Tichys Einblick
Kanzlerin beim Start der E-Auto-Produktion

VW auf dem Klimatrip: Vorstandschef Diess fordert die CO2-Steuer

Der Staat soll es richten: Bei der Einweihung der E-Auto-Produktion übertreffen sich VW-Chef Diess und Kanzlerin Merkel mit staatswirtschaftlichen Plänen. In Indien hat Merkel gerade eine Milliarde Euro für 500 E-Busse und den Austausch von 2.000 alten Diesel-Bussen spendiert.

RONNY HARTMANN/AFP via Getty Images

Seit 11.15 Uhr wird elektrisch produziert. Im Volkswagen-Werk in Mosel bei Zwickau begann heute die Produktion des neuen ID.3. Der soll das erste massentaugliche Elektroauto sein und damit zugleich Grundlage für die neue Zukunft von VW. Für 1,2 Milliarden Euro hat VW in seinem Werk in Zwickau eine entsprechende Produktionslinie ausgebaut; es soll die am höchsten automatisierte Fabrik des Konzerns sein.

Im kommenden Jahr 2020 plant VW, 100.000 Elektroautos auf der Basis des modularen Elektrifizierungsbaukastens (MEB) zu produzieren. Dies wird mit Batterie im Fahrzeugboden und Elektroantrieb an der Hinterachse die künftige Plattform für die E-Autos von VW sein. Sie ist skalierbar und soll ähnlich wie seinerzeit Piechs Plattformstrategie als universelle Grundlage für Fahrwerk und Antrieb für viele Modelle von Kompakten über SUVs und sogar bis hin zu Nutzfahrzeugen dienen und so Kosten senken.

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VW bemühte sich, den Preis für den neuen ID.3 in der einfachsten Ausführung knapp unter 30.000 Euro zu halten. Das ist immer noch deutlich mehr als der einfachste Benzin- oder Diesel-Golf kostet. Dafür dürfte die Reichweite bei etwa der Hälfte des Golf 8 liegen. Offiziell wird sie mit 330 Kilometer angegeben. Mehr Reichweite gehört in der Elektrowelt zu den Sonderausstattungen. Größere Akkus kosten mehr.

Nach einer halben Stunde Ladezeit an einer sehr leistungsstarken 100 kW-Ladestation sollen 290 Kilometer drin sein, bei Autobahnfahrt weniger. Das funktioniert nur, weil die Höchstgeschwindigkeit auf 160 km/h begrenzt ist. Mit den meisten Dieselfahrzeugen lassen sich mit einer Tankfüllung fast 900 Kilometer erreichen.

Das ID.3-Interieur besteht aus preiswertem Hartplastik; mit seinem Gewicht von 1,7 Tonnen ist der Wagen so schwer wie ein SUV, mit größerer Batterie geht er sogar deutlich darüberhinaus. Eingebaut wurden wie in alten Zeiten preisgünstige einfache Trommelbremsen. Die sollen allerdings in Verbindung mit einem bremsenden Elektromotor an der Hinterachse Vorteile bieten, wirbt das Marketing von Volkswagen.

Mindestens 1,8 Milliarden Euro kostete die Entwicklung der neuen ID.3 Generation. Der neue Golf 8 muss zunächst dieses VW-Elektroabenteuer finanzieren. Nach den horrenden Strafzahlungen von etwa 25 Milliarden Euro hat VW nicht mehr genügend Reserven, um die Verbrennertechnologie weiter voranzutreiben.

Volkswagen hat sich unter Herbert Diess (»Ein Auto für die Mitte der Gesellschaft«) zu diesem fundamentalen Wandel entschieden – nicht ohne Druck und kräftige Subventionen aus der Politik, die bei VW bekanntlich mit entscheidet. VW-Markengeschäftsführer Ralf Brandstätter: »Wir haben diesen Weg jetzt unwiderruflich eingeschlagen.« Er sagte übrigens auch schon mal: »Wenn die E-Mobilität keinen Ertrag abwirft, wird es eng.«

Das neue grüne VW redet flüssig von »CO2-Neutralität«, beruft sich auf das Pariser Klimaabkommen und will 2040 den Verkauf von Modellen mit Benzin oder Diesel vollständig einstellen. »Ohne Elektroauto können wir den Kampf gegen den Klimawandel nicht gewinnen!« sagte Diess bei der Zeremonie und forderte Planwirtschaft: »Wir brauchen eine Besteuerung von CO2!« So werden Verbrennungsmotoren teurer.

VW will in Salzgitter auch eine eigene Batteriefertigung aufbauen, wie Diess verkündete. Während in Zwickau Begriffe wie CO2, Klimaziele und Pariser Abkommen nur so klingelten, hat in Südamerika die Regierung von Bolivien mal eben den geplanten Lithium-Abbau gestoppt, an dem auch ein deutsches Unternehmen beteiligt war. Das entsprechende Joint Venture hat Präsident Morales annulliert. Vor einem Jahr wurde dieses deutsch-bolivianische Gemeinschaftsprojekt ins Leben gerufen, mit dem 30.000 bis 40.000 Tonnen des wichtigen Rohstoffes Lithium gewonnen werden sollte – ausreichend für Hunderttausende E-Autos mit Lithium-Akkus.

Merkel gibt Milliarden für E-Busse aus – in Indien

Bundeskanzlerin Merkel reiste zum Start des gewagten VW-Vorhabens nach Zwickau. Sie kam übrigens gerade aus Indien, wo sie eine Milliarde Euro für 500 E-Busse und den Austausch von 2.000 alten Diesel-Bussen verschenkt hatte, während in Stuttgart das Geld fehlt, Busse und den städtischen Fuhrpark umweltfreundlicher zu machen.

Merkel verkündete die Planvorgaben aus dem Kanzleramt an die Autoindustrie: bis 2030 solle es eine Million Ladepunkte für Elektroautos geben. Ursprünglich wollte sie, dass bis 2020 eine Million Elektroautos auf den Straßen fahren. Es sind bis heute etwas über 83 000.

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Sie hat nicht weiter ausgeführt, welche Kraftwerke den gewaltigen Strombedarf produzieren sollen. Kohle- und Kernkraftwerke werden gerade reihenweise abgeschaltet. Wie wenig Wind und Sonne liefern können, zeigt derzeit ein Blick in den Himmel und auf die Daten.

Merkel bemühte in Zwickau wieder die »Digitalisierung« und meinte weiterhin, die Mobilität der Zukunft werde auch »vernetzter als gedacht«. Wie die Vernetzung über Funk praktisch aussieht, belegten gerade Rettungsdienste in Brandenburg. Die meldeten einen Unfalltoten, der nicht gerettet werden konnte, weil Ersthelfer mit ihren Handys keinen Rettungsdienst anrufen konnten. Sie befanden sich im Funkloch.

Je weniger funktioniert, desto lauter die Propaganda. »Masterplan Ladeinfrastruktur« und »Nationale Leitstelle« heißen auch in Zwickau die markigen Sprüche über das, was noch geschaffen werden müsste. 3,5 Milliarden Euro sollen laut Merkel in die Tank- und Ladeinfrastruktur für Pkw und Lkw mit »CO2-freien Antrieben« investiert werden. 50.000 Ladepunkte sollen binnen kurzem aus dem Boden gestampft werden. VW also voll auf dem Klimatrip. Aus der Vorstandsetage tönt unisono und mit voller Lautstärke das hohe Lied von der Elektromobilität. Was der Kunde will, spielt keine Rolle.

Erst als Rentner, so scheint es, erheben Vorständler ihre kritische Stimme, wie gerade Peter Gutzmer getan hat. Der hat als Technikvorstand bei dem Autozulieferer Schaeffler unter anderem den Bereich E-Mobilität mit aufgebaut. Denn ihm war klar, dass ein Zulieferer auch diesen Sektor abdecken können muss. Jetzt aber warnte er auf dem Expertenforum Powertrain der Autofachzeitschrift ATZ davor, zu sehr auf Elektromobilität zu setzen und die Benzin- und Dieseltechnologie nicht mehr weiter zu entwickeln. Diese Antriebsformen seien dem elektrischen Antrieb überlegen.
Der »CO2-Hype« sorge für falsche Weichenstellungen. »Wir haben aktuell 1,3 Milliarden Autos auf der Welt, in den nächsten zehn Jahren kommen jedes Jahr 80 bis 90 Millionen neue Autos dazu, überwiegend mit Verbrennungsmotor. Es muss also darum gehen, den Verbrenner zu optimieren.« Verbote schadeten der deutschen Industrie. Gutzmer: »Wenn wir unser führendes Wissen in der Verbrennungstechnologie aufgeben, werden sich die anderen totlachen.«

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