Tichys Einblick
Grüner Stahl

Ende der Stahlindustrie, wie wir sie kennen? Staats-Stahl nimmt Fahrt auf

Riesige Verluste bei der Stahlkombüse von ThyssenKrupp, die die 2 Milliarden an Subventionen von Robert Habeck längst aufgefressen hat. Kommt eine „Deutsche Stahlindustrie“ als Rettungsanker für die Jobs der Gewerkschaftsfunktionäre?

IMAGO / Rupert Oberhäuser

Vorbei die schönen Tage, an denen Robert Habeck nach Salzgitter zum dortigen Stahlwerk fuhr und einen Scheck für den Umbau zu „grünem Stahl“ überreichte. Oder die Fotos mit dem 2-Milliarden-Euro-Scheck für ThyssenKrupp, und wenige Tage später ein ähnliches Versprechen für die Mitarbeiter der Hütten im Saarland.

Stahl droht unter der Ampel endgültig zum versiegenden Nebenarm der staatlichen Plan- und Subventionswirtschaft zu verkommen. Auf gefährliche Weise verquicken sich Gewerkschaftsinteressen und vermeintliche Klimapolitik unter der Überschrift „Grüner Stahl“. Doch aus „Grünem Stahl“ wird wohl nichts: Es ist nur ein Türöffner in die Staatskasse.

Ende für deutschen Stahl?

Die Größenordnungen: China stellt heute rund 30 mal so viel Stahl her wie Deutschland. Wer von Klima redet, sollte von China sprechen. Was immer in Deutschland geschieht – es ist längst unbedeutend für die globale Fragestellung.

Die Fehler: Stahl ist auch eine Folge von Fehlentscheidungen. Die letzen großen Stahlwerke sind beherrscht von der Montan-Mitbestimmung, die den Gewerkschaften größte Einflussmöglichkeiten gibt. Hier geht es um das Prestige der IGMetall, die nicht nur ideologisch am Gewerkschaftsbetrieb hängt – auch um gut bezahlte Jobs in Aufsichtsräten und Betriebsräten. Bei Saarstahl und ThyssenKrupp kämpft die IGMetall um ihre eigenen Jobs, nicht die der Beschäftigten. Die werden durch die Gewerkschaftspolitik vielmehr gefährdet. Denn: Deutsche Stahlwerke haben mit Rücksicht auf die IGMetall ihre Zukunft möglicherweise schon verspielt. Das zeigt der Fall ThyssenKrupp: Einst sollte das ein globaler Stahlkonzern werden, an sich keine schlechte Idee. Ein Riesenwerk in Alabama wurde gebaut, ein anderes in Brasilien. Was dabei übersehen wurde: Auch in der Privatwirtschaft können Projekte teurer werden als gedacht; bei der Hamburger Elbphilharminie wie beim Bau eines Hochofens.

So hat ThyssenKrupp in seinen Stahlwerken in Alabama und Brasilien rund 8 Milliarden versenkt, weil der Bau teurer wurde als geplant. Das südamerikanische Stahlwerk wurde im Notverkauf für rund 1,5 Millionen Euro an den Wettbewerber Ternium so gut wie verschenkt. TE wurde über den Fortgang informiert. Der Jahresgewinn aus dem Stahlwerk betrug nach der Investition von nur einer weiteren halben Milliarde Euro in die Infratstuktur bereits im ersten neuen Jahr rund 1 Milliarde Euro, wie TE von Personen erfuhr, die am Deal beteiligt waren. ThyssenKrupp fehlten schlicht diese letzten Millionen, um das Unternehmen zum goldenen Erfolg zu führen.

Aber: Wegen der Überbesetzung der Fabriken in Deutschland fehlten Cash-Flow und Finanzierung. Derzeit schätzen Fachleute, dass ThyssenKrupp in Duisburg die 25.000 Mitarbeiter zählende Belegschaft locker halbieren könnte, um rentabel zu sein. Aber genau das – die Anpassung an neuer Arbeitsmethoden und Effizienz – verhindern die im Aufsichtsrat tonangebenden Gewerkschafter. „Wer sein Stahlwerk liebt, hält es aber effizient“, sagt ein prominenter Insider zu TE. IG-Metall und die von ihnen mitbestimmten Vorstände aber scheuen den unvermeidlichen Konflikt, der das Überleben garantieren würde.

Die Stunde der Wahrheit kommt

Dem tschechischen Selfmade-Milliardär Daniel Kretinsky könnte bald die Hälfte des Stahlgeschäfts von ThyssenKrupp gehören; er steigt seit April trotz wütender Gewerkschaftsprozesse schrittweise ein. Und jetzt brennt die Hütte. Mit dem neuen Eigner entfällt für die Stahlsparte die bisherige Garantie der Schuldenübernahme durch den eigentlichen ThyssenKrupp-Konzern. Kretinsky ist nicht für besondere Sensibilität in Geschäftsdingen bekannt geworden – sondern als brillanter Dealmaker. Seine Devise für den Stahlkonzern dürfte lauten: Belegschaft halbieren oder krepieren.

Jetzt wird viel von „Grünem Stahl“ geredet. 2 Milliarden hat Robert Habeck dafür bereits überwiesen. Aber der Bau in Duisburg wird wie von Experten erwartet viel teurer. Schon ist die Rede von einer weiteren Milliarde aus der Staatskasse, die benötigt werde. Vor allen Dingen aber: der Weg kann nicht erfolgreich sein. Denn bislang steht bei ThyssenKrupp am Anfang der integrierten Werke der Hochofen – dort wird mit Koks als Energiequelle Eisenerz zu Stahlschwamm umgewandelt. Grünen Stahl gibts aber nur im Elektrostahlwerk, das zum großen Teil Stahlschrott verarbeitet – eine ganz andere Produktionstechnik. Kann man machen. Allerdings werden dazu ungeheure Strommengen notwendig, die es in Deutschland im Zuge der Energiewende nicht gibt. Auch der Rohstoff Stahlschrott ist nicht verfügbar – weltweit rechnen Experten mit einer „Stahlschrott-Lücke“ von bis zu 6 Millionen Tonnen jährlich. Das Verfahren „Lichtbogenofen“, ursprünglich in Frankreich entwickelt, ist in Deutschland gut beheimatet. Großtechnisch wurde es in den „Reichswerken Hermann Göring“ unter anderem in Linz/ Österreich und Salzgitter für Hitlers Waffenproduktion von Siemens weiterentwickelt. Der geniale Unternehmer Willy Korff baute in den 60er Jahren in Baden-Baden und Bremen Mini-Stahlwerke mit diesem Verfahren – bis die auf ihre Hochöfen fixierten Ruhrbarone den Newcomer ausschalten konnten. Viele ihrer Hochöfen haben heute das Ende ihres Lebenszyklus erreicht, der Umstellungszeitpunkt ist günstig – aber extrem teuer.

Heute ist der US-Konzern Nucor mit dieser Technologie der führende Stahlhersteller, was Preise, Sicherheit und Qualität betrifft – und ThyssenKrupp zu spät dran, zu klein, zu schlecht finanziert, zu gewerkschaftsblockiert. Nun gibt es auch in Deutschland einige Elektro-Stahlwerke. Doch diese leiden unter den hohen Strompreisen im Zuge der Energiewende. Sie sind auch nicht von den Ausnahmen für energieintensive Branchen begünstigt – beim Stahl entfällt wegen der langen Rüst-, Umbau- und Wartungszeiten die gesetzlich vorgeschriebene Mindestlaufzeit. Planwirtschaft fordert eben immer ungeahnte Opfer. Also wird neben direkter Subventionierung eine „Stromsubventionierung“ gefordert, die neue Milliarden von sonstigen Stromkunden oder Steuerzahlern erfordern würde. Die Energiewende wird unbezahlbar und führt zur Deindustrialiserung des Landes. Grüner Stahl kommt dann aus Indien. Dort plant der Gigant Tata-Steel ein Werk – mit Billigstrom aus einem eigens dafür errichteten Kernkraftwerk. Dagegen hat der Standort Duisburg mit seinem Windradstrom genau die Chance Null.

Die grüne Transformation fällt ins Wasser

Die grüne Transformation des Stahls ist damit trotz aller Subventionen fraglich. Das hat BDI-Chef Siegfried Russwurm in seiner Rolle als Aufsichtsratschef der Thyssenkrupp AG erklärt. Russwurm warnte davor, dass der Umbau in Duisburg möglicherweise viel teurer werde als geplant. Zwischen den Zeilen steht da zu lesen: Wenn Habeck grünen Stahl will, kann er ihn haben. Wenn er bezahlt. Ähnliches gilt für die halbstaatlichen Saarstahl und die zu 26,5 Prozent im Besitz des Landes Niedersachsen befindlich Salzgitter AG. Beide Konzerne können ohne Staatshilfe längst nicht mehr existieren. Montanmitbestimmung geht immer zu Lasten des Steuerzahlers, weil geschützte Betriebsstätten für Funktionäre unterhalten werden. Bei ThyssenKrupp schreiben allein rund 50 Mitarbeiter in der Pressestelle die eine oder andere Zeile – 49 davon sind überflüssig. Dillinger und Völklinger Hütte sind nicht mehr wettbewerbsfähig, während auf der anderen Seite von Saar und Rhein französische Werke wieder rentabel werden – die haben ja billigen Atomstrom.

Grüner Stahl wird damit zum Synonym für „Staatsknete“. Die soll auch durch einen von der EU erdachten CO2-Grenzausgleichmechanismus vor der billigeren Konkurrenz geschützt werden. Das Abkürzungsmonster  CBAM steht für Carbon Border Adjustment Mechanismus. Die Idee: „Grüner Stahl“, zwei- bis dreimal so teuer wie auf dem Weltmarkt sonst angeboten, wird aus der Staatskasse so weit subventioniert, bis er auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig ist. Gleichzeitig sollen preiswertere Stahlimporte durch Zölle so verteuert werden, dass sie im Inland keine Chance haben. Die Folgen wären katastrophal. Mit viel Bürokratie schottet sich die EU vom Weltmarkt ab, um innerhalb der EU ein künstlich überhöhtes Preisniveau durchzusetzen, was alle Folgeprodukte wie PKWs oder Maschinen verteuern würde – die wiederum durch den CBAM geschützt werden müssten. Eine monströse Bürokratie der Bewertung, Berechnung, Bezahlung und das auf Basis einer globaler Wettbewerbsanalyse würde entstehen. Planwirtschaft im globalen Maßstab – kaum durchsetzbar, und ein Anschlag auf Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand.

Es wäre zudem das Ende des freien Welthandels, von dem bislang Deutschland wie kaum ein zweites Land profitiert hat. Kaum denkbar, dass die USA, China und Indien dabei mitmachen.

Nur eines wäre in einer Deutschen Stahl AG gesichert: Die heilige Montanmitbestimmung und die vielen Pöstchen und Posten für Gewerkschafter. Allerdings um einen Preis, der Deutschland weiter in den Ruin treiben könnte.

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