Tichys Einblick
Fake Messung in Oldenburg

Wunder der Umweltmessungen: Abgase ohne Autos

Am Sonntag, 21.10.2018, schnellten die Werte für NO2 in die Höhe. Sie lagen 20 µg/Kubikmeter über dem Grenzwert von 40 µg/m3. Ein Mess-Wunder: An diesem Tag war die Straße gesperrt. Es fand ein Marathonlauf statt.

Symbolbild

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Ein Umweltwunder ist zu besichtigen. Kein Auto auf einer normalerweise sehr belebten Straße – dennoch registriert eine Umweltmessstation hohe Stickoxidwerte. Geradezu sensationell ist das, was eine Messstation am Heiligengeistwall in Oldenburg misst.

Am Sonntag, 21.10.2018, schnellten die Werte für NO2 in die Höhe. Sie lagen 20 µg/Kubikmeter über dem Grenzwert von 40 µg/m3. Da geschah das Wunder: An diesem Tag war die Straße gesperrt. Es fand ein Marathonlauf statt. Über »Hohe Stickoxid-Werte trotz gesperrter Straße« wundert sich sogar der NDR in einem Beitrag.

Die Station am Heiligengeistwall in Oldenburg sieht aus, als wäre der Container für die Sperrmüllsammlung hingestellt worden. Verrostet, verranzt, verdreckt. Unten führt ein abgerissener Schlauch heraus, durch das Loch kann alles mögliche und Getier ins Innere gelangen.

Dort soll eine hochempfindliche Messapparatur sehr genaue chemische Analysen der Luft vornehmen. Sie soll messen, ob 40 µg oder 41 µg oder mehr NOx in der Luft sind. Die Messgenauigkeit der Verfahren wird allgemein mit 2,5 µg/m3 angegeben. Der lausige Zustand des Containers ging bereits aus den Bildern hervor, die uns seinerzeit TE-Leser Ulrich H. schickte.

Dennoch: Das ist die einzige Messstation in Oldenburg, unmittelbar am Straßenrand gelegen, dort, wo man sicher sein kann, hohe Werte zu erwischen. In der Umgebung gibt es noch ein paar billige Passivsammler. Die messen übrigens allesamt unauffällige Werte.

Ein Ergebnis der Messungen also: Ein fast autofreier Sonntag und dennoch eine Überschreitung des Grenzwertes von 40 µg/Kubikmeter Luft. Der maximale Wert lag bei 54 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Das war kurz nachdem die Marathonläufer an der Station vorbeigerannt sind. Haben die soviele Stickoxide ausgeatmet? Oje – und der Feinstaub vom Abrieb der heißen Sohlen erst!

Dieselchaos
Luftmessstellen auf den Prüfstand
Die Stadt Oldenburg jedenfalls hat vom staatlichen Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim eine Überprüfung der Anlage gefordert. Die misst offensichtlich Mist. Die Mitarbeiter mit offenkundigem Händchen für Betriebsfeiern und schwarzen Kassen sind bisher ratlos.

Eine Antwort haben die Experten für die Luftmessstationen bisher nicht. Sie ließen zwar eine App entwickeln, mit der sich jeder Smartphonebesitzer in Niedersachsen über die Luftqualität informieren und abschätzen kann, ob und wann er zu einem vorzeitigen Todesfall wird. Aber Fragen nach der Qualität und Seriosität der Messungen konnte sie bisher nicht beantworten.

Die Stationen sind häufig dort platziert, wo garantiert hohe Messwerte zu erwarten sind. So wurde die Messstation in Oldenburg im Jahre 2010 umgestellt. Vorher waren die Meßwerte mit 36 µg/m3 zu gering.

Vertreter des Luftmessnetzes Niedersachsen informierten im Jahre 2010 den Umweltausschuss des Stadtrates, dass nach ersten Messungen die Konzentration von NOs in der Stadt am Heiligengeistwall am höchsten sei – und nach den Maßgaben des Luftmessnetzes muss an dem »maßgeblich höchstbelasteten Straßenabschnitt« gemessen werden. Das stimmt zwar nach EU-Vorgaben nicht, nach denen Messungen, die repräsentativ für ein Gebiet sind, gemacht werden sollen. Das bedeutet: nicht an der maximalen Stelle.

Die spinnen
Neues Chaos bei Luftmessstellen
Die Umstellung ist messtechnisch problematisch. Die Entwicklung der Werte über die Jahre kann also nicht mehr miteinander verglichen werden. Doch selbst mit einer solch extrem ungünstigen Platzierung gelingt es kaum, die maximalen Grenzwerte zu erreichen. Die Werte für NO2 dürfen nach den Vorgaben kurzfristig 200 µg/Kubikmeter Luft erreichen. Sonst dürfte kein Auto mehr fahren, denn in der Rushhour können Abgase kurzfristig ansteigen und wieder absinken. Doch auch bei diesen Werten liegen weit jenseits unterhalb von nachgewiesenen gesundheitlichen Schädigungen.

Erstaunlich: Oldenburg hat keine Überschreitung dieses Wertes zu melden. Der Maximalwert für den Einstunden-Mittelwert beträgt 112 µg/Kubikmeter. Wohlgemerkt: an einer der ungünstigsten Stelle gemessen, ein paar Meter weiter sehen die Werte wieder ganz anders aus. Das belegen die Werte der sogenannten Passivsammler, die ziemlich ungenau zwar, aber billiger Messwerte in der Umgebung der Messstation liefern sollen. Die liegen mit ihren Durchschnittswerten allesamt weit unter dem Grenzwert.

»Das stinkt gewaltig«, meint Jasper Ritter von der Nordwestzeitung und schreibt in seinem Kommentar:

»Doch ist die Luft in Oldenburg wirklich so schlecht? Die Ergebnisse der Passivsammler haben gezeigt, dass jenseits des Heiligengeistwalls die Welt in Ordnung ist. Und: Sie lassen auch den Schluss zu, dass wohl irgendwas mit der Messstelle dort nicht stimmen kann.

Der Marathon hat das erneut untermauert. Wenn kein Auto fährt und nur Menschen laufen, dann werden fast schon Grenzwerte überschritten. Das stinkt gewaltig. Woran das Messproblem liegt, muss nun endlich mal seriös ermittelt werden.«

Zweifelhafte Messungen sollen die Grundlage für Fahrverbote und für die Hatz gegen den Diesel mit Schäden in Milliardenhöhe liefern.

Wenn der grüne Arm es will
Feinstaub in Stuttgart: Bäume fällen und U-Bahnhöfe besser meiden
Wissenschaftler empfehlen ein probates Mittel: für flüssigen Verkehr sorgen. Weniger Stau produziert weniger Abgase. Eine alte Weisheit. Doch die meisten rot-grün angehauchten Stadtplaner setzten bisher immer darauf, den Autofahrern das Autofahren zu vergällen und den Verkehr zu stoppen. Grenzwerte senken und Stationen umstellen – so lassen sich leicht anhaltende Grenzwertüberschreitung und gefährliche Luft behaupten. Dubiose Abmahnvereine wie die sogenannte »Deutsche Umwelthilfe« DUH können Panik schüren und ihr fettes Geschäft weiter darauf aufbauen.

Dabei muss eher die Frage beantwortet werden, welche Verantwortung eine solche Organisation hat, die aufgrund windiger Messergebnisse die Mär von Tausenden von Toten in die Welt setzt.


In einer großen Leseraktion im März und April 2018 haben TE-Leser uns Bilder der Messstationen in ihren Städten geschickt.
Hier noch einmal die Übersicht und zu den einzelnen Artikeln:

Teil 1: Messtationen in Stuttgart, Leipzig, Fulda, Magdeburg, Rostock, Marburg und Tübingen

Teil 2: Messstationen in Ludwigsburg, Hannover, München und Siegen:

Teil 3: Messstationen in Hamburg, Wiesbaden, Cottbus, Dortmund und München

Teil 4: Messstationen in Berlin, Hannover, Halle an der Saale, Wuppertal und Göttingen

Teil 5: Messstationen in Darmstadt, Leonberg, Kiel und Gelsenkirchen

Teil 6: Messstationen in München, Plauen/Vogtland, Osnabrück und Norderstedt

Teil 7: Messstationen in Oldenburg, Köln, Leipzig, Nürnberg, Kassel und Essen

Teil 8: Messstationen in Potsdam, Berlin, Duisburg und Stralsund

Teil 9: Messstationen in Reutlingen. Ludwigshafen, Dortmund, Dresden, Würzburg, München,


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