Toyota ist und bleibt ein Phänomen. Da ziehen die Einen gerade auf bestem Ackerland gigantische Batteriefabriken für Elektroautos hoch, die Anderen bringen gerade voller Stolz nach jahrelangen Bemühungen erstmals konkurrenzfähig geglaubte neue Batterie-Elektroautos (Electric Vehicle) im Hochpreissegment auf den Markt, die Dritten legen Giga-Transportschiffe auf Kiel, um ferne Kontinente mit billigen Elektroautos zu versorgen – erobern geht nicht wegen fehlender Konkurrenz – oder bauen gleich dort ganze Fabriken. – Und was macht Toyota?
Toyota investiert in eine völlig neue Generation von kleineren und sparsamen Verbrennungsmotoren in einer Zeit, wo die ganze Autoindustrie voll auf dem Batterie-Elektro-Trip ist und ihre Verbrennertechnologie mit Ansage über Bord wirft. Und geht dafür eine Allianz ein mit den japanischen „Autozwergen“ Subaru und Mazda, der eine für geländegängige Allradantriebe, der andere fürs Festhalten am Wankelmotor bekannt; das einzige Subaru Elektroauto Solterra ist technisch baugleich mit dem Toyota bZ4X. – An beiden Unternehmen hält Toyota Minderheitsbeteiligungen.
Ziel des Allianz-Gründers Toyota ist es, die Verbrennungsmotoren nicht abzuschaffen, sondern
- zu verkleinern, um sie kraftstoffärmer und effizienter zu machen;
- zu dekarbonisieren, indem sie mit verschiedenen kohlenstoffneutralen Kraftstoffen kompatibel gemacht werden.
Gleichzeitig die klassische Fahrzeugkarosserie durch kleinere und kompaktere Antriebe strukturell in Richtung kleinerer Motorraum und geräumigere Fahrgastzelle zu verändern, und durch die Entwicklung sauberer, kompakterer Motoren, die mit CO2-neutralen Kraftstoffen, sogenannten eFuels, betrieben und mit Hybridsystemen kombiniert werden können, der altbewährten, weltweit in 1,6 Milliarden Vehikel verbauten Verbrennertechnologie ein Weiterleben zu ermöglichen. Bis irgendwann in ferner Zukunft Mobilität auf der Straße rein elektrisch vonstatten gehen kann.
Jeder der drei Allianz-Partner verfolgt dabei eigene Ziele durch motortechnische Adaptionen an seine Motorenpalette. Für den Weltmarktführer Toyota ist diese Allianz insofern ungewöhnlich, zum einen weil sie technische Innovationen betrifft, die das Unternehmen sonst immer allein gestemmt hat, zum anderen wegen des Zeitpunkts, wo doch die gesamte Automobilwelt in der Alten wie der Neuen Welt dabei ist, sich offen oder versteckt vom Verbrenner zu verabschieden. Toyota macht das Gegenteil!
Um dieses spektakuläre Bekenntnis des „Weltmeisters“ zum Verbrenner richtig einzuordnen, zunächst einige Anmerkungen zum Branchenriesen Toyota aus Toyota-City. Mit elf Millionen verkauften Automobilen und über dreißig Milliarden Gewinn im Jahr ist Toyota der weltgrößte und ertragsreichste Autohersteller der Welt – ein Autogigant! Und ist dabei bis zum heutigen Tage Familienunternehmen geblieben, gegründet am 28. August 1937 von Kiichiro Toyota (Näheres dazu: Phänomen Toyota – Erfolgsfaktor Ethik).
Der japanische Autokonzern taucht so gut wie nie mit Negativ-Schlagzeilen in den Medien auf, ist bei spektakulären technischen Innovationsmeldungen in der Autoindustrie seit seiner Gründung nie in vorderster Reihe – mit den Ausnahmen zum einen bei der Erfindung des revolutionären Toyota-Produktionssystems in den 50ern, zum zweiten bei der innovativen Hybridisierung des Motorantriebs in den 80ern – und hat als einer der letzten Hersteller und äußerst zögerlich mit dem Bau von reinen Elektroautos begonnen.
Diese Strategie stieß bei Investoren und Analysten auf Kritik, die sich in der Vergangenheit noch durchaus lobend zur Toyota-Umweltstrategie geäußert hatten. Diese Stimmen sind inzwischen verstummt. Denn Toyota gilt als ein Vorreiter bei Hybridfahrzeugen und brachte bereits vor einem Vierteljahrhundert mit dem Prius das erste Hybridauto auf den Markt, erntete dafür früher viel Spott, heute erst im Zeitalter der CO2-Senkung jetzt so richtig die Früchte dieser Entscheidung. Nebenbei sei erwähnt: Im gerade zu Ende gegangenen Geschäftsjahr 2023/24 hat Toyota dank der steigenden Verkaufszahlen seiner Hybride einen Rekordumsatz, -absatz und -gewinn erzielt.
Doch auch Hybrid-Erfinder Toyota hat erkannt, dass er mittelfristig nicht an der batteriebetriebenen Mobilität vorbeikommt. Der Druck der Öffentlichkeit, die Erfolge von Tesla und vor allem die aufkommende weltweite Ächtung der fossilen Verbrenner wegen der klimaschädlichen CO2-Emissionen zeigten Wirkung.
Weiteres besonderes Toyota-Merkmal: Wechsel in der Führung des Familienunternehmens gehen stets geräuschlos über die Bühne. Der Enkel des Toyota-Gründer, Akio Toyoda (66), gab – für die Öffentlichkeit völlig überraschend – zum 1. April 2023 seinen CEO-Posten ab und übernahm die Position des Chairmans. Sein Nachfolger als Toyota-Chef wurde der bisherige Chef der Luxus-Tochter Lexus, Koji Sato (53), ein Toyota-Gewächs, der 1992 seine Berufslaufbahn bei Toyota begann. Satos Aufgabe sei es, Toyota zu einem „Mobilitätskonzern“ umzubauen, sagte Chairman Akio Toyoda. Näher zu den Plänen für das Unternehmen äußerten sich die beiden Manager damals jedoch nicht.
Heute, ein Jahr später, wird die Strategie deutlicher: Rückkehr und Renaissance des Verbrenners, solange bis die Verbrenner-Technologie in ferner Zukunft irgendwann durch reine Batterie-Elektromobilität abgelöst wird. Die Strategie dahinter heißt: Multipathway. Dahinter verbirgt sich ein mehrgleisiger Ansatz der Allianz-Unternehmen Toyota, Subaru und Mazda zur Senkung der CO2-Emissionen nicht ohne, sondern mit Beibehaltung und Weiterentwicklung der Verbrennertechnologie.
Laut Automobilwoche (Verbrenner-Allianz: Warum Toyota, Subaru und Mazda eine neue Motoren-Generation entwickeln | Automobilwoche.de) wurde diese Idee vom früheren Toyota-Vorsitzenden Akio Toyoda entwickelt, der darauf beharrte, dass batterieelektrische Autos nur eines von vielen technischen Instrumenten zur CO2-Minderung sind. Toyoda vertritt die Ansicht, dass die Verbrennung von saubereren Kraftstoffen ebenso eine Rolle spielt wie die Entwicklung von Hybridantrieben.
Der Clou an dem Ganzen:
- Die drei japanischen Autobauer setzen auf die nächste Generation von Verbrennungsmotoren als Schlüsseltechnologie zur Senkung der CO2-Emissionen, auch wenn der Rest der globalen Autoindustrie zunehmend auf Elektroantrieb umstellt.
- Durch die Entwicklung sauberer, kompakterer Motoren, die mit CO2-neutralen Kraftstoffen betrieben und mit Hybridsystemen kombiniert werden können, wollen die Partner der jahrhundertealten Verbrenner-Technologie neues Leben einhauchen.
Für die internationale Autoindustrie ist das ein Weckruf wie Donnerhall!
Die revolutionäre Idee hinter dem Ganzen verbirgt sich hinter zwei Zielen:
- Zum einen entwickelt die Verbrenner-Allianz eine völlig neue Motorenfamilie. Die Aggregate sollen sauberer, leistungsstärker und kleiner sein als heutige Motoren und mit verschiedenen synthetischen Kraftstoffen betrieben werden können. Zudem ist nach Unternehmensangaben eine Kombination mit Hybridantrieben möglich. Prototypen liegen bereits vor.
- Diese neuen kleineren und kompakteren Motoren will Toyota in radikal veränderte Karosserien einbauen, die für die Mobilitätsbedürfnisse der Zukunft und für die Elektrofahrzeuge von morgen besser geeignet sind. Das Design der künftigen Autos zeichnet sich durch niedrige Motorhauben und geräumige Fahrgastzellen aus. Laut Hiroki Nakajima, Chief Technology Officer von Toyota, in einer Vorschau auf die Antriebsstrang-Technologie vor der offiziellen Ankündigung werden sich diese Motoren völlig von den heutigen Motoren unterscheiden.
Die neue Verbrennermotoren-Generation soll in naher Zukunft auf den Markt kommen. Einen konkreten Zeitplan gibt es zwar noch nicht, wohl aber Prototypen der neuen Motoren, die Toyota CEO Koji Sato mit seinen Partnern Mazda CEO Masahiro Moro und Subaru CEO Atsushi Osaki Mitte Mai auf der Pressekonferenz präsentierten.
Auffallend ist: Die Allianz-Partner gehen mehrgleisig vor und entwickeln unterschiedliche Lösungen und haben eigene Pläne für verschiedene Ansätze zur CO2-Neutralität:
- Mazda wird an der Verbesserung seines charakteristischen Kreiskolbenmotors arbeiten, damit er mit einer Reihe von CO2-neutralen Kraftstoffen betrieben werden kann. „Wir sind uns einig, dass der Feind der Kohlenstoff ist“, sagte Ichiro Hirose, Chief Technology Officer von Mazda. „Die Umstellung auf Elektrofahrzeuge wird schrittweise erfolgen. Es wird nicht sehr schnell gehen. In der Zwischenzeit brauchen wir einen Verbrennungsmotor, der zur Kohlenstoffneutralität beiträgt.“
- Subaru wird seinen horizontalen Boxermotor für den Betrieb mit einem elektrifizierten Hybridsystem weiterentwickeln.
- Toyota verspricht CO2-neutrale Verbrenner und neue Karossen. „Wir befinden uns noch in der Übergangsphase, in der wir Motoren als Teil der Lösung benötigen“, sagte Nakajima. „Dies könnte eine bahnbrechende Lösung sein. Dieses neue Triebwerk hat viel Spielraum.“ In Zukunft könnten die Motoren der nächsten Generation annähernd CO2-neutral sein, indem sie mit synthetischem Kraftstoff, Biokraftstoff oder schließlich mit sauber verbrennendem Wasserstoff betrieben werden.
Im Januar 2024 verkündete Chairman Akio Toyoda, dass sein Unternehmen „die Motorenentwicklung neu vorantreiben“ werde und ein neues Programm auf den Weg bringe, für das CEO Koji Sato grünes Licht gegeben habe. Die Kombination von Toyotas kommenden Motoren mit Hybridsystemen der nächsten Generation könnte für den weltweit größten Anbieter von Benzin-Elektro-Antrieben eine besonders wirkungsvolle Kombination sein (Verbrenner-Allianz: Warum Toyota, Subaru und Mazda eine neue Motoren-Generation entwickeln | Automobilwoche.de).
Die neuen Triebwerke werden kürzer und schmaler als ihre Vorgänger sein. Zum einen passen sie durch geringere Abmessungen besser in kommende schlankere EV-Designs. Dem Vernehmen nach arbeitet Toyota bereits an einer EV-Plattform der nächsten Generation, die auf diesen Konzepten basiert und die ab 2026 in einem Lexus-EV-Serienmodell eingesetzt werden soll. Zum anderen kann die neue Silhouette sowohl für die nächste Generation von E-Autos als auch für Fahrzeuge mit den neuen Verbrennern verwendet werden.
Die Konsequenzen von Toyotas Verbrenner-Strategie für die Weltautomobilindustrie, vor allem im Premium-Bereich sind gravierend: Die etablierten Autokonzerne werden sich kritischen Fragen selber stellen – und stellen müssen! Von der Electric-Only-Politik in Brüssel und Berlin ganz zu schweigen.
Toyotas Zuversicht in die Zukunft des Verbrennungsmotors kommt zu einer Zeit, in der die gesamte Welt-Automobilindustrie – vom Yangste bis ins Aller Urstromtal – noch voll auf dem Batterie-Elektro-Trip sind. Da zugleich die Wachstums-Euphorie beim Absatz von Elektrofahrzeugen weltweit erwartungsgemäß schwindet, kommt die internationale Auto-Community nicht daran vorbei, ihre Pläne für weitere massiven Investitionen in Batteriefabriken und nachhaltige Fabrik-Transformationen mit speziellen Montagelinien kritisch auf den Prüfstand zu stellen. – Und für Tesla CEO Elon Musk hat das den Vorteil, künftig nicht mehr auf Dächern neuer Gigafactories übernachten zu müssen.