Tichys Einblick
Ohne Habeck und BDI-Chef

Scholz in China: Wirtschaftsdiplomatie oder Kontrollverlust?

Mehrere CEOs werden Scholz auf seiner Reise nach China begleiten. Der Kanzler ist in heikler Mission. Einerseits möchte er den Einfluss Chinas begrenzen, anderseits kann er es sich nicht leisten, es sich noch mehr mit deutschen Unternehmen zu verscherzen. Den Wirtschaftsminister scheint das alles wenig zu interessieren; er ist nicht dabei, dafür drei andere Minister. Von Samuel Faber

Bundeskanzler Olaf Scholz, Berlin, 27.03.2024

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Mit drei Kollegen wird Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Mitte des Monats ins Reich der Mitte reisen. Neben Volker Wissing (FDP), zuständig für Verkehr und Infrastruktur, dürfen Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und ihr Parteikollege und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir den Besuch in China antreten. Die Konstellation ist auf mindestens zwei Ebenen ungewöhnlich.

Einerseits ist es selten, dass der Kanzler bei solchen Veranstaltungen von mehreren Bundesministern begleitet wird. Andererseits verzichtet Scholz auf einen Minister aus seiner eigenen Partei sowie auf Wirtschaftsminister Robert Habeck. Letzteres ist wenigstens eine nachvollziehbare Entscheidung.

Wie relevant das fernöstliche Land für die Bundesrepublik ist, zeigen die Zahlen. Im vergangenen Jahr stiegen die deutschen Direktinvestitionen nach China auf 11,9 Milliarden Euro – Rekord. Daher ist es wenig überraschend, dass Spitzenvertreter der deutschen Wirtschaft Scholz und seine Minister bei seinem Besuch begleiten.

BMW dabei, Mercedes und Thyssenkrupp

Da ist zum einen Roland Busch, der den Weltkonzern Siemens vertritt. Der Vorstandsvorsitzende des Münchner Unternehmens ist auch Chef des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft. Busch hat ein vitales Interesse daran, dass die Beziehungen mit China stabil bleiben und sich ausweiten. Zusammen mit Australien verdient Siemens rund 18,5 Milliarden Euro in asiatischen Ländern, mehr als in Deutschland (12,7 Milliarden Euro Umsatz jeweils im Jahr 2023).

Auch der CEO von Mercedes-Benz, Ola Källenius, bestätigte seine Teilnahme an der Reise. Das schwäbische Unternehmen setzt ebenfalls auf Kooperation statt auf Konfrontation. Die Frage ist, zu welchem Preis. Die beiden Hauptaktionäre des Automobilkonzerns sind die chinesische Beijing Automotive Group Co Ltd und der Geely-Vorsitzende Li Shufu, ebenfalls ein Chinese.

BMW-Chef Oliver Zipse wird ebenfalls mit Scholz nach China reisen. Das gilt auch für Miguel Lopez, den Chef des deutschen Industriekonzerns Thyssenkrupp, wie der Mischkonzern bestätigte. Weitere Unternehmen dürften in den nächsten Tagen dazukommen.

China ist an deutschen Unternehmen im Land interessiert

Der Besuch dürfte für Olaf Scholz zu einem Balanceakt werden. Einerseits entwarf Berlin bereits im letzten Sommer eine China-Strategie, die auf ein „De-Risking“ drängt, um das wirtschaftliche Engagement in dem asiatischen Machtzentrum zu reduzieren. Hier soll der Einfluss der Chinesen auf den deutschen Markt kleiner gehalten werden.

Auf der anderen Seite begleiten die CEOs großer deutscher Konzerne die Bundesregierung, deren Geschäft im eigenen Land keine entscheidende Rolle mehr spielt und die die Firmenpolitik beeinflussen könnte. Der deutsche Markt ist für die meisten großen deutschen Konzerne nicht mehr ausschlaggebend, was den anteiligen Umsatz der überwiegenden Zahl der DAX40 angeht. Man kann es in dem einfachen Satz zusammenfassen: Deutschland wird für deutsche Großkonzerne immer unwichtiger.

Für China sind die Direktinvestitionen deutscher Unternehmen, gerade im Automobilbereich, gern gesehen. Das hat einen simplen Grund: Deutsche in China gekaufte Autos werden zu mehr als 90 Prozent vor Ort produziert. Würde die chinesische Führung etwas gegen Mercedes-Benz oder BMW unternehmen, würden sie sich selbst schaden, da zehntausende Arbeitsplätze gefährdet wären.

Das heißt im Umkehrschluss auch, dass an dieser Autoproduktion kaum deutsche Arbeitsplätze hängen. Gleichzeitig bleibt das Geld häufig im Land. „China macht es Unternehmen nicht leicht, Gewinne nach Deutschland zurückzuführen“, so Gregor Sebastian gegenüber Capital. Er ist Senior Analyst bei der Rhodium Group mit dem Schwerpunkt Fernost. „Wir sehen deshalb hohe Reinvestitionen in China, die Gewinne der Konzerne bleiben also zum großen Teil dort,“ so Sebastian weiter.

Wirtschaftsminister Habeck scheint beschäftigt zu sein

Fakt bleibt: Auch wenn die Bestrebungen einer staatlich gesteuerten, globalen deutschen Wirtschaftspolitik spätestens seit Peter Altmaier im vollen Gange sind, wird sie nie den Grad der Kontrolle erreichen, den China ausübt. Dort gibt es de facto keinen relevanten Betrieb, der nicht vom Zentralkomitee direkt oder über staatliche Gewerkschaften indirekt gesteuert wird.

Ferner bleibt zu überlegen, inwiefern ein deutscher Protektionismus der Gesellschaft langfristig dient. Denn die Erfahrung hat gezeigt, dass ein staatlicher und vor allem vermeintlicher Schutz heimischer Unternehmen tendenziell zu weniger Innovationskraft und zu höheren Preisen für den Verbraucher geführt hat. Hier muss sich die Ampel entscheiden.

Wer bei der China-Reise jedoch nicht dabei ist, ist der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm. Was wundert, hat er doch Bundeskanzler Olaf Scholz und dessen Umgang mit der wirtschaftlichen Situation in Deutschland scharf kritisiert. „Es waren zwei verlorene Jahre – auch wenn manche Weichen schon in der Zeit davor falsch gestellt wurden“, sagte er der Süddeutschen Zeitung mit Blick auf seine bisherige Regierungsleistung. Doch Kritik scheint im Kanzleramt nicht erwünscht zu sein.

Vielleicht ist Wirtschaftsminister Habeck auch einfach nur zu beschäftigt, um im April nach China zu reisen. Denn sein Roman „Hauke Haiens Tod“ hat die literarische Vorlage für den ARD-Spielfilm „Die Flut – Tod am Deich“ geliefert, der am 27. April um 20:15 Uhr ausgestrahlt wird, berichtete Bild. Bis dahin hat sich die Bundesregierung wohl auch schon auf Tiktok eingelebt. Denn Olaf Scholz kündigt an, dass die Ampelkoalition in Zukunft auch Bewegtbilder für das chinesische soziale Medium liefern wird. So setzt man Prioritäten. Ob diese so würdevoll werden wie die Videos von der Bundestagsabgeordneten Emilia Fester, wird sich zeigen.

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