Tichys Einblick
Politische Willkür angeprangert

Umweltbundesamt: Rechenfehler bei Studie

Die EU kann bis heute nicht erklären, warum sie willkürlich einen 2,5 fach niedrigeren Grenzwert festgelegt hat als in den USA. Einen medizinischen Grund dafür gibt's nicht, NO2-Empfindlichkeit hängt schwerlich vom Pass ab.

© Sean Gallup/Getty Images

Der Skandal um die Diesel-Fahrverbote wird immer größer. Jetzt spricht Prof. Peter Morfeld, Mathematiker und Epidemiologe von der Ruhr-Universität in Bochum, in einem ARD-Beitrag Klartext: »Wir müssen klar sagen, dass wir so etwas wie vorzeitige Todesfälle gar nicht bestimmen können.« BILD zieht nach.

Morfeld ist einer der wenigen Wissenschaftler, der sich auch bereits in der Vergangenheit kritisch zu den Rechenspielereien geäußert hat, die die Grundlage der Dieselfahrverbote bilden. Ergebnis war, dass er als Autolobbyist verunglimpft wurde.

Er weist darauf hin, dass es keine Daten gebe, die »vorzeitige Todesfälle« belegen könnten. Denn dazu müssten zwei gleichartige Menschen verglichen werden, die sich nur durch unterschiedliche NO2-Belastung unterscheiden dürften. Erst so kann man die Wirkung von NO2 herausfinden. Doch solche Daten gibt es nicht. Die epidemiologische Methode, mit Hilfe rechnerischer Formeln die Folgen von NO2-Belastungen zu ermitteln, sei falsch. Morfeld laut ARD: »Diese große, plakative Wirkung mit den vielen Todesfällen, die ergibt sich nur, wenn ich die Formel falsch anwende.«

Es kann nicht gelingen, selektiv die Wirkung von NO2 zu ermitteln; zu viele andere Faktoren spielen in der Luft mit. In vielen Studien wird daher lediglich versucht, Luftschadstoffe in einer Region mit Krankheitsraten zu korrelieren und daraus eine Kausalität herauszufischen. Das geht schief.

So »errechneten« Epidemiologinnen vom Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (HMGU) in jener mittlerweile legendären Studie für das Umweltbundesamt 6.000 vorzeitige Tote. Mit diesem Begriff soll mit Zahlen schockiert werden. Nicht umsonst hält Prof. Morfeld diesen Begriff für ungeeignet. Doch sie dient als wesentliche Begründung für die Dieselfahrverbote.

Die Kaffeesatzleserinnen um die Institutsdirektorin Prof. Dr. Annette Peters wollen sogar eine personalisierte Medizin für die Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus und Lungenerkrankungen entwickeln. »Dafür untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil.« Doch welche Aussagekraft haben ihre Ergebnisse, die auf windige Weise zustande kommen?

Die EU wiederum kann bis heute nicht erklären, warum sie willkürlich einen 2,5 fach niedrigeren Grenzwert festgelegt hat, als er in den USA gilt. Einen medizinischen Grund dafür gibt es nicht, die NO2-Empfindlichkeit hängt wohl schwerlich vom Pass ab.

Morfeld fordert laut ARD-Bericht »eine Versachlichung der Dieseldebatte«. Andernfalls könnte das Vertrauen der Bürger in Politik und Wissenschaft erschüttert werden – vor allem angesichts anstehender Dieselfahrverbote und drohender finanzieller Verluste für die Betroffenen.

Das Vertrauen aber ist bereits weg, wie die regelmäßigen Demonstrationen gegen Diesel-Fahrverbote in den Städten zeigen. Merkwürdige Messungen tragen dazu bei wie jene in Oldenburg, wo die Abgaswerte hochschnellen, auch wenn kein Auto auf der Straße fährt.

Mit zum Vertrauensverlust beigetragen haben auch die lauten Aktivitäten des äußerst dubiosen Abmahnvereines »Deutsche Umwelthilfe e.V.«. Ungehindert und sogar mit Millionenhilfe von der Bundesregierung unterstützt konnte sich der Verein erlauben, Städte mit willkürlichen Klagen zu überziehen. Richter prüfen nicht mehr den Einzelfall, sondern winken Urteile durch, ohne die Verhältnismäßigkeit unter die Lupe zu nehmen, wie es das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vor einem Jahr auch gefordert hatte. Medien spielen zudem den Chef dieser NGOs hoch, als wäre er der Weltenretter.

Morfeld fordert jetzt das Umweltbundesamt auf, den Bericht zu den 6.000 vorzeitigen Todesfällen zurückzuziehen: »Sicher ist das ein schwieriger Schritt für das Umweltbundesamt, aber ich halte ihn für überfällig.« Dem schließt sich der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Oliver Luksic, an und fordert die Bundesumweltministerin Schulze auf, das Umweltbundesamt anzuweisen, die kritisierte Studie zu korrigieren und zurückzunehmen. »Es ist ein Skandal, dass die nachgeordnete Behörde Umweltbundesamt mit dem so nicht haltbaren Argument von 6.000 vorzeitigen Todesfällen auch eine falsche Grundlage für unverhältnismäßige Fahrverbote liefert, mit allen massiven Folgeproblemen.«

Die Bundesumweltministerin solle sich endlich im EU-Rat für ein Moratorium bei der Umsetzung der Richtlinie sowie eine Überprüfung des Grenzwertes, die in Brüssel in ihr Ressort fallen, einsetzen:

»Per Verordnung muss die Ministerin endlich den Spielraum der Richtlinie mit präzisen Vorgaben für Messverfahren und Modellrechnungen ausnutzen, hier kann sie von ihrem SPD-Parteifreund Landesumweltminister Lies aus Niedersachsen einiges lernen. Die Uneinigkeit der Bundesregierung kostet Millionen Diesel-Fahrern viel Geld und schadet mittlerweile auch massiv einer deutschen Schlüsselindustrie.«

Einigermaßen verblüffend ist, dass das Umweltbundesamt jetzt erstmal Rat sucht. Und zwar Rat ausgerechnet in den USA. Dabei sehen amerikanische Wissenschaftler seit langem keinerlei Belege für solch absurd niedrige NO2-Grenzwerte, wie sie in der EU gelten. Sie empfahlen sogar einen fast dreimal höheren NO2-Grenzwert von 100 µg/m3. Das wiederum wollten die europäischen grünen Hardcore-Wissenschaftler in den gemeinsamen Konferenzen aber nicht hören, wären ihnen doch die nicht begründeten Grenzwerte um die Ohren geflogen.

Der ARD-Bericht zitiert übrigens noch den Direktor des Instituts für Biologische Sicherheitsforschung in Halle (Saale), Professor Alexander Kekulé. Der ist von Haus aus Biochemiker und war früher Mitglied der Regierungskommission für Bevölkerungsschutz und untersuchte auch jene WHO-Protokolle. Sein Ergebnis: Es gebe in den WHO-Studien keine belastbaren Erkenntnisse, ab welcher Dosis NO2 gefährlich sein könnte.

Kekulés Arbeiten beziehen sich wohlgemerkt nicht auf epidemiologische, sondern auf wissenschaftlich »richtige« toxikologische Studien, sind also als handfest anzusehen. Kekulé zur ARD: »Das ganze Verfahren zur Festlegung der Grenzwerte war aus Wissenschaftlersicht zum Fremdschämen.«

Jetzt müssen Peters bei Helmholtz in München und das Umweltbundesamt offenbar erst einmal in den USA nachfragen, wie denn die Formel gemeint war. Denn das Umweltbundesamt stehe mit dem US-amerikanischen »Institute for Health Metrics and Evaluation« in Kontakt, einem der führenden Institute auf dem Gebiet der Krankheitslaststudien. Das Umweltbundesamt will nach eigener Aussage »offen mit Kritik umgehen und die Anwendung der Formel überprüfen«.

Umgekehrt läßt sich der Schluss ziehen, wie unbedenklich die Luft ist. Es scheint ziemlich mühevoll zu sein, Messwerte durch manipulativ aufgestellte Messstationen und dann schließlich durch wilde Modellrechnungen soweit zu verschärfen, dass wenigstens noch ein paar geringfügige Überschreitungen herauskommen und Fahrverbote irgendwie gerechtfertigt werden können.

Zum Vergleich: Bei Stickstoffdioxid gilt eine Konzentration von 1.900 – 9.500 µg/m³ als Geruchsschwelle, ab der man das Gas »süßsauer, bitter« wahrnimmt. Ab 9.500 – 19.000 µg/m³ werden leichte Schleimhautreizungen registriert. Erst ab hohen Dosen von 47.000 µg/m³ treten Brustschmerzen, Atemnot, Husten, Bronchitis auf, sie gelten als gewöhnlich komplett reversibel. Bei 95.000 – 268.000 µg/m³ drohen Bronchiolitis und fokale Lungenentzündung. Möglich sind irreversible Lungenschäden. Ab einer Konzentration von 1.912.000 µg/m³ ist NO2 innerhalb weniger Minuten tödlich.

Der EU-Grenzwert liegt derzeit bei 40 µg/m3, das im Jahresmittel nicht überschritten werden soll. Der natürliche Hintergrund liegt bei 10 bis 20 µg/m3. Bei Gewitter werden diese Werte schon einmal drastisch überschritten. Und in den USA gelten 103 µg/m3 als Grenzwert.


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