Tichys Einblick
BÜROKRATIE-MONSTER

Neues EU-Klimagesetz: CO2-Abgabe bei Importen

Durch die EU-Verordnung des CO2-Grenzausgleichssystems fällt bei Importen von Metallen wie Aluminium oder Stahl in die Europäische Union eine CO2-Abgabe an. CBMA ist ein Schlüsselelement des EU-Projekts „Fit for 55“ und wird große Teile der deutschen Industrie betreffen.

IMAGO/Panama Pictures

Wenn in der Republik von Bürokratie-Abbau die Rede ist, bezieht es sich auf den Fakt, dass Bürokratie ein ganz erhebliches Geschäftsrisiko darstellt. Obwohl die Bundesregierung inzwischen drei Bürokratieentlastungsgesetze auf den Weg gebracht hat, kommen immer noch mehr neue Vorschriften hinzu, als alte wegfallen. Nicht mitgedacht ist das Geschäftsrisiko für Unternehmen, wenn bürokratische Monster als Verordnung direkt von der EU kommen und durch kein deutsches „Bürokratieentlastungsgesetz“ aus der Unternehmens-Welt geschafft werden kann. Da hilft dann auch kein „verbindlicher Praxis-Check“ für neue Gesetze, wie die DIHK anmahnt.

Carbon border adjustment mechanism – CBAM, auf Deutsch: CO2-Grenzausgleichsmechanismus – so lautet die EU-Verordnung Nummer 2023/956, wodurch bei Importen von Metallen wie Aluminium, Eisen und Stahl, aber auch Düngemittel, Zement, Strom oder Wasserstoff in die Europäische Union eine CO2-Abgabe anfällt. Damit möchte die EU ihrem Ziel näherkommen, bis spätestens zum Jahr 2050 „klimaneutral” zu werden. Die Verordnung gilt ab dem 1. Oktober 2023.

„Der Klimawandel ist ein globales Problem, das globale Lösungen braucht. Da die EU ihre eigenen Klimaziele erhöht und in vielen Nicht-EU-Ländern eine weniger strenge Klimapolitik herrscht, besteht die Gefahr einer sogenannten „Kohlenstoffverlagerung“, erfahren wir auf der Website der EU-Kommission.

Green Deal unter Beschuss
Acht EU-Länder: Neue Abgasnormen zu teuer – E-Mobilität in Gefahr
Und weiter: „Der CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) der EU ist unser wegweisendes Instrument, um den bei der Produktion kohlenstoffintensiver Güter, die in die EU gelangen, emittierten Kohlenstoff fair zu bepreisen und eine sauberere industrielle Produktion in Drittländern zu fördern. Die schrittweise Einführung des CBAM steht im Einklang mit dem Ausstieg aus der Zuteilung kostenloser Zertifikate im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems (ETS), um die Dekarbonisierung der EU-Industrie zu unterstützen.“ Das CBAM wird schließlich – wenn es vollständig eingeführt wird (ab 2026) – mehr als 50 Prozent der Emissionen in von EHS abgedeckten Sektoren erfassen, heißt es seitens der EU-Kommission.

Was dabei herauskommen dürfte, ist ein Bürokratie-Monster. „CBAM ist ein völlig neues Instrument mit völlig neuen Anforderungen“, sagte Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie: „Auf unsere Unternehmen kommt ein bürokratischer Kraftakt zu, und das ausgerechnet in einer wirtschaftlich angespannten Zeit.“

Nicht nur Eisen, Stahl, Zement, Düngemittel und Elektrizität, auch bestimmte Vor- und nachgelagerte Produkte in reiner oder verarbeiteter Form aus Nicht-EU-Staaten, müssen ab 1. Oktober 2023 gesondert quartalsweise gemeldet werden, schreibt die IHK Stuttgart. Dies gelte auch für Produkte „wie Schrauben und ähnliche Artikel aus Eisen oder Stahl (Position 7318 und 7326) oder Aluminium“. Es ist wahrscheinlich, dass die Liste ab 2026 ausgeweitet werden wird. Berichtspflichtig ist der Zollanmelder oder dessen indirekter Vertreter. Die erste Meldung muss Ende Januar 2024 abgegeben werden.

Laut Welt soll bis 2030 CBAM auf weitere Industriegüter ausgeweitet werden. Doch schon ab Oktober müssen EU-europäische Unternehmen ermitteln und dokumentieren, wie viel Kohlendioxid importierte Waren in fernen Teilen der Erde verursacht haben.

Camouflage in der Autoindustrie
Die Rückkehr der Verbrenner unter elektrischer Tarnkappe
Doch die Bürokratie sei nicht die einzige Sorge der deutschen Wirtschaft. Es gebe noch ein anderes Problem, so Große Entrup. Die nicht-europäischen Geschäftspartner würden Daten zu ihren CO2-Emissionen womöglich nicht herausgeben, und lieber ihre Lieferungen in die EU stoppen. „Und dann“, so Große Entrup, „drohen Europa Knappheit und Preissteigerungen“.

Vermutlich werden es viele Unternehmen nicht schaffen, all den neuen Pflichten ab Oktober nachzukommen, so Stephan Freismuth, Steuerexperte des Wirtschaftsprüfers KPMG. „Sie müssen daher mit Bußgeldern rechnen.“

Für Maschinenbauer und Autohersteller könne CBMA besonders schwierig werden. „Denn beide benötigen viel Stahl. In einem Fahrzeug, das eine Tonne wiegt, stecken rund 600 Kilogramm. ‚Die Kosten für den Stahlimport dürften durch CBAM bald deutlich steigen, sofern Hersteller außerhalb der EU nicht in nachhaltige Produktionsverfahren investieren‘, sagte der KPMG-Experte. ‚CBAM könnte also dazu beitragen, dass Autos in der EU auf lange Sicht teurer werden.‘“

Anzeige
Die mobile Version verlassen