Einer der umfangreichsten Produktionsprozesse geht in diesen Tagen seinem Ende entgegen: die Ernte. Zehntausende Landwirte brachten in Deutschland die Ernte ein. In Tag- und Nachtschichten fuhren Hightech-Mähdrescher über die Äcker, mähten das Getreide, droschen im selben Arbeitsgang die Körner aus den Ähren und legten das Stroh auf dem Boden ab. Teilweise während des Fahrens über den Acker entluden die gigantischen Ungetüme die Körner aus ihren Tanks in Anhänger, Traktoren fuhren sie in Getreidelager, während andere mit Ballenpressen das Stroh aufnahmen und in handliche Strohballen zusammenpressten und gut verpackt auswarfen.
Ein immenser Aufwand, vor allem, da die vielen Arbeiten wie Dreschen, Pressen, Schwaden, nahezu gleichzeitig ablaufen. Es sind viele Lohn- und Fuhrunternehmer mit ihren teilweise sündhaft teuren Maschinen beteiligt.
Langsam zeichnen sich die Ergebnisse ab: Die Getreideernte wird in diesem Jahr voraussichtlich deutlich schlechter ausfallen als in den vergangenen Jahren. Es war hierzulande lange zu feucht, sodass die Äcker nicht befahren werden konnten.
In diesem Jahr hatten die Landwirte mit vielen Unbilden der Witterung zu kämpfen. Im Westen sind viele Flächen zu nass, im Osten Deutschlands waren sie zu trocken. Erst spät im Frühjahr konnten sie mit ihren Maschinen auf die nassen Felder.
In Nordrhein-Westfalen zerstörten die Unwetter Mitte Juli auf rund 15.000 ha Flächen die komplette Ernte. Das feuchte und schwülwarme Wetter lässt Pilze und Bakterien gedeihen, die die Pflanzen schädigen. Auch schien die Sonne eher weniger, sodass die Pflanzen weniger Stärke ausbilden konnten. Bei vielen Bauern lie-gen daher die Nerven blank, meldet das Fachblatt agrarheute. Schwierig, da den richtigen Zeitpunkt für die Ernte zu bestimmen.
Die Qualität des Brotgetreides ist nach Angaben des Mühlenverbandes sehr unterschiedlich. Im Mai und Juni setzten hohe Regenmengen dem Getreide zu, feuchte Böden trugen zu Krankheiten am Fuß des Getreides bei, der sogenannren »Schwarzbeinigkeit«. Auch hat der Regen gegen Ende der Reifeperiode an vielen Standorten dafür gesorgt, dass Getreide vielfach von Pilzen befallen wurde.
Der Anteil an sogenannten Schmachtkörnern ist hoch, das sind jene Körner, die sich nicht mehr richtig ausbilden konnten, weil die Sonne fehlte. Das bedeutet, dass die Mühlen vielfach mehr Getreide mahlen müssen, um dieselbe Menge Mehl herzustellen. Das treibt ebenfalls die Preise nach oben.
Vor allem die drastisch gestiegenen Energiekosten treiben nach Auskunft von Fachleuten kräftig die Preise nach oben. Diesel und Strom sind in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern zu hoch. Ein voller Tank Diesel bei einem modernen Traktor kostet heute 300 Euro gegenüber 200 Euro noch vor Jahresfrist. Damit kann der Landwirt etwa einen Tag seinen Acker bearbeiten.
So schlecht sieht es vielfach für die Biobauern aus. Auf diesem Feld beispielsweise wurde Biosommergerste angebaut. Es ist vollkommen mit Unkraut überwuchert. Eine Ernte ist hier nicht mehr möglich, und der Biobauer erleidet einen Totalverlust.
Auch im sogenannten »Bioanbau« förderte die Nässe Pilzkrankheiten und das rasante Wachstum von Unkraut. Doch Biobauern dürfen weder Pilzbekämpfungsmittel noch Herbizide einsetzen und können der Unkrautplage kaum mehr Herr werden. Der Unkrautdruck ist so hoch, dass sich bei ihnen die Ernte vielfach nicht mehr lohnt. Sie bleibt vielfach auf den Feldern. Von großen Problemen wird im Kartoffel- und Weinanbau aufgrund von Pilzkrankheiten berichtet. Die gut verdienenden Städter werden die steigenden Preise in den Bioläden verkraften können.
Für viele wichtige Anbauländer sind jetzt die ursprünglich besseren Ernteprognosen gesenkt worden wie etwa für Frankreich. Russland dürfte deutlich weniger Weizen ernten als erwartet. Der Winter hat offensichtlich Schäden in den Beständen angerichtet; zusätzlich dürfte es aufgrund mangelnder Organisation der Landwirtschaft in vielen Fällen nicht gelungen sein, die Ernte einzubringen.
Auf den Weltmärkten schockt derzeit Kanada. Das Land steht vor einer katastrophalen Missernte, die Farmer erwarten die schlechteste Getreideernte seit 14 Jahren, denn die extreme Hitzewelle in Nordamerika hat Kanada und den Nordwesten der USA ließ die Böden ausdörren.
Ein Drittel weniger Weizen aus Kanada hat Auswirkungen auf den Weltmärkten verfügbaren Weizenmengen. In China haben schwere Überschwemmungen in Chinas Kornkammer, der Provinz Henan, zu erheblichen Schäden geführt und auf einer Fläche von fast einer Million Hektar Pflanzen geschädigt und teilweise komplett zerstört. Die Welternährungsorganisation FAO erwartet für Weizen um 8,8 Prozent steigende Preise.
In Deutschland beginnt sich die neue Düngeverordnung auszuwirken. Nach der müssen Betriebe, die in sogenannten »roten Gebieten« liegen, ihre Düngemengen vermindern. Das bedeutet, dass die Pflanzen unterernährt werden und nicht mehr gut wachsen. Vor allem der Anbau von qualitativ hochwertigem Brotweizen geht nicht mehr.
»Betriebe mit roten Flächen haben durch die Kürzung der Düngung um 20 Prozent des Düngebedarfs gravierende Einschränkungen in der Düngung, dadurch wird sich der Ackerbau verändern, so ist der Anbau von Qualitätsweizen kaum mehr möglich«, so schätzt Stefan Sedlmayer, Präsident der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, die Lage ein.
Der verheerende Effekt wird sich in den kommenden Jahren verstärken. Der Ertrag der wichtigsten Getreidearten in Deutschland wird sinken. Der Landwirt kann in den sogenannten roten Gebieten nicht mehr nach dem düngen, was auf dem jeweiligen Acker notwendig wäre. Jetzt gibt die Behörde vor, was er machen darf, nicht was notwendig ist.
Tendenz ist klar: 1 bis 1,5 Tonnen weniger pro Hektar in bestimmten Situationen. Folge: eine Verschlechterung der Kulturbö-den in Deutschland. In den kommenden Jahren wird sich dieser Trend verstärken.
Deutschland eifert dem dänischen Beispiel nach: Dort wurden die Düngemengen aus vorgeschobenen Umweltschutzgründen reduziert. Dänemark war kaum mehr in der Lage, seinen Brotweizen selbst zu produzieren, sondern musste ihn importieren. Erst 2016 wurde dieses Experiment beendet, doch es wird noch mehrere Generationen dauern, bis sich die ausgelaugten Böden wieder erholt haben werden und einigermaßen brauchbare Ernten möglich sind.
Dieselbe Tragödie erwarten hierzulande Landwirte. Auf die Weizenmärkte wird sich das deutsche Experiment insofern auswirken, als dass die nicht mehr produzierten Mengen von den bereits unter Druck stehenden Weltmärkten importiert werden müssen. Weitere Folgen: höhere Knappheit an Nahrungsmitteln und damit Hunger in ärmeren Ländern, die sich keine teuren Importe leisten können.
So fehlt in den »Roten Gebieten« ab jetzt die Herbstdüngung bei Zwischenfrüchten wie Ölrettich, Raps und Senf. Die hat der Landwirt im Herbst nach der Ernte ausgesät, um stickstoffbindende Pflanzen auf dem Acker zu haben, die später untergepflügt wurden, ein gewollter Effekt. Doch die muss der Landwirt andüngen, damit die Pflanzen Wurzeln bilden können. Wenn er nicht düngt, kann er sich die Zwischenfrucht ersparen.
Auf einen weiteren Effekt machen Landwirte in Gesprächen mit TE aufmerksam, wenn die Schweinehaltung zurückgeht und weniger Weizen als Futtergetreide benötigt wird. Denn die überschüssigen Mengen an Getreide, die nicht als Brotweizen verkauft werden können, dienen als Futtergetreide und bringen dem Bauern ebenfalls Geld. Wenn das überschüssige oder qualitativ schlechte Brotgetreide nicht mehr vermarktet werden kann, müssten die Preise für Brotgetreide steigen. Allerdings ist der Getreidepreis ein Weltmarktpreis. Deutschland würde auch hier seine Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Die Abwärtsspirale setzt sich fort. So sorgt also die Verfütterung an Tiere dafür, dass Brot und Nudeln günstig sind.
Volle Brotkörbe und gefüllte Getreidespeicher fallen nicht vom Himmel, sondern müssen hart erarbeitet werden. Witterungsunbilden, Schädlinge und Pilz, Bakterien und Virenerreger setzen den Pflanzen zu, auf dem Acker herrscht ein Verdrängungswettbewerb der Nutzpflanzen und Unkräuter um den besten Lichtanteil. Nur mit hohem fachlichen Können gelingt es Landwirten in Deutschland bisher, so effektiv zu produzieren. Konnte ein Bauer um 1900 noch etwa drei Menschen ernähren, so kann er heute für rund 150 Menschen Lebensmittel produzieren.
In Deutschland setzt die Politik alles daran, eine hochentwickelte Landwirtschaft und von vielen Generationen mühsam aufgebauten Kulturboden zu ruinieren.