Am Donnerstag gab Northvolt bekannt, aufgrund massiver finanzieller Engpässe ein Gläubigerschutzverfahren nach Chapter 11 des US-Insolvenzrechts beantragt zu haben. Dieses Verfahren schützt das Unternehmen vorübergehend vor Forderungen der Gläubiger und schafft die Grundlage für eine gerichtlich beaufsichtigte Restrukturierung, ohne dass ein Insolvenzverwalter benannt wird.
Laut Gerichtsunterlagen verfügt Northvolt aktuell lediglich über liquide Mittel in Höhe von 30 Millionen Dollar – eine Summe, die den Betrieb für maximal eine Woche sichern kann. Gleichzeitig hat sich die Schuldenlast auf beachtliche 5,8 Milliarden Dollar angehäuft.
Forderungen durch Gläubiger vorerst ausgesetzt – Northvolt benötigt dringend Finanzierung
Zur kurzfristigen Stabilisierung wurde das Unternehmen mit einer Finanzspritze in Höhe von 245 Millionen Dollar ausgestattet. Diese Summe setzt sich aus einem Darlehen des schwedischen Lkw-Herstellers Scania über 100 Millionen Dollar sowie aus eigenen zuvor als Sicherheiten zurückgelegten Mitteln von 145 Millionen Dollar zusammen. Scanias Beitrag soll speziell die Produktion von Batteriezellen für E-Fahrzeuge am Standort Skellefteå in Nordschweden unterstützen.
Um seine finanzielle Lage zu stabilisieren, sucht Northvolt derzeit aktiv nach Investoren, die sich zu einer langfristigen Zusammenarbeit verpflichten. Nach Angaben des ehemaligen CEO Peter Carlsson benötigt das Unternehmen mindestens 900 Millionen Euro, um seine Geschäftstätigkeit fortsetzen zu können.
Volkswagen, der größte Anteilseigner, erklärte am Donnerstagabend, dass man in engem Austausch mit Northvolt stehe, um mögliche Lösungen zu erörtern. Auch Goldman Sachs Asset Management, der zweitgrößte Aktionär, ist intensiv in die Bemühungen eingebunden, eine nachhaltige finanzielle Stabilisierung des Unternehmens sicherzustellen. Namen potenzieller neuer Investoren sind bislang jedoch nicht bekannt.
CEO Peter Carlsson tritt zurück
Nur einen Tag nach der Bekanntgabe, Gläubigerschutz zu beantragen, hat Peter Carlsson, der langjährige CEO und Mitgründer von Northvolt, seinen Rücktritt als Geschäftsführer erklärt. Die Unternehmensführung wird vorübergehend von Finanzchefin Pia Aaltonen-Forsell und dem neuen Chief Operations Officer Matthias Arleth übernommen. Wie das Manager Magazin berichtet, hat Northvolt bereits die Suche nach einem neuen CEO eingeleitet.
Krise bei Northvolt hat sich seit Langem angebahnt
Die Krise bei Northvolt ist kein neues Phänomen. Das 2015 gegründete Unternehmen, das sich auf die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien für Elektrofahrzeuge spezialisiert hat, konnte bisher kein einziges Geschäftsjahr mit Gewinn abschließen. Allein im vergangenen Jahr verzeichnete Northvolt einen Verlust von rund 1,1 Milliarden Euro.
Die anhaltenden Verluste verdeutlichen die Schwierigkeiten des Unternehmens, profitabel zu arbeiten. Hinzu kommt, dass die Produktionsqualität des schwedischen Herstellers oft zu wünschen übrig lässt, was letztendlich auch dazu führte, dass mehrfach Kundenaufträge storniert wurden. Ein besonders markantes Beispiel lieferte BMW: Laut Manager Magazin zog der Automobilhersteller im Juni einen Auftrag im Wert von über zwei Milliarden Euro zurück.
Sparkurs bei Northvolt – Bereits seit September steht das Unternehmen unter Druck
Um den wachsenden Herausforderungen zu begegnen, kündigte Northvolt bereits am 23. September einen drastischen Sparkurs an. In Schweden wurden etwa 1.600 Arbeitsplätze abgebaut – fast ein Viertel der damaligen Belegschaft von rund 7.000 Mitarbeitern.
Trotz der ernüchternden Zahlen und dem faktisch seit Firmengründung ausbleibenden Profit stellten sich das Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck sowie die schwarz-grüne Landesregierung Schleswig-Holsteins noch Anfang des Jahres enthusiastisch hinter das Prestige-Projekt, das in Zusammenarbeit mit Northvolt umgesetzt werden sollte: die Ansiedlung einer Batteriefabrik in der Nähe von Heide, Schleswig-Holstein.
Der Grundstein für den Bau der Fabrik wurde bereits im März 2022 gesetzt, als Northvolt in einer Pressekonferenz seine Pläne vorstellte, eine Fabrik zur Produktion von Batteriezellen für Elektroautos in Deutschland zu errichten. Dieses Vorhaben versprach nicht nur rund 3.000 direkte Arbeitsplätze, sondern auch Tausende weitere Stellen bei Zulieferern und Dienstleistern.
Die sogenannte Gigafactory „Northvolt Drei“ wird von der deutschen Tochtergesellschaft Northvolt AB umgesetzt und befindet sich seit März 2024 im Bau. Das Projekt umfasst ein Investitionsvolumen von 4,5 Milliarden Euro und wird durch Fördermittel von Bund und Land in Höhe von 700 Millionen Euro sowie zusätzlichen Bürgschaften über 202 Millionen Euro unterstützt.
Die Ereignisse erinnern an das hochsubventionierte Vorhaben der Ampel-Regierung, den US-Chiphersteller Intel mit einem gigantischen Subventionspaket nach Magdeburg zu locken. Für die geplante Chip-Megafabrik sollten 10 Milliarden Euro an Fördergeldern fließen.
Intels Marktlage hat sich in den vergangenen Jahren jedoch dramatisch verschlechtert. Der Konzern verpasste entscheidende Entwicklungen in der Halbleiterbranche: Weder konnte er vom rasanten Aufstieg der KI-Technologien profitieren, noch hielt er mit den Innovationen in der Chipfertigung Schritt. Während Wettbewerber wie NVIDIA, TSMC und AMD zunehmend Marktanteile eroberten, verlor Intel erheblich an Einfluss. Mittlerweile droht Intel sogar eine Übernahme durch den Konkurrenten Qualcomm – ein Szenario, das das endgültige Aus für das geplante Werk in Magdeburg bedeuten könnte.
Die Parallelen zwischen Northvolt und Intel sind unübersehbar: Beide Unternehmen kämpfen seit Jahren mit schwachen Geschäftszahlen und befinden sich in einer prekären wirtschaftlichen Lage. Umso mehr drängt sich die Frage auf, warum die Bundesregierung gerade in derart kriselnde Unternehmen immense Summen an Steuergeldern investiert. Wie erwartet man, dass Unternehmen wie Northvolt oder Intel die gewünschten Leistungen erbringen, wenn diese selbst kaum auf stabilen Beinen stehen können?
Ist diese Entscheidung Ausdruck mangelnden wirtschaftlichen Know-hows und einer fehlerhaften Investitionsstrategie – oder steckt dahinter womöglich ein bewusster Kurs, der die Deindustrialisierung Deutschlands vorantreibt? Die Antwort bleibt ungewiss. Sicher ist jedoch, dass sowohl die geplante Ansiedlung von Intel als auch die Zusammenarbeit mit Northvolt symptomatisch für fatale Fehlentscheidungen in der deutschen Wirtschaftspolitik stehen.
Wie steht es um den Bau der Batteriefabrik in Heide?
Sollte eine umfassende Restrukturierung notwendig werden, könnten alle laufenden Projekte, einschließlich Heide, einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Branchenexperten wie Anders Hägerstrand vermuten bereits, dass Northvolt künftig den Fokus stärker auf sein Stammwerk in Schweden legen könnte, was die Ressourcen für die deutsche Gigafactory gefährden würde.
Zwar gibt es bislang keine offiziellen Ankündigungen für eine Aussetzung des Projekts, doch Verzögerungen scheinen laut dem kürzlich zurückgetretenen Northvolt-CEO Peter Carlsson unvermeidlich. Der Produktionsstart in Heide wird nun wohl erst für die zweite Jahreshälfte 2027 erwartet – ein Jahr später als ursprünglich geplant.
Bezüglich der schwerwiegenden Herausforderungen, vor denen Northvolt steht, ist aber auch ein vollständiger Baustopp der Fabrik in Heide nicht allzu unrealistisch.
Eine Absage der Batteriefabrik in Heide käme einem dramatischen Rückschlag für die Bundesregierung gleich – und würde sich nahtlos in die stetig wachsende Liste gescheiterter Industrieprojekte einreihen. Bereits gescheiterte Vorhaben wie das Intel-Werk in Magdeburg, die grüne Transformation der Stahlindustrie oder das Batteriewerk in Kaiserslautern haben gezeigt, wie ideologische Pläne immer wieder an der harten Realität scheitern.
Sollte nun auch das Projekt in Heide ins Wanken geraten, wäre dies nicht nur ein weiterer schwerer Dämpfer für das Ziel, in Deutschland eine grüne Industriebasis aufzubauen. Es wäre zugleich ein Symbol für die wachsenden Zweifel an der wirtschaftlichen Kompetenz der Ampel-Regierung und ein weiterer erheblicher Imageschaden für das Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck.