Tichys Einblick
Einfacher Schulden machen

Privatpersonen gehen deutlich häufiger in die Insolvenz

Die Zahl der Privatinsolvenzen ist übers Jahr dramatisch gestiegen. Das Statistische Bundesamt macht eine Gesetzesänderung dafür verantwortlich. Diese lässt die private Insolvenz für hoch verschuldete Menschen attraktiver erscheinen.

IMAGO / CHROMORANGE

222,1 Prozent. Das ist nicht das Wahlergebnis der Linken nach der Auszählung eines Berliner Wahlkreises. Aber diese Zahl rüttelt ähnlich stark am Fundament des Zusammenlebens in Deutschland. Um diesen Wert ist die Zahl der Privatinsolvenzen von Oktober 2020 auf Oktober 2021 angestiegen – auf rund 6000 Menschen monatlich. Das hat das Statistische Bundesamt mitgeteilt und dazu erklärt: „Der starke Anstieg steht im Zusammenhang mit einem Gesetz zur schrittweisen Verkürzung von Restschuldbefreiungsverfahren.“ Seit dem 1. Oktober 2020 müssen hoch Verschuldete nur noch drei Jahre warten, bis sie von ihrer Restschuld befreit werden. Vorher waren es sechs Jahre.

Das Bundesamt spekuliert: „Daher ist davon auszugehen, dass viele überschuldete Privatpersonen ihren Insolvenzantrag zunächst zurückhielten, um von der Neuregelung zu profitieren.“ Die Frage, warum der Zulauf dann aber nicht schon im Oktober 2020 begonnen hat, greift das Amt nicht auf. Auch führt es weder die massiven Preissteigerungen noch die Folgen der Corona-Politik als mögliche Gründe für ein starkes Wachsen der Privatinsolvenzen an.

Ohnehin zieht sich durch die Mitteilungen des Bundesamtes in letzter Zeit die Tendenz, die wirtschaftlichen Daten nicht gar zu arg aussehen zu lassen. So verkündet das Amt: „Im Vergleich zum Oktober 2019, also vor der Corona-Krise, war die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im Oktober 2021 um 33,7 Prozent niedriger.“ Auch sei die Schuldensumme, die sich aus den Insolvenzverfahren des Oktober 2020 und des Oktober 2021 ergibt, von 2,1 auf 1,0 Milliarden Euro zurückgegangen. Und 2021 gelte wieder die Pflicht zur Insolvenzanmeldung – diese sei 2020 ausgesetzt worden.

Allerdings wird das Amt weiter hinten in der Mitteilung ehrlicher: „Hinweise auf die künftige Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen gibt die Zahl der beantragten Regelinsolvenzverfahren“, heißt es dort. Und von November auf Dezember 2021 sei diese Zahl um 18 Prozent gestiegen. Von Oktober auf November waren es schon 43,8 Prozent. Der Effekt steigender Strompreise und steigender CO2-Steuern zum Jahresbeginn taucht in dieser Statistik noch nicht auf – zumal diese reguläre Schließungen nicht erfasst.

Die Zahlen sind laut Hinweis des Statistischen Bundesamtes vorläufig. Die Amtsgerichte, die sie erfassen, können zum Beispiel noch doppelte Meldungen herausrechnen.

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