Laut Wirtschaftsauskunftei und Inkassodienstleister Creditreform mussten im Gesamtjahr 2023 (Stand Anfang Dezember) 18.100 Unternehmen Insolvenz anmelden. Dies bedeute einen historischen Anstieg von 23,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und markiere damit „endgültig das Ende des paradoxen Insolvenzgeschehens der Corona-Jahre.“ Die multiplen Krisen schlügen auf Unternehmen und Verbraucher gleichermaßen durch.
Fakt ist: Bei den Unternehmen trifft die Pleitewelle die Großen ebenso wie den Mittelstand. Es sind Textilunternehmen, Modeeinzelhändler, Maschinenbau, Handel, Baugewerbe, Verarbeitendes Gewerbe und Dienstleistungsbereich. Auch Kliniken sind dabei. Zwei Drittel der deutschen Kliniken bezeichnen ihre „finanzielle Lage aktuell als schlecht oder sehr schlecht, bei den mittelgroßen Kliniken sind dies sogar noch mehr“, schreiben die Insolvenzexperten von Allianz Trade.
Als Großinsolvenzen definiert der Kreditversicherer Allianz Trade Pleiten von Unternehmen mit einem jährlichen Umsatz von mindestens 50 Millionen Euro. Die Zahl der großen Pleiten in Deutschland nimmt der Studie zufolge mit bereits 45 Fällen in den ersten neun Monaten des Jahres 2023 Kurs auf das Rekord-Niveau von 2020.
Schon Ende Juni dieses Jahres meldet Creditreform einen Anstieg bei den Unternehmensinsolvenzen von über 16 Prozent. Es war die höchste Steigerungsrate seit gut 20 Jahren. „Die enormen Kostenbelastungen durch zu hohe Energie- und Materialpreise zeigen Wirkung“, hieß es seinerzeit.
Oftmals werden als Begründung der Pleitewelle die Corona-Jahre genannt. Denn nach den großzügig gewährten Corona-Hilfen hagelte es Rückzahlungsbescheide für die „Soforthilfe Corona“. Daraus folgte: Die Rückzahlung von Corona-Hilfen wurde für viele Unternehmen zur Belastung.
In der Insolvenzdebatte Anfang November 2023 beteuerte das Wirtschaftsministerium, es wolle die „besondere Situation“ im Auge behalten. Es handele sich um keine Insolvenzwelle, sondern um „Sondereffekte“, die noch aus der Corona-Zeit resultierten. Dabei sind es die Energiekosten, die zahlreiche Unternehmen in Insolvenzgefahr bringen. Den Begriff „Insolvenzwelle“ wollte das Wirtschaftsministerium nicht verwenden.
Ob das Ministerium den faktischen Anstieg der Pleiten und Konkurse einen Monat später nun als „Sondereffekte“ bezeichnen möchte oder um eine „besondere Situation“ – sämtliche Hauptwirtschaftsbereiche verzeichnen deutlich höhere Fallzahlen: Im Baugewerbe etwa gab es ein Plus von 20,8 Prozent, im Dienstleistungsbereich von 22,5 Prozent, im Handel waren es 26 Prozent mehr Insolvenzen und im Verarbeitenden Gewerbe sogar 30,2 Prozent.
Bei Großunternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern lagen die Fallzahlen um 50 Prozent über dem Vorjahreswert, heißt es bei Creditreform. Zahlreiche prominente Insolvenzen gab es 2023 im Handel (unter andrem Peek & Cloppenburg sowie Real GmbH). Bei Unternehmen mittlerer Größe mit 51 bis 250 Beschäftigten stiegen die Insolvenzen sogar um rund 76 Prozent, bei kleinen Unternehmen mit bis zu 10 Beschäftigten um knapp 19 Prozent. 2023 waren zudem mehr Arbeitnehmer von der Insolvenz betroffen. Schätzungsweise 205.000 Arbeitsplätze sind bedroht bzw. weggefallen (2022: 175.000).
„Auch wenn es 2023 zahlreiche Großinsolvenzen im Handel, im Bau und im Gesundheitssektor gab, hat sich das Insolvenzgeschehen doch auf breiter Front insgesamt beschleunigt“, erläutert Insolvenzexperte Hantzsch. Ein Grund für das Anspringen der Insolvenzspirale dürften auch Nachholeffekte sein. Viele nun insolvente Unternehmen hätten jahrelang gegen multiple Krisen wie Corona, Inflation und Fachkräftemangel angekämpft.
Das Insolvenzgeschehen wird aktuell von der Rechtsform GmbH getrieben. Der Anteil der GmbH am gesamten Insolvenzgeschehen stieg gegenüber dem Vorjahr von 39,0 auf 42,4 Prozent. Dieser Trend passt zum deutlichen Anstieg der Insolvenzen im mittleren Größensegment. Den wirtschaftlichen Schaden durch die Insolvenzen, nämlich die ausfallbedrohten Forderungen von Gläubigern, beziffert Creditreform auf rund 34 Milliarden Euro.