Tichys Einblick
Vor der Wahl klang alles anders

Wählertäuschung – beim Aus vom Verbrenner-Verbot

Friedrich Merz mit seiner Koalitions-Ministerriege wird auch in Bezug auf die Autoindustrie bei wesentlichen Punkten das Gegenteil von dem machen, was er vor der Wahl in Aussicht gestellt hat. Bundesregierung 21.0 bedeutet: alter Wein in neuen Schläuchen.

IMAGO / Bihlmayerfotografie

Man kann von der Politik des US-Präsidenten Donald Trump halten, was man will: Sie ist zwar quer, aber verlässlich. Trump macht inhaltlich genau das, was er vor der Wahl in Aussicht gestellt hat.

Man kann von der absehbaren Politik der neuen Bundesregierung unter Friedrich Merz – legt man die Koalitionsvereinbarungen als kommendes Handlungs-Spektrum zugrunde – ebenfalls halten, was man will: Sie wird jedenfalls unverlässlich sein. Friedrich Merz wird mit seiner Koalitions-Ministerriege auch in Bezug auf die Autoindustrie bei wesentlichen Punkten das Gegenteil von dem machen, was er vor der Wahl in Aussicht gestellt hat.

Von einer Korrektur des Verbrenner-Aus und einer Rückkehr zur Technologieoffenheit als geplante Maßnahmen zur „Rettung“ der Autoindustrie vor dem Ansturm chinesischer Elektroauto-Hersteller und zur Schaffung von Planungssicherheit für verunsicherte Verbraucher kann keine Rede sein. Eher gilt das Gegenteil!

Technologie-Verengung statt Technologieoffenheit

In Kurzfassung: Von der vor der Wahl großmundig angekündigten Technologieoffenheit in der automobilen Antriebstechnik keine Spur mehr; vom geplanten Aus des Verbrenner-Verbots keine Rede mehr; statt der verkündeten staatlichen Abstinenz bei der Kauf-Förderung von Elektroautos vor allem für ohnehin Betuchte, im Gegenteil, die Wiederaufnahme der finanziellen steuerlichen Förderung in vielfältiger Form.

Keine zusätzlichen Belastungen
Was die neue Regierung tun muss, um die Autoindustrie zu retten
Experten aus Wissenschaft und Praxis spotten bereits, der entsprechende Koalitionstext könnte aus der Feder des größten deutschen Autokonzerns stammen, in dessen Aufsichtsrat das betreffende Bundesland durch seinen Ministerpräsidenten vertreten ist, und daher in den Koalitionsverhandlungen mit den hausgemachten Strategiefehlern seines Klienten sowie dessen großen Absatz- und Ergebnisnöten wegen des Nicht-Absatzes von Elektroautos bestens vertraut war.
Denn – dazu vorab –: Wie aus dem Koalitionsvertrag „Verantwortung für Deutschland“ herauszulesen ist, hat sich die in Niedersachsen regierende SPD als Koalitionspartner mit ihren Forderungen weitgehend durchgesetzt.

Kasse durch das Sondervermögen ist ja vorhanden, jetzt will die kommende Bundesregierung in der Autoindustrie das Ruder wieder herumreißen. Denn vor der Wahl hatten sich aufgrund der Marktabstinenz bei Elektroautos bei allen Autoherstellern (Ausnahme BMW, die auch während der Elektro-Euphorie ihrer Kollegen immer technologieoffen geblieben sind) verschämte Hinweise von einem Umdenken und einer Renaissance des Verbrenners angekündigt: Bei allen wurden feste Endtermine für die Verbrennerproduktion klammheimlich beerdigt und neue Technologieoffensiven in der Verbrennertechnologie eingeleitet.

Vor der Wahl las man es anders!

Zu den Themen Autoindustrie und Verkehrssektor war den Wahlprogrammen der Parteien (siehe dazu der TE-Beitrag und im Einzelnen die Langfassung unter: Wahlprogramm) Folgendes zu entnehmen:

CDU/CSU:

SPD:

Daraus ist nach dem Koalitionsvertrag im Groben Folgendes übriggeblieben: Ein starkes Bekenntnis zum Autoland Deutschland und zur deutschen Automobilindustrie: „Wir wollen auch in Zukunft eine starke Automobil- und Zulieferindustrie als Schlüsselindustrie und Arbeitsplatzgarant für unser Land.“ – Damit werden offene Tore beherzt aufgestoßen. Angesichts der industriellen Spitzenstellung der Autoindustrie wäre alles andere wirtschaftlicher und politischer Selbstmord!

„Dabei setzen wir auf Technologieoffenheit. Wir wollen uns aktiv dafür einsetzen, Strafzahlungen aufgrund der Flottengrenzwerte abzuwehren.“ – Angesichts der Elektromobilitäts-Lastigkeit der geplanten Maßnahmen (siehe unten) kann von Technologieoffenheit nur insofern die Rede sein, als Hybride in jeglicher Form und ohne zeitliche Begrenzung gefördert werden sollen. Strafzahlungen in Höhe mehrerer Milliarden Euro würden – Stand heute – vor allem den VW-Konzern treffen.

Eine absolute Priorisierung der Elektromobilität als Antriebsform der Zukunft, verbunden mit der Rückkehr zur umfassenden finanziellen Förderung von Elektroautos: „Wir werden die E-Mobilität mit Kaufanreizen fördern.“ – Bezeichnend für diesen Rückfall in die Technologie-Verengung ist das Faktum, dass jener Abschnitt im Koalitionsvertrag, der sich mit der Automobilindustrie beschäftigt, sich zu zwei Dritteln mit Fördermaßnahmen der Elektromobilität befasst.

Unter dem „one and only“-Bekenntnis zur E-Mobilität will die Koalition folgende Maßnahmen ergreifen (Koalitionsvertrag_2025.pdf):

  1. Eine steuerliche Begünstigung von Dienstwagen durch eine Erhöhung der Bruttopreisgrenze bei der steuerlichen Förderung von E-Fahrzeugen auf 100.000 Euro.
  2. Eine Sonderabschreibung für E-Fahrzeuge.
  3. Die Kfz-Steuerbefreiung für Elektroautos bis zum Jahr 2035.
  4. Ein Programm für Haushalte mit kleinem und mittlerem Einkommen aus Mitteln des EU-Klimasozialfonds, um den Umstieg auf klimafreundliche Mobilität gezielt zu unterstützen.
  5. Eine Förderung von Plug-In-Hybrid-Technologie (PHEVs) und Elektrofahrzeugen mit Range Extender (EREV) und entsprechende Regulierung auf europäischer Ebene.
  6. Den beschleunigten Ausbau und die Sicherstellung der Finanzierung eines flächendeckenden, bedarfsgerechten und nutzerfreundlichen Ladenetzes und des Schnellladenetzes für PKW und LKW und die stärkere Förderung des gewerblichen Depotladens.
  7. Befreiung emissionsfreier LKWs von der Mautpflicht über das Jahr 2026 hinaus.
  8. Förderung einer Wasserstoff-Ladeinfrastruktur für Nutzfahrzeuge.

„Wir werden die Voraussetzungen dafür schaffen, dass autonomes Fahren in den Regelbetrieb kommt.“

Des Weiteren heißt es:

„Wir werden den Aufbau der Batteriezellfertigung inklusive der Rohstoffgewinnung, des Recyclings und des Maschinen- und Anlagenbaus fördern. In der Stahl- und Automobilindustrie stehen wir vor enormen strukturellen Herausforderungen. Gleichzeitig muss die Verteidigungsindustrie sehr zügig und im großen Maßstab skalierbar wachsen. Wir prüfen daher, wie die Umrüstung und Ertüchtigung vorhandener Werke für die Bedarfe der Verteidigungsindustrie unterstützt werden können.“

Speziell letzterer Hinweis deutet auf die Konversion leerstehender Autofabriken ehemals dort produzierter Elektroautos in neue Fabriken für Verteidigungsgüter, wie die VW Werke Osnabrück oder Zwickau, in Zukunft möglicherweise auch die Tesla Fabrik in Grünheide. In Osnabrück beispielsweise plant MAN, schusssichere Fahrerkabinen für LKWs zu bauen.

Damit ist klar:

Zusammenfassend kommt der Focus zu folgender Bewertung. „Die schwarz-rote Koalition könnte man bei ihrer Verkehrspolitik als Marienkäfer-Koalition bezeichnen: viel Rot und ein paar schwarze Punkte. Und wer genau hinschaut, entdeckt einen grünen Untergrund.“

Dem kann man sich anschließen!

Anzeige
Die mobile Version verlassen