst recht für den Einzelhandel. Die Pressemitteilung zu diesem Thema hat das Statistische Bundesamt überschrieben mit: „Einzelhandelsumsatz 2021 real voraussichtlich 0,9 Prozent höher als 2020.“ Im Text schreibt das Amt sogar: „Der Einzelhandel in Deutschland hat im Jahr 2021 … einen neuen Rekordumsatz erwirtschaftet.“

Im Vergleich zum Oktober 2021 ist der Umsatz um 1,1 Prozent gestiegen – nominal. Real sind es 0,6 Prozent. In dieser Rechnung werden vor allem Preissteigerungen berücksichtigt. Dieser Unterschied, verursacht durch Preissteigerungen, fällt im Jahresvergleich deutlich größer aus: Demnach ist der Umsatz im Einzelhandel von November 2020 auf November 2021 um 0,2 Prozent gestiegen – nominal. Preisbereinigt ist der vermeintliche Rekord-Umsatz indes um 2,9 Prozent zurückgegangen. Als mögliche Gründe für diesen realen Rückgang sieht das Statistische Bundesamt Lieferengpässe und steigende Preise.

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Nimmt man aber nicht den November, sondern das ganze Jahr 2021, ist laut Statistischem Bundesamt der Umsatz tatsächlich gestiegen: nominal um 3,1 Prozent im Vergleich zu 2020. Real immer noch um 0,9 Prozent. Allerdings ist in der Rechnung das Ergebnis für den Dezember nur geschätzt, und in dem galten für den Handel unterschiedliche Regelungen wie: 3G, 2G, 2G-plus oder G gar nicht. Und selbst die 0,9 Prozent reales Wachstum retten die Innenstädte nicht vor Leerständen. Denn der Motor des Wachstums ist der Online-Handel. Seit Februar 2020 hat diese Branche laut Statistischem Bundesamt ein Wachstum von 30,3 Prozent erfahren. Wobei der größte Wachstumsschub mit dem Beginn der Pandemie eingesetzt hat. Von November 2020 zu November 2021 ist der Online-Handel nominal nur noch um 3,2 Prozent und real um 1,9 Prozent gewachsen.

Einige Branchen erlebten im vergangenen Jahr den zweiten Rückgang des Umsatzes in Folge. Das betrifft vor allem die Textilbranche – mit Schuhen und Lederwaren: Im November 2021 lag er um 6,2 Prozent unter dem Niveau vor der Pandemie. Auch der Umsatz im Bereich der Lebensmittel lag im November um 2,9 Prozent unter dem des Februars 2020. Real. Wobei das Amt in der Methodik darauf hinweist, dass die Pandemie zu starken Schwankungen führe, sodass selbst Langzeitvergleiche nur bedingt aussagekräftig seien. Wer nun gerne den Rekord feiern würde, sollte das folglich mit Bedacht tun.

Entsprechend schlecht ist die Stimmung unter den Unternehmern: Von November auf Dezember ist der „ifo“-Geschäftsklimaindex von 96,6 Punkte auf 94,7 Punkte gefallen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut ifo sieht als Gründe dafür die verschärfte Konjunkturlage, die Dienstleister und Einzelhändler besonders hart treffe. Laut dem Institut schauen die Unternehmer auch auf das angebrochene Halbjahr skeptisch.

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