Tichys Einblick
Preissenkungen

Tesla eröffnet Preiskampf auf Elektro-Automarkt

Tesla setzt seine aggressive Preispolitik fort und hat die Preise für seine Elektro-Autos deutlich gesenkt. Damit greift Elon Musk zum zweiten Mal innerhalb von drei Monaten tief in die Rabattkiste.

Elon Musk bei der Vorstellung des "Cybertruck" beim Tesla Design Studio in Hawthorne, Kalifornien, 10.04.2023.

IMAGO / USA TODAY Network

Schlägt der studierte Ökonom sein altes Lehrbuch über Marktformen und Wettbewerb auf, stößt er alsbald auf die Rubriken „Verdrängungswettbewerb“ und „ruinöser Preiswettbewerb“. Genau das Gleiche spielt sich zurzeit am Markt für Elektroautos ab, international und seit Freitag spektakulär auch am deutschen Markt. Eingeleitet hier wie auch anderswo auf der Welt durch Elon Musk mit seiner singulären Marke Tesla.

Bereits Ende 2022 hat Tesla mit spektakulären Preissenkungen bis zu 9000 US-Dollar in seinen wichtigsten Märkten China und USA, danach zu Jahresbeginn 2023 auch in Deutschland für hohe PR-Aufmerksamkeit gesorgt. In China führt das sogar zu TV-wirksamen Protesten von Alt-Kunden vor Tesla-Showrooms, die sich betrogen sahen, ansonsten aber blieb die Zunft der Autobauer zunächst einmal nur aufmerksam, aber nicht besorgt.

Das hat sich seit Freitag letzter Woche schlagartig geändert, zumindest in Deutschland. Tesla setzt seine aggressive Preispolitik mit einer erneuten Rabattaktion fort und bietet seine Elektroautos zu neuen Kampfpreisen an. Der amerikanische Elektroautobauer mit Giga-Fabrik-Tochter in Grünheide (Brandenburg) hat die Preise für seine E-Autos noch einmal deutlich gesenkt.

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Damit hat der quirlige Elektro-Marktführer und Twitter-Besitzer Elon Musk bereits zum zweiten Mal innerhalb von drei Monaten tief in die Rabattkiste gegriffen. Tesla hat die höherpreisigen Model S und X in den USA im Grundpreis um jeweils 5000 Dollar reduziert, Model 3 und Model Y um 1000 beziehungsweise 2000 Dollar. Nach Meldung der Automobilwoche folgten jetzt in der Nacht zu Freitag dann deutliche Rabatte in Deutschland für Model 3 (Grundpreis um bis zu 6000 Euro gesenkt) und Model Y (Grundpreis um 4000 Euro gesenkt). Bereits im Januar hatte der Elektroautopionier seine vier verfügbaren Fahrzeuge teilweise um bis zu 20 Prozent reduziert.

In der Branche wird nun heftig spekuliert, was den Marktführer zu diesem aggressiven Preisverhalten veranlasst haben dürfte (Automobilwoche):

In Bezug auf den Gehalt an Realität solcher visionären Planungen scheiden sich die Geister. Unternehmensberater und Tesla-Aktionäre halten das alles offenbar für möglich, Alt-Auto-Ökonomen dagegen hegen begründete Zweifel, an den Planungen wie an den Planern. CEO Elon Musk selber liefert für die Skepsis den Schlüssel. Er erklärte, mit dieser aggressiven Preispolitik wolle er die „Nachfrage ankurbeln“ (Automobilwoche). Aus seiner Sicht mag das angehen, aus Sicht des anfangs bereits erwähnten Lehrbuches für den kleinen Wettbewerber dagegen nicht.

Für aggressive Preissenkungen wie jetzt bei Tesla kann es theoretisch zwei wesentliche Gründe geben:

  1. Das Unternehmen will stärker wachsen als der Markt. Will ein Unternehmen wie Tesla, das über fast ein Jahrzehnt mit hohen zweistelligen Zuwachsraten beim Absatz gewachsen ist, offensichtlich noch schneller wachsen oder das bisherige Wachstumstempo beibehalten, „die Nachfrage ankurbeln“ (O-Ton Musk), so sprengt es ab einem bestimmten Volumen jedes System. Würde Tesla bei einem geplanten Jahresabsatz von 1.9 Millionen Fahrzeugen im Jahr 2023 jährlich weiter im Schnitt der letzten zehn Jahre mit 50 Prozent expandieren, würde es bereits 2027 fast 10 Millionen Elektroautos am Weltmarkt verkaufen. – Was unrealistisch ist. Das kann also nicht der Grund für die Preissenkungen sein.
  2. Der Markt wächst kaum mehr oder schrumpft, und das Unternehmen stemmt sich wegen zunehmender Unterauslastung etc. mit Preissenkungen und Marktanteilsgewinnen dagegen. Eine generelle Elektromarktschwäche ist aktuell (noch) nicht genau diagnostizierbar. Zwar hat sich das Wachstum der E-Automärkte überall, vor allem in China und Deutschland, mit dem Wegfall von stattlichen staatlichen Kaufprämien sichtlich verlangsamt. Für die ehrgeizigen Wachstumspläne von Tesla aber sicherlich zu langsam. Das dürfte ein Grund für die Rabattpolitik sein: Marktnachfrage nach Tesla-Fahrzeugen wecken, die es zuvor noch nicht gab.
  3. Der Markt für E-Autos wächst zwar weiter, aber Tesla verliert Marktanteile, weil
    – der direkte Wettbewerb (Mercedes, BMW, Audi, Jaguar, Volvo etc) aufholt und zulasten von Tesla Marktanteile gewinnt, der Wettbewerb auf dem Premium-Elektroauto Markt damit zum mörderischen Verdrängungswettbewerb mutiert;
    – das Marktwachstum sich wegen zunehmender Sättigung in den Premium-Preissegmenten von Tesla zunehmend in die unteren Niedrigpreis-Segmente verlagert. Auch weil in China chinesische Marken wie BYD, NIO, Aiways. Ora (GreatWall), JAC und Xpeng die Marktführerschaft bereits übernommen haben. Und aktuell dabei sind, die großen Elektromärkte im Ausland wie die USA und Europa, vor allem Deutschland, über den Export zu erschließen.

In diesen Volumensegmenten sind weder Tesla noch die deutschen Hersteller vertreten. Tesla versucht offensichtlich, die spürbar wachsende Lücke in der Marktentwicklung intern durch radikale interne Kostensenkungen, extern durch radikale Preissenkungen bei seinem Einstiegmodell Model 3 zu schließen. Ein kleineres Model 2 ist bislang lediglich angekündigt.

Die wahren Motive für Teslas radikale Preissenkungen dürften eine Kombination von Teil-Aspekten sein:

Zum Schluss noch der Hinweis, dass Musk mit seiner Rabatt-Aktion die Rechnung ohne den berühmten Wirt gemacht hat. Und der heißt in diesem Fall: Konkurrenz.

Verdrängungswettbewerb ohne den Widerstand des zu Verdrängenden hat es selten gegeben, vielleicht jüngst bei Ford in Köln (wurde aber wieder teilweise korrigiert).

Wie reagiert der Wettbewerb auf Teslas Killer-Preise?

Die Konkurrenz reagierte in der Vergangenheit kaum auf Teslas Kampfansage. Einzig Ford in USA senkte im Januar als Reaktion den Grundpreis für den Mustang Mach-E um 6000 Dollar. Die Zurückhaltung könnte sich bald ändern. Manche erwarten, dass der Wettbewerb zunächst nur mit indirekten Preisanpassungen antworten wird, denn Marktanteile will natürlich niemand verlieren. Absolute Preissenkungen sind in der deutschen Autokultur verpönt. Noch!

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Bei BMW beispielsweise gibt man sich noch nicht beunruhigt. „Wir vertrauen auf die Attraktivität unserer Produkte und treffen Geschäftsentscheidungen unabhängig“, teilt der Premiumhersteller der Automobilwoche mit. Die Strategie in München ist eine andere: „Als Premiumhersteller verfolgen wir eine strategische Preispositionierung, die unseren Kunden Sicherheit und Verlässlichkeit bietet.“

Allerdings haben sich alle deutschen Hersteller in China auf deutlich sinkende Absätze bei hochpreisigen Elektroautos inzwischen dem Beispiel Teslas angeschlossen, und ihre Neuwagenpreise drastisch im fünfstelligen Bereich gesenkt. Resultate liegen noch nicht vor.

Bis volumenstarke Nachfolger in seiner Modellpalette kommen, könnte Tesla die Preise also sogar noch weiter senken. Denkbar ist alles. Und darauf dürften Mercedes und Co. dann deutlich reagieren. Und auch strukturell bessere Chancen haben, ein solches Preisduell mit dem texanischen Autobauer durchzuhalten. Denn schließlich bietet der florierende Verbrennerabsatz im Hochpreissegment bei allen hohe Kompensations- und Subventionspotenziale, über die Tesla nicht verfügt. Rapide schrumpfende Margen sind in Austin, der neuen Tesla-Unternehmenszentrale, ohnehin absehbar.

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