Tichys Einblick
Musks neue Wachstumsstrategie

Tesla: Der nächste Angriff auf die tradierte Autoindustrie rollt

Die nächste Auto-Revolution aus dem Hause Elon Musk ist schon geplant. Diesmal geht es nicht ums Produkt, sondern um die Produktionsweise. Die Ära des Fließbands von Henry Ford soll zu Ende gehen.

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IMAGO / NurPhoto

Bei der nächsten, schon erkennbaren Revolution der Autoindustrie steht nicht das Produkt, das Automobil, im Mittelpunkt, etwa wie bei der letzten: Autonomes Elektroauto löst gesteuertes Verbrennerauto ab. Diesmal geht es um den Produktionsprozess: wie, auf welche Weise und zu welchen Kosten ein Auto produziert wird.

Auch diesmal ist der Revolutionär im Süden der USA unweit der mexikanischen Grenze beheimatet, will aber nicht arme Bauern von ausbeuterischen Feudalherren, sondern den Weltautomobilmarkt von alteingesessenen oligopolistischen Autoherstellern befreien. Die im Prinzip immer noch, wie vor 100 Jahren zu Henry Fords Zeiten, Autos in Fließbandtechnik zusammenbauen. 

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Und der Revolutionär heißt auch nicht Emiliano Zapata, sondern Elon Musk, und ist Erfinder des Elektroautos als omnipotent vernetztem und fahrendem Computer und Gründer der Automarke Tesla. Die er innerhalb von 10 Jahren zur am schnellsten wachsenden Automarke und mit der er sich selbst zum reichsten Mann auf dem Globus gemacht hat – zumindest auf dem Papier.

Nachdem „Zapata Musk“ vor gut einem Jahrzehnt das ehrwürdige Auto mit Zylinder und Verbrennungmotor vom Sockel gestoßen und durch ein elektronisch allumfassend vernetztes, mit Batteriestrom betriebenes und im angestrebten Endstadium der Entwicklung tatsächlich „auto“-mobil fahrendes Vehikel ersetzt hat, wendet er sich jetzt dem Produktionsprozess zu. 

Die treibende Kraft dahinter sind die Produktionskosten. Diese sind bei seinen meistverkauften Tesla-Modellreihen Model 3 und Model Y zu hoch, um den Massenmarkt erobern zu können. Und genau das ist das Ziel von Elon Musk – nicht 2 Millionen Absatz wie für 2023 geplant, sondern 20 Millionen binnen weniger Jahre. 

Spezielle „Investorentage“ waren in der Vergangenheit die Plattform, auf der Tesla-Chef Elon Musk immer seine spektakulären Zukunftsvisionen und Pläne seiner Fangemeinde vorgestellt hat. Als gewiefter PR-Mann weiß er natürlich sehr genau, dass bei so seltenen Ereignissen wie Investorentagen Kapitalanleger und Journalisten immer spektakuläre Ankündigungen aus dem Munde „ihres“ Innovations-Gurus erwarten. Das Tesla Wachstums-Narrativ muss gefüttert werden, Wachstum finanzieren traditionell Gläubiger und Kapitaleigner, nicht Musk selber.

Und in der Vergangenheit hat Musk auch zuverlässig geliefert: Mal waren es Tausende von autonom fahrenden Taxis für Großstädte, mal waren es futuristische Cyber-Cars oder spektakulär designte Elektro-Trucks, immer gab es irgendetwas Aufregendes aus der Tesla-Welt zu vermelden. Die Presse war voll davon, das war auch die Absicht. Dass die angekündigten Dinge dann im Verlauf der Zeit undone blieben, geriet zuverlässig kurz darauf in Vergessenheit und kümmerte in der Fangemeinde niemand mehr.

So war auch 2023 der Tesla-Investorentag, der Anfang März in den Werkshallen von Giga Austin (Texas) stattfand, mit großer Spannung erwartet worden. Doch entgegen allen Erwartungen und früheren Übungen hat Altmeister Elon Musk diesmal keine großartige Produktvorstellung oder Wachstumsvisionen geboten. „Es gab keine neuen Details über den kommenden Cybertruck, keine Neuigkeiten über Updates der Model-3-Limousine oder des Model-Y-Crossovers und keinen Vorgeschmack auf ein kommendes Mainstream-Modell, das einen massiven Wachstumszyklus einleiten soll“, wusste die Automobilwoche zu berichten (deren Bericht den nachfolgenden Überlegungen und Schlussfolgerungen zugrunde liegen). 

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Stattdessen wechselte CEO Elon Musk das Schlachtfeld und rückte völlig überraschend statt des Produktes den Produktionsprozess in den Mittelpunkt der künftigen Tesla-Strategie. Es gebe dringendere Herausforderungen für das langfristige Wachstum des Elektroautoherstellers als neue Produkte oder Produktfeatures – nämlich die Neuerfindung des Herstellungsprozesses, um Teslas für breitere Käuferschichten finanziell erschwinglich zu machen.
Tesla will die Herstellungskosten eines Autos halbieren 

Musk ist dabei, Henry Ford, dem Erfinder der Fließbandarbeit im Autobau, nachzueifern. Nach Ford kam in der Prozesstechnik des Automobilbaus jahrzehntelang nichts, dann kam das Toyota Produktionssystem in den 50ern und jetzt kommt Elon Musk 4.0! Tesla arbeitet an einem Plan zur Halbierung seiner Herstellungskosten. Denn der Tesla-Chef hat – völlig ohne renommierte Unternehmensberater – festgestellt, dass der Wunsch der Menschen, einen Tesla zu besitzen, „extrem groß ist“, die Fähigkeit der Menschen aber, sich einen hochpreisigen Tesla leisten zu können, extrem begrenzt ist. Nimmt man den Gesamtabsatz von Audi, BMW, Daimler und Porsche als Messlatte für das Hochpreissegment, so sind beim heutigen Tesla-Preisniveau allenfalls zehn Prozent des Weltmarktes von 80 Millionen Neuzulassungen p.a. quasi „teslafähig“.

Wobei für Musk potenzielle Wettbewerber wie Daimler, BMW, Volkswagen, Toyota oder Hyundai etc. als Wachstumsbremse bislang keine große Rolle spielen, wie Ex-VW Chef Herbert Diess frustriert feststellen musste, als Musk ihm bei einem Trip nach Grünheide in Wolfsburg zur Besichtigung der Palette der VW-Elektroautos kurz die Ehre gab. Der Neu-Grünheider aus USA habe nur gelächelt, wurde kolportiert. Ansonsten pflegt der Tesla-Chef bekanntlich lieber Kontakte zu Investoren oder Medien-Größen, wie Springer-Chef Mathias Döpfner, statt mit Autoleuten vom alten Schlag. In Stuttgart oder München wurde er noch nicht gesichtet, im Springer-Hochhaus schon.  

Das öffentlich verkündete Ziel Teslas ist ein weltweiter Absatz von 20 Millionen Fahrzeugen im Jahr 2030. Eine schier außerirdische Absatzgröße im Vergleich zu Teslas mühsam erreichten Auslieferungen von 1,3 Millionen Luxusautos und Crossovers im Jahr 2022 mit einem durchschnittlichen Verkaufspreis von etwa 65.000 Dollar. Finanzanalysten gehen davon aus, dass ein preislich erschwinglicherer Tesla – inoffiziell als Model 2 bezeichnet – in den USA einen Einstiegspreis von 25.000 bis 30.000 Dollar haben müsste, um mit beliebten Benzinern wie dem Toyota Corolla konkurrieren zu können (Automobilwoche).

Tesla hat zurzeit vier Automobilmontagewerke, sogenannte gigafactorys – in Kalifornien, Texas, Deutschland und China –, und hat vor, 2023 etwa zwei Millionen Fahrzeuge zu produzieren und zu verkaufen. Das wären in etwa ein Fünftel des Hochpreissegments. Für die absehbare Zukunft plant der Tesla-Chef ein jährliches Umsatzwachstum von 50 Prozent.

Musk gab auf dem Investorentag bekannt, dass das neue Tesla-Modell-2 größtenteils als autonomes Fahrzeug arbeiten wird, aber er erklärte nicht, wann das der Fall sein könnte. Derzeit ist kein Tesla-Fahrzeug in der Lage, autonom zu fahren. Im Gegenteil, eine Reihe von Gerichtsverfahren wegen Tesla-Unfällen sind anhängig. Analysten sind nicht nur skeptisch, ob Tesla in der Lage ist, in absehbarer Zeit selbstfahrende Autos zu produzieren, sondern stellen auch die optimistischen Verkaufsziele des Autoherstellers und seine Fähigkeit in Frage, seine hohen Gewinnspannen aufrechtzuerhalten, wenn er sich in die Niederungen der Massensegmente zu einem viel größeren Akteur in der Branche hin entwickelt.

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Die Analysten von Bernstein erklärten in einer Research Note nach dem Investorentag, dass Teslas tiefe Preissenkungen im Januar darauf hindeuten, dass das Unternehmen bereits unter dem Druck der Konkurrenz steht. „Es ist unwahrscheinlich, dass Tesla schnell genug neue Modelle auf den Markt bringen kann, um die Volumenerwartungen von 2,4 Millionen im Jahr 2024 zu erfüllen, zumal sich die Plattform der nächsten Generation noch in der Entwicklungsphase zu befinden scheint“, schrieb Bernstein. „Darüber hinaus glauben wir, dass die Preissenkungen die hohe Wettbewerbsintensität des Automobilmarktes unterstreichen, wo anhaltend hohe Margen und ein hohes Volumen beispiellos sind.“

Auf Grundlage dieser fundamentalen Erkenntnis über die heutige Gap zwischen Ist- und künftig notwendigem Soll-Preisniveau präsentierte Musk auf dem Investorentag – auch als Beitrag des Autoherstellers für den Übergang der Erde zu nachhaltiger Energie – einen „Masterplan“ für die Zukunft von Tesla als „globales Produktionskraftwerk“ Bei dem die Fabriken nur Einzelteile im Gesamtkontext seien.  

Mit dem Bau einer neuen Fabrik nach diesem Konzept soll es in Nordmexiko losgehen. Subventionen der Biden-Regierung nach dem IRA-Energieförderungs-Gesetz dürften dabei eine wesentliche Rolle spielen; die ursprünglich für Grünheide geplante Batteriefabrik ist dem Biden-Gesetz bereits zum Opfer gefallen.

Die Tesla-Führungskräfte sprachen davon, sie gäben einen detaillierten Plan für den Übergang zu einem Hersteller mit hohen Stückzahlen und niedrigen Kosten. „Wenn wir so skalieren wollen, wie wir es wollen, müssen wir die Fertigung neu überdenken“, sagte Lars Moravy, Teslas Vizepräsident für Fahrzeugtechnik. „Als Teil des Masterplans müssen wir einen Schritt in Richtung Kosten machen.“ 

Der Kostensenkungsplan beginnt mit der Konzeption einer neuen Universal-Fahrzeugplattform, der dritten für Tesla, die laut Moravy ein Portfolio von erschwinglicheren Modellen in verschiedenen Segmenten ermöglichen soll. Tesla beabsichtigt, die Kosten dadurch zu senken, dass die kleineren Fahrzeuge auf kleinerem Raum und mit höherer Arbeitsproduktivität zusammengebaut werden. Auch die Fabriken könnten so kleiner gebaut werden, weniger kosten und schneller vonstatten gehen. Giga ade!

Sam Fiorani, Vice President Global Vehicle Forecasting bei AutoForecast Solutions, beurteilt diese Idee vom Grundsatz her positiv. Tesla habe den Vorteil, mit einem solchen Produktionsplan ganz neu anzufangen, im Vergleich zu älteren Autoherstellern mit weniger Flexibilität. „Der Bau herkömmlicher Fahrzeuge ist mit vielen Arbeitsschritten verbunden, die mit dem Verbrennungsmotor zusammenhängen“, so Fiorani. „Die Verlegung von Abgasleitungen, die Verlegung von Kraftstoffleitungen, die Integration von Abgasreinigungssystemen, das Wärmemanagement und die Integration all dieser Komponenten in andere Systeme wie das herkömmliche Getriebe.“

Als Hersteller von Elektrofahrzeugen, der Fahrzeuge mit weit weniger beweglichen Teilen baut, kann Tesla den Fertigungsprozess neu gestalten und mit jedem neuen Montagewerk verfeinern, um die Produktivität zu steigern und die Kosten zu senken. „Irgendwann wird sich dieses Wachstum auf bescheidene Verbesserungen einpendeln und neue Werke werden sich einfach auf das etablierte System stützen“, sagte Fiorani. „Aber Tesla hat das Plateau noch nicht erreicht. Sie lernen und verbessern sich noch immer, und das neue mexikanische Werk wird von den in Schanghai, Austin und Berlin gewonnenen Erkenntnissen profitieren.“

Nach Teslas neuartigem Fertigungsprozess sollen die Beschäftigten statt der traditionellen Methode, bei der die Fahrzeuge langsam über ein langes Fließband laufen und an jeder Station nur ein kleiner Teil der Arbeit erledigt wird, große Unterbaugruppen bauen und sie auf kleinerem Raum zusammenfügen. Dadurch entfallen unnötige Arbeitsschritte, wie zum Beispiel das Abnehmen der Türen, um in den Innenraum zu gelangen, bevor sie wieder angebracht werden. „Wenn wir all diese getesteten Unterbaugruppen zusammensetzen, bauen wir das Auto schließlich nur noch ein einziges Mal zusammen“, sagte Fertigunggs-Chef Moravy. Er schätzt, dass die Ergebnisse zu einer 40-prozentigen Verringerung der Produktionsfläche und einer 50-prozentigen Verringerung der Produktionskosten im Vergleich zum Model 3 und Model Y führen werden, die auf der kompakten Plattform nach traditioneller Bauart aller Autohersteller aufbauen.

Auf die Arbeitnehmer kommen große Herausforderungen zu. Durch die Verkleinerung der Produktionsfläche rücken die Arbeitsplätze näher bis dicht zusammen, was zu klaustrophobischen Bedingungen führt, so Fiorani. Und eine höhere Arbeitsbelastung könnte zu einem Burnout der Mitarbeiter führen, sagte er. Dies alles vor dem Hintergrund, dass es in den Südstaaten der USA kaum Gewerkschaften in den Werken gibt, in Mexiko vermutlich überhaupt keine. 

Gewisse Ähnlichkeit mit Hühner-Legebatterien

Der Tesla-Techniker rechnet auch mit Kosteneinsparungen durch die Herstellung eigener, kostengünstiger Teile. Tesla stellt seine eigenen Elektromotoren her, und die nächste Antriebseinheit wird etwa 1000 Dollar pro Stück kosten, sagte Colin Campbell, Vice President of Powertrain Engineering. „Wir glauben nicht, dass irgendein anderer Autohersteller auch nur annähernd an diesen Wert herankommt“, sagte Campbell. Selbst das künftige Werk, in dem diese Motoren hergestellt werden, wird bei gleichem Ausstoß nur halb so groß sein wie das Werk in Texas, fügte er hinzu.

Tesla will dem Vernehmen nach auch Geld dadurch einsparen, indem es große einteilige Gussteile für Vorder- und Hinterachse verwendet, wodurch Hunderte von Teilen eingespart werden, und indem es einige seiner Batteriezellen in Werken in Kalifornien und Texas selbst herstellt, so die Führungskräfte. Der Autohersteller stellt auch auf kostengünstigere Lithium-Eisen-Phosphat-Batterien für günstigere Modelle um.

Für Tesla-Manager kommen Ausgaben vor Einsparungen

„In diesem Geschäft überlebt man oder man stirbt, weil man die Kosten im Griff hat“, sagte Zachary Kirkhorn laut Automobilwoche, Teslas erst jüngst installierter neuer Finanzchef. „All diese Arbeit zur Kostenreduzierung ist extrem wichtig, weil wir eine Menge Geld ausgeben müssen, um unsere Ziele im Rahmen des Masterplans zu erreichen.“ Kirkhorn schätzt, dass Tesla 150 bis 175 Milliarden Dollar aufwenden wird, um eine Jahresproduktion von 20 Millionen Fahrzeuge zu erreichen, die Batterieproduktion drastisch zu erhöhen und das Supercharger-Ladenetz auszubauen.

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Es wird nicht einfach sein. Fiorani wies aber auch auf Herausforderungen hin, Teslas unwahrscheinliches Ziel von 20 Millionen jährlichen Verkäufen mit nur zehn globalen Modellen, wie von Musk vorgeschlagen, zu erreichen. Das würde von den Autokäufern verlangen, dass sie eine weitaus geringere Auswahl akzeptieren, als sie die Konkurrenz normalerweise bietet. Lange Zeit bot Tesla seine Modelle nur in vier Farben an, heute sind es immerhin sieben.

„Die Erwartung, dass eine unbegrenzte Anzahl von Verbrauchern sich plötzlich nicht mehr für die Individualität ihres Autos oder Lastwagens interessiert, zeigt ein falsches Verständnis dieses Produkts und seiner Käufer“, sagte Fiorani. „Wenn das der Fall ist, sollten Mercedes-Benz, BMW, Porsche und viele andere Luxusmarken ihre Zelte einfach abbrechen.“ Und – unausgesprochen – wenn nicht, sollte Tesla seine Wachstumspläne einstampfen.

Doch Cory Steuben, Präsident der Automobilberatungsfirma Munro & Associates, sagte, Tesla scheine neues Selbstvertrauen zu haben, nachdem es die alteingesessene Autoindustrie erfolgreich herausgefordert habe. „Ich habe das Gefühl, dass Tesla nicht mehr unter dem Hochstapler-Syndrom leidet“, sagte Steuben, der am Investorentag teilnahm. „Die Entwicklung einer völlig neuen (Fahrzeug-)Architektur wird es ihnen ermöglichen, alle möglichen neuen Märkte zu erschließen, insbesondere im unteren Preissegment.“

Die Schlussfrage am Ende des Investorentages lautet: Sind die Tesla-Pläne realistisch? Hat Musk mit seinen Plänen eine neue Lawine in der altehrwürdigen Autoindustrie losgetreten? Kommt es zur Produktionsprozess-Revolution 4.0 oder kommt es nur zu einem Revolutiönchen? Mit bösem Erwachen von Elon Musk – nicht des Wettbewerbs?

Dazu folgende Abwägungen:

  1. Richtig ist, dass Elon Musk auf der Produktseite die „alte“ Automobilindustrie mit seinem innovativen Elektronik- und Batterie-basiertem Elektroauto Tesla kalt erwischt hat. Trotz vielfach und vollmundiger Tesla-Jagd selbst der Premiumhersteller konnte Tesla im Verständnis der Kunden trotz vieler Qualitätsmängel seinen technologischen Vorsprung bislang verteidigen, auch bei den Kunden. Nur als Hinweis: Bei VW wurde das mit viel Bohei propagierte Zukunftsmodell Trinity von CEO Blume zunächst auf Eis gelegt. Der Trinity war ein Prestigeprojekt des alten VW-Konzernchefs Herbert Diess. Geplant war ein Flachboden-Elektroauto mit neuer Elektronikstruktur, neuem Betriebssystem und Level-4-Autonomie zu massentauglichen Preisen. Möglicherweise diente dieses Projekt Musk als Blaupause.
  2. Richtig ist auch, dass trotz erheblich geringerer Bau-Komplexität eines Elektroautos – selbst in der hochvernetzten Tesla-Ausführung – bis dato Elektroautos bei allen deutschen Herstellern (auch bei Tesla in Grünheide et al. selber) mit der gleichen Produktionsphilosophie gebaut werden wie seit Henry Fords Zeiten, das heißt in tradierter, an den Bau von Verbrennerautos angepassten Fertigungstechnologie.
  3. Gelingt es Musk, auf das neue Produkt Elektroauto Model 2 auch eine maßgeschneiderte neue Produktionstechnik überzustülpen, wie Henry Ford seinerzeit – damals ebenfalls aus Kostengründen, weil sich jeder Ford-Arbeiter selber ein Auto leisten sollte – zur Produktion seiner schwarzen tin lizzy das Fließband entwarf, sind sicherlich erhebliche Kostensenkungen möglich.
  4. Sollte der neue Fertigungsprozess 4.0 bei Tesla erfolgreich sein, erhöht das den Druck auf die deutschen/europäischen Autohersteller gewaltig, sich ebenfalls anzupassen, auch in der Elektro-Produktpalette in den unteren Preissegmenten. Die bisherigen auf hohe Variantenvielfalt ausgelegten Autowerke müssen umgebaut oder abgeschrieben werden. Bekannt ist in diesem Fall das Narrativ: dass im Extremfall bei einer Jahresproduktion von Premiumautos von zwei Millionen kein Auto identisch vorkommt.
  1. Billige Autos haben dennoch einen Preis, allerdings keinen in der betriebswirtschaftlichen Kostenrechnung. Eine erfolgreiche Einführung eines neuen Automobil-Fertigungsprozesses 4.0 zieht drastische soziale Folgen nach sich. Bereits heute führt die totale Ablösung des Verbrennerautos durch das Elektroauto in der Gesamtbetrachtung zu Wertschöpfungsverlusten von circa 40 Prozent. Das meiste davon sind Personalkosten, das heißt ist überwiegend in einer geringen Beschäftigtenzahl zu verbuchen. Werkstilllegungen bei Ford Köln sowie anschwellende Proteste bei deutschen Zulieferern bestätigen das.
  2. Die von Musk zusätzlich angestrebten Kostensenkungen von 50 Prozent sind ausschließlich Personalkosten in den Fabriken, keine Materialkosten am Produkt. Das heißt, aus giga wird micro, die Beschäftigung in den Automobilwerken geht nochmals drastisch zurück. – Wohl gemerkt, das alles, wenn das neue Fertigungskonzept von Tesla so funktioniert, wie Musk es plant, um den Weltmarkt zu erobern.
  3. Der Kahlschlag in der Beschäftigung konzentriert sich allerdings nur auf die europäische Automobilindustrie, wo die Verbrenner nur noch bis 2035 dominieren dürfen. In den industriellen Zweit- und Drittländern der Welt dominieren ohnehin weiter die Verbrenner. Dort, ebenso wie in den USA, gewinnen die nationalen Automobilindustrien Beschäftigung hinzu aufgrund der Verlagerung der Verbrennerproduktion aus Europa.

US-Präsident Joe Biden fördert über den Inflation Reduction Act (IRA) die US-Industrie mit Milliarden Dollar. Und lockt Milliarden an ausländischen Investitionen in klimafreundliche Verwendungen wie Elektroautos und Batteriefabriken an.

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