Tichys Einblick
Absatzwirtschaft à la Corona

Schutzmasken statt Autositze: Firmen passen sich an die Pandemie an

Trigema näht jetzt Atemschutzmasken und LVMH braut Desinfektionsmittel statt Parfüm. Selbst Autokonzerne wie Fiat und VW reihen sich in den neuen Absatzmarkt ein. Und Tesla-Chef Musk glänzt als Imagepfleger. 

Schutzmaskenproduktion bei CIFRA in Verona

Emanuele Cremaschi/Getty Images

Trigema-Chef Wolfgang Grupp ging gewohnt öffentlichkeitswirksam voran. Es seien bereits die ersten 10.000 Mundschutz-Masken hergestellt worden. 70.000 Stück will der T-Shirt-Produzent in dieser Woche herstellen und in der nächsten 100.000 Stück. Es soll auch gleich ein „wiederverwendbarer Mundschutz“ sein. Man könne sie waschen und kochen, daher seien sie dauerhaft günstiger als Wegwerfmasken. Jedoch seien die Masken nicht für intensivmedizinische Bereiche geeignet, da sie die Schutzklassen FFP2 oder FFP3 nicht erfüllten. Man könne, so heißt es auf der Website „aufgrund der hohen Nachfrage erst nach Ostern einen Liefertermin mitteilen. Medizinische sowie Pflege-Einrichtungen werden vorrangig beliefert.“

Eine auf medizinische Schutzausrüstung spezialisierte Firma aus Rastatt in Baden-Württemberg kritisiert das deutlich. „Was bringt dieses Stück Stoff gegen den Virus? Nichts“, sagt Ming Gutsche, Geschäftsführerin von Dach. „Das ist in etwa so, wie wenn Sie eine Kapuze als Fahrradhelm verkaufen.“  Offenbar bietet Trigema über seinen Online-Shop die angeblichen „Schutztücher“ auch Privatpersonen an – im Zehnerpack für 120 Euro.

Auch der Hemden- und Blusenhersteller Eterna beginnt mit der Produktion von Gesichtsmasken. Offenbar lässt sie die Firma in einem slowakischen Werk nähen. Auftraggeber ist die slowakische Regierung. In Berlin reiht sich der Brautmodenhersteller Bianco Evento in die neue Corona-Absatzwirtschaft ein.  Pro Woche sollen rund 35.000 Masken und 5.000 Kittel geliefert werden. An wen auch immer. Vermutlich ist die Schutzqualität ähnlich wie die der Trigema-Schutztücher. Die Nachfrage dürfte trotzdem groß sein.

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Bekanntlich sind auch Desinfektionsmittel knapp. Alkoholhersteller wollen daher einspringen. Jägermeister liefert 50.000 Liter Alkohol an eine Klinik in Braunschweig. Das frühere „Klosterfrau Melissengeist“ – heute „Klosterfrau Healthcare“ – möchte 100.000 Liter Desinfektionsmittel an Armin Laschets nordrhein-westfälische Landesregierung spenden, wie der Ministerpräsident am Mittwoch in der Sondersitzung des Landtags mitteilte. 

In Frankreich stellt ausgerechnet der Luxusgüterkonzern LVMH die Produktion um im von Staatspräsident Emmanuel Macron erklärten „Krieg“ gegen das Virus.  Vorstandschef Bernard Arnault lässt die Kosmetiksparte seines LVMH-Konzerns ab Montag nun statt Parfüm Handdesinfektionsmittel produzieren. 

Auch die Autozulieferer-Industrie ist dabei. Zettl Automotive produziert im Auftrag der bayerischen Landesregierung Atemschutzmasken. Eigentlich näht die Firma Sitzbezüge unter anderem für BMW – aber bei denen stehen die Bänder ja ohnehin still. Für die Masken wird Zettl von dem Vlies-Hersteller Sandler mit Material für eine Million Schutzmasken beliefert. Das hört sich schon professioneller an als der Berliner Brautmoden-Näher. Der Wolfsburger Zulieferer Prevent aus dem Firmenimperium des Bosniers Nijaz Hastor, der sonst vor allem VW mit Sitzbezügen beliefert, hat angekündigt, für die Bundesregierung und Nordrhein-Westfalen Lieferungen für Schutzbekleidung auf den Weg zu bringen. 

Öffentlichkeitswirksam stellt sich auch die Autoindustrie selbst auf. Fiat Chrysler Automobiles (FCA) will ebenfalls Atemschutzmasken produzieren und plant, dafür eine seiner Fabriken umzustellen. Fiat beabsichtigt, die Masken anschließend an medizinisches Personal zu spenden. Man will hoffen, dass nicht nur „Schutztücher“ daraus. Oder wiederverwendbare. 

Und in Deutschland? Noch-Audi-Chef Bram Schot erklärte, man prüfe gemeinsam mit dem Mutterkonzern Volkswagen Möglichkeiten, „wo wir uns einbringen können“. Die Mitarbeiter hätten „gerade viele Gedanken und viele wertvolle Ideen“. Diese würden koordiniert und geprüft. Auch der Autolobbyverband VDA glaubt an die Innovationskraft und plant eine Ideenbörse, um branchenweit Kapazitäten zu bündeln, berichtet die Süddeutsche Zeitung. 

Der Volkswagen-Konzern, der rund 80.000 Beschäftigte in Deutschland in Kurzarbeit schickte, will seine Produktion ebenfalls umstellen. Beabsichtigt ist, Hersteller von Medizintechnik, etwa Beatmungsgeräten, mit dem Bau und der Zulieferung eigener Teile zu unterstützen. Dabei geht es offenbar um Komponenten, die sich mit 3D-Druckern aus der Kunststoffteile- oder Prototypenfertigung herstellen ließen. 

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Die Firma Dräger, ansässig in Lübeck, und spezialisiert auf Medizintechnik wie Beatmungsgeräte, sieht das eher kritisch. Die Komplexität sei hoch, wie die Süddeutsche die Firma Dräger zitiert, es handle sich zudem bei den meisten Materialien um speziell entwickeltes Design und nicht um Standardteile. Zudem unterscheide sich die Kerntechnologie doch „elementar“ von dem Herstellungsbetrieb der Automobilhersteller. Zusätzliche Produktionslinien – also in den Werken der Autohersteller – seien außerdem nur sinnvoll, wenn auch die Zulieferindustrie verdoppelt würde. Und das sei schon deshalb kurzfristig unmöglich, weil die regulatorischen Vorgaben das nicht hergäben. 

Tesla-Chef Elon Musk bekundete noch Anfang März: „Die Coronavirus-Panik ist dumm“. Nun gibt er sich als Retter der Stunde. 1.255 Beatmungsgeräte hat er in China gekauft, sie nach Los Angeles fliegen lassen und bietet sie nun Kliniken an. „Wenn Sie ein kostenloses Beatmungsgerät installiert bekommen möchten, lassen Sie es mich wissen“, twitterte Musk. Außerdem hat er bereits 250.000 Atemschutzmasken aus seinen Fabriken an Krankenhäuser gespendet. 

Ähnlich wie GM-Chefin Mary Barra und Ford-Chef Jim Hackett bietet nun auch Elon Musk an, als Beatmungsgeräte-Hersteller einzusteigen: „Sie sind nicht schwierig, aber sie können nicht sofort produziert werden“, erklärt Musk auf Twitter und fragt schon mal vorab, welche Kliniken die Geräte am dringendsten brauchen. Zumindest in Sachen Image-Pflege macht der unternehmerische Wettbewerb auch in der Coronakrise keine Pause. 

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