Bei vielen Menschen sind die Corona-Jahre alles andere als spurlos vorübergegangen. Psychologen sind hoffnungslos überlastet, die Terminsuche wird zum Martyrium. Operationen, aber auch Chemotherapien wurden aufgrund einer vermeintlichen pandemischen Notlage verschoben. Die Maßnahmen rächen sich Woche für Woche – und die Politik schaut hilflos zu.
Aber auch an den schönen Dingen wurden die Menschen gehindert. Kino, Theater und Konzerte wurden lange von den Herrschenden verboten. Seitdem Kultur wieder weitgehend möglich ist, gibt es einen regelrechten Ansturm auf die Tickets. Mit Recht: Die Leute wollen ihr Leben wieder genießen. Sie wollen in den Urlaub und sie wollen die gastronomischen Angebote in Anspruch nehmen – wenn da nicht das Personal fehlte.
Rund 61.000 Betriebe in der Hotel-, Gastronomie- und Tourismusbranche suchen Mitarbeiter
Und wie. Laut einer Auswertung der Agentur Index Research fehlen in der Berufsgruppe „Hotel-/Gastgewerbe, Tourismus und Empfang“ bundesweit im Zeitraum Januar bis Ende Mai 483.985 Stellenanzeigen. 60.935 Firmen suchten nach Arbeitskräften in diesem Bereich.
Die Gründe sind schnell gefunden. In den vergangenen zwei Jahren bezogen die allermeisten Unternehmen aus der Gastronomie Kurzarbeitergeld (KUG), was zur Folge hatte, dass sich viele, teils langjährige Mitarbeiter woanders hin orientierten.
Kurzarbeit trieb langjährige Mitarbeiter in andere Branchen
So geht es zum Beispiel dem 34-jährigen Kai. „Ich arbeitete seit ich 15 Jahre alt war in der Gastro. Aber nach dem ersten Jahr Kurzarbeit, das heißt weniger Lohn, habe ich mich woanders beworben.“ Kai arbeitet heute in einem Discounter, der zunächst 14 Euro als Mindestlohn zahlt – die erste Lohnerhöhung steht bereits an. Kai berichtet von vielen ehemaligen Kollegen, die im Einzelhandel, aber auch in die Industrie, zum Beispiel Lebensmittelherstellung, gewechselt sind.
„Viele unserer Mitgliedsbetriebe berichten davon, dass es schwieriger geworden ist, offene Stellen zu besetzen“, sagt die Chefin des Hotel- und Gaststättenverbandes Ingrid Hartges, was sich auch in den Zahlen manifestiert. Der höchste Rückgang bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in dieser Branche wurde im Mai 2021 nach dem Lockdown mit 14,5 Prozent registriert. Das waren mehr als 160.000 Mitarbeiter weniger als im Mai 2019.
Zuwanderung kann nicht die Lösung sein
Politik und Behörden versuchen indes, das Problem mit Zuwanderung zu lösen. Ein „Schalthebel“ sei die Arbeitskraft von Zuwanderern. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) besucht beinahe jeden Monat ein anderes Land, um für den Arbeitsmarkt in Deutschland zu werben. Aber auch der sogenannte Spurenwechsel von Flüchtlingen wird in der Koalition diskutiert. Spurenwechsel bedeutet, dass Flüchtlinge ihren Status leichter ändern und dann arbeiten können.
Problematisch ist hierbei, dass die Anreize für eine Migration auf dem „Fluchtweg“ aufgrund der rosigen Aussichten in der Bundesrepublik erhöht werden. Es ist davon auszugehen, dass die Zahl der Migranten aus kriegsfernen Ländern steigen wird, wenn sich herumgesprochen hat, dass man mit dem Asylantrag schon bald die Spur wechseln und dauerhaft im Land bleiben kann. Die Gefahr einer Überlastung des Asylsystems droht.
Macht die Politik die gleichen Fehler wie 2020 und 2021?
Auf der anderen Seite hat Deutschland laut dem Pressebericht der Agentur für Arbeit rund 2,26 Millionen Arbeitslose. Die offizielle Zahl dürfte jedoch doppelt so hoch sein. Sicher, nicht jeder kommt für die Branche in Frage, manche aber schon. Weshalb versucht die Politik nicht aktiv, hier Anreize zu schaffen? Vor allem die Sanktionen für Arbeitsunwillige nicht abzubauen, sondern sie effektiv anzuwenden. Wenn das ausgeschöpft ist, kann man immer noch Menschen aus dem Ausland anwerben.
Ob Pflege, Gastronomie, oder Tourismus: Die Politik der letzten Jahre rächt sich. Man wollte um jeden Preis ein Virus besiegen, koste es, was es wolle. Kollateralschäden wurden billigend in Kauf genommen, während – oh Wunder – das Virus nicht verschwunden ist. Wenn die Politik Gleiches wie in den beiden Jahren durchsetzt – Kontaktverbote, Reisebeschränkungen, Berufsverbote für Gastronomen, Hoteliers, aber auch Künstler –, dann haben diese Politiker rein gar nichts verstanden.
Julian Marius Plutz