Tichys Einblick
Rezession und gleichzeitig Inflation 

Panikstimmung im Öl- und Gashandel – Angst vor Rezession

An den Rohstoffmärkten herrscht Panik. Grund sind Diskussionen im Westen über einen Importstopp von russischem Öl und Gas. In den USA verhandelt man offenbar sogar mit einem alten Erzfeind, um Ersatz zu schaffen.

Benzinpreise auf Rekordniveau., hier an einer Tankstelle in München am 7. März 2022

IMAGO / Sven Simon

Putins Krieg löst an den Märkten Panikkäufe bei Erdöl und Erdgas aus. Am Montagmorgen stieg der Preis um etwa 20 Prozent auf knapp 140 Dollar je Barrel der Ölsorte Brent aus der Nordsee und damit so viel wie seit 2008 nicht mehr. Grund sind Diskussionen im Westen über einen Importstopp von russischem Öl und Gas, was eine enorme Ausweitung der Sanktionen gegenüber dem Kreml bedeuten würde. 

Die US-Regierung beriet am Wochenende mit ihren europäischen Verbündeten über einen möglichen Importstopp für Öl aus Russland. „Wir sprechen jetzt mit unseren europäischen Partnern und Verbündeten, um auf koordinierte Weise die Aussicht auf ein Verbot der Einfuhr von russischem Öl zu prüfen“, sagte Außenminister Blinken dem Sender CNN am Sonntag. US-Präsident Joe Biden hatte explizit nicht ausgeschlossen, zu den bereits verhängten Strafmaßnahmen einen Importstopp für russisches Öl hinzuzufügen. Bisher war der russische Energiesektor aus Sorge vor dem wirtschaftlichen Schaden durch hohe Ölpreise für den Westen von internationalen Sanktionen ausgenommen. 

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Laut Energy Brainpool, einem unabhängigen Marktspezialisten für die Energiebranche mit Fokus auf den Strom- und Energiehandel in Europa, wurde am Montagvormittag Erdgas zur Lieferung am Folgetag zeitweise für rund 335 Euro je Megawattstunde gehandelt. Am Morgen gegen 08.00 Uhr hatte der Preis noch bei 220 Euro gelegen und gegen 10.30 Uhr schon wieder bei knapp 300 Euro. Etwa eine Woche vor Putins Krieg gegen die Ukraine war Erdgas zur Lieferung am Folgetag noch mit rund 69 Euro je Megawattstunde gehandelt worden. Hinter der Panikstimmung an den Märkten steht offenbar die Sorge vor einer Versorgungsunterbrechung. 

Nicht nur der Ölpreis, an den auch der Gaspreis gekoppelt ist, bereitet Kennern der Rohstoffmärkte Sorgen. Der Preisschock löst darüber hinaus auch Rezessionsängste aus. „Sollten die fünf Millionen Barrel aus Russland wegfallen, könnte der Ölpreis auf 200 Dollar je Barrel steigen und damit das globale Wirtschaftswachstum verringern“, analysiert Ethan Harris, Chefvolkswirt der Bank of America, gegenüber dem Handelsblatt. „Wenn der Westen den Großteil russischer Energie-Exporte verhindert, wäre das ein großer Schock für die Märkte.“ Als möglich gelten jedoch auch Gegensanktionen seitens Russlands bis hin zu einem völligen Ausfuhrstopp.

„Bei einem Embargo russischer Energielieferungen, wie es derzeit diskutiert werde, müssten Verbraucher mit dauerhaft höheren Preisen zurechtkommen“, sagte Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets der FAZ. Dies würde den Konsum und das Wirtschaftswachstum empfindlich treffen. „Eine Rezession in Deutschland bei gleichzeitig hoher Inflation entwickelt sich damit mehr und mehr zum Basisszenario.“ Eine Stagflation jedenfalls mit anhaltend hoher Inflation und geringerem Wachstum wird von vielen Beobachtern längst für sehr wahrscheinlich gehalten. 

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An den Zapfsäulen waren Preissprünge bereits am Wochenende für die Autofahrer deutlich ablesbar. Diesel notierte höher als Benzin. An einigen Tankstellen hatte Super bereits die 2-Euro-Marke durchbrochen. Bundesweit kostete ein Liter Super E10 am Sonntag im Durchschnitt 1,965 Euro, wie der ADAC am Montag mitteilte. Diesel war sogar noch zwei Cent teurer als Super und stieg auf 1,984 Euro. Innerhalb einer Woche machten somit Benzin und Diesel einen Preissprung von bis zu zehn Cent je Liter. Die Spritpreise werden folglich angesichts der steigenden Rohölpreise weiter deutlich zulegen. 

Allerdings: Der Preisanstieg war schon vor Kriegsbeginn seit Weihnachten zu beobachten. Super E10 kostete am 21.12.2021 beispielsweise 1,590 Euro, der Preis für das Rohöl in Barrel lag bei 74,090 Dollar. Hohe Preise für Kraftstoffe und Heizen hatten die deutsche Inflationsrate im November 2021 erstmals seit fast drei Jahrzehnten über die Marke von fünf Prozent getrieben, Stichwort „Greenflation“.

Der New York Times zufolge ist sogar ein Treffen von Mitgliedern der US-Regierung mit Vertretern Venezuelas geplant, um über den Ersatz russischer Ölexporte durch solche aus dem politisch verfeindeten (und russlandfreundlichen) Venezuela zu verhandeln, schreibt das Handelsblatt. Im November stehen in den USA Kongresswahlen an – und die Spritpreise erreichen in den USA ebenso wie in Europa immer neue Höhen.

Offenbar erwägen die Berater von US-Präsident Biden einen möglichen Besuch in Saudi-Arabien in diesem Frühjahr, um die Beziehungen zwischen beiden Staaten zu kitten und das Königreich davon zu überzeugen, mehr Öl zu liefern, wie das Nachrichtenportal Axios berichtet. Biden hatte vor rund einem Jahr Waffenlieferungen an Saudi-Arabien gestoppt, um so die indirekte US-Unterstützung für den Krieg im Jemen zu beenden. Auch war Kronprinz bin Salman für die Ermordung des Kritikers Khashoggi verantwortlich gemacht worden. Durch die von Russland ausgelöste Energiekrise scheint das nun alles obsolet zu werden. 

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