Große Ereignisse und fundamentale Entwicklungen kündigen sich oftmals ganz klein und unscheinbar an. So auch Anfang September 2020 als drei völlig unvernetzte Meldungen quasi als Randnotizen in der Presse erschienen:
- Das Kraftfahrzeug-Bundesamt (KBA) teilte mit, dass die Pkw-Neuzulassungen im August 2020 mit 251.044 Einheiten um 20,0 Prozent niedriger waren als im August 2019. Dass aber alternative Antriebsarten im Vergleich zum Vorjahresmonat teils dreistellige Zuwächse aufwiesen:
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- Die Anzahl der reinen Batterie-Elektrofahrzeuge (BEV) nahm mit 16.076 Neufahrzeugen um +221,5 Prozent zu, ihr Anteil an den Neuzulassungen stieg damit auf 6,4 Prozent.
- Mit 46.188 Fahrzeugen waren die Zulassungen von Hybriden (+132,7 Prozent) jedoch dreimal so groß wie jene der reinen Elektroautos; mit einem Gesamtmarkt-Anteil von 18,4 Prozent aus;
- Eine herausragende Bedeutung unter den Hybrid-Zulassungen kam weiterhin den Plug-In-Hybride (PHEV)zu – also Autos mit dualen, getrennt befeuerten Antriebssystemen mit Verbrenner- und batteriegespeistem Elektromotor. Da der Elektromotor als Hauptantriebsaggregat gilt, und der Verbrenner nur zur Reichweitensicherstellung dienen soll, wird dieser Fahrzeugtyp nach der KBA-Statistik zur Kategorie der Elektrofahrzeuge gezählt: mit 17.095 Einheiten und einem Zuwachs von +447,9 Prozent stellten sie alles in den Schatten. Der Marktanteil lag mit 6,8 Prozent abermals deutlich höher als der von reinen Elektrofahrzeugen.
- Eine vergleichbare Zuwachsrate wies mit +453,7 Prozent im August auch die Elektromarke Tesla auf, gemessen an den Stückzahlen blieb sie aber mit 2.864 Einheiten und einem Marktanteil von 1,1 Prozent erheblich hinter der Plug-In-Hybrid –Zulassungen zurück.
- Im VW Konzern kündigt sich ein spektakulärer Strategiewechsel an. Der Sportwagenbauer Porsche will die Entwicklung synthetischer Kraftstoffe – sogenannter E-Fuels – künftig selbst maßgeblich vorantreiben. E-Fuels gelten als sinnvolle Alternative zur Elektromobiliät, um den Autoverkehr nachhaltig klimafreundlicher zu machen. Nur gibt es sie bisher noch nicht; Wasserstoff in Kombination mit der Brennstoffzelle ist im Pkw-Bereich nicht zielführend. Porsche will das ändern. Laut Porsche-Entwicklungschef Michael Steiner kommt man mit der Elektromobilität – so begeisternd sie auch sei – allein nicht so schnell voran in Sachen Umweltschutz wie eigentlich notwendig. Vor allem der Welt-Altbestand von 1,6 Milliarden Verbrennerautos sei eine drückende CO2-Bürde. Die E-Fuel Motor-Technologie ist laut Steiner vor allem deshalb so wichtig, weil der Verbrennungsmotor die Autowelt noch viele Jahre dominieren wird. „Wenn man die Bestandsflotte perspektivisch nachhaltig betreiben will, dann sind E-Fuels ein elementarer Bestandteil“. Die gleiche Meinung vertritt auch VW-Gesamtbetriebsrat Bernd Osterloh. – Damit wird zum ersten Mal von Verantwortlichen der Automobilindustrie die Höhe des Welt-Pkw-Altbestands als strategisch Größe für jedwede Umweltanstrengungen der Branche als strategischer Knackpunkt berücksichtigt.
- Tesla-Chef und Innovator Elon Musk hat Anfang September 2020 ohne übliches PR-Getöse und nahezu klammheimlich für mehrere Tage Deutschland besucht. Und hat dabei natürlich den Neubau seiner Fabrik „in Berlin“ besucht („Deutschland rockt“), und hat bei ansonsten ungewohnt öffentlichkeitsscheuem Besucherprogramm viele Gespräche mit VIP´s aus Politik und Wirtschaft geführt.
Fügt man diese Puzzle-Meldungen zusammen so könnten sich bei langjährigen Branchenexperten folgende Visionen einer zünftigen Neuordnung der deutschen Automobilindustrie ergeben:
- Elon Musk mit seiner Marke Tesla wird Teil der deutschen Autoindustrie. Das ist sicher, allein schon deswegen, weil nach Inbetriebnahme der Tesla-Fabrik in Grünheide Musk als ordentliches Mitglied im Verband der deutschen Automobilindustrie aufgenommen werden muss: Opel und Ford als ausländische Töchter sind ja ebenfalls dabei. Dass es da nach dem handstreichartigen Vorhaben Elon Musks, in Deutschland eine Gigafabrik zum Bau von Elektroautos zu bauen, Gesprächsbedarf mit wirkmächtigen Vertretern der deutschen Autoindustrie wie Diess et.al. gibt, steht außer Frage. Aus dem bisher Gejagten Tesla wird der zukünftige Kollege Musk!
- Der Markt für Elektroautos in der Preis-Oberklasse wie Tesla sie baut und in die alle deutschen Nobelhersteller vorstoßen wollen, ist begrenzt. Rechnet man die geplanten Kapazitäten für E-Autos in Deutschland und Frankreich zusammen so ergeben sich Größenordnungen von ca, 4 Millionen p.a.. Rein rechnerisch mag das der europäische Markt aufnehmen. Sollt sich aber -wie zu befürchten ist – dieses Angebot fast gänzlich auf den deutschen Markt konzentrieren , weil hier die Infrastruktur steht, geht die Rechnung nicht auf, für keinen Hersteller! Für alle ist kein Platz , selbst für Tesla nur in der Oberklasse nicht. Riesige Fehlinvestitionen bei allen drohen.
Wie heißt die alte Strategieregel: If you can´t beat them, join them! Da Tesla auf seinem Technologiefeld von den deutschen Hersteller – jedenfalls bislang – offensichtlich nicht zu schlagen ist, und der Fabrikneubau in Brandenburg Tesla automatisch zum Mitglieder der Branche macht, macht es Sinn, den Newcomer Tesla als künftigen Teil der deutschen Autoindustrie zu akzeptieren und zu integrieren. Volkswirtschaftlich sinnvoll, weil mit der geringsten Resourcenverschwendung verbunden, wäre das dann eine Arbeitsteilung in der Branche nach dem Motto: Jeder macht das, was er am besten kann! Daraus ergäben sich folgende Programm-Schwerpunkte:
- Markt für E-Autos (BEV): Tesla für die oberen Fahrzeugklassen, Volkswagen für die übrigen Klassen.
- Markt für Plug-In-Hybrid (PHEV) Hybrid-Automobile: alle deutschen Hersteller mit ihrem überragenden Verbrenner-Knowhow in allen Klassen
- Alle deutschen Hersteller treiben mit Hochdruck die Verbesserung der bisherigen Verbrennertechnologie weiter, zum einen weil weltweit über Jahrzehnte hochwertige und sparsame Automobile mit dieser Technologie nachgefragt werden, zum anderen, in Erwartung der kommenden Wasserstofftechnologie, die eine CO2 – neutrale, umweltfreundliche E-Fuel Befeuerung der Verbrenner, auch des Altbestands , zulässt.
Denkbar wären auch Kooperationen in der Form, dass Tesla den deutschen Nobelherstellern die Batterie-und Elektrotechnologie liefert, und umgekehrt diese an Tesla ihr Plug-In-Hybrid Knowhow. Denn Tesla hat keine Verbrenner-Kompetenz.
Wichtig bei dieser Vision: es ist einen Win-win Situation für alle Beteiligten, für Elon Musk und Tesla wie für die gesamte deutsche Autoindustrie.