Auffallend war, dass sich der sonst so redselige Elon Musk bei Vorlage der Zahlen für das dritte Quartal sehr einsilbig gab. Über sein soziales Netzwerk X, vormals Twitter, teilte er lediglich mit, dass das Tesla „Model Y“ weiterhin das bestverkaufte Fahrzeug in Europa sei. Außerdem habe man die Größe seiner Trainingsprogramme im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) auf Jahressicht mehr als verdoppelt (Automobilwoche). Dafür hat Musk auch allen Grund.
Zwar konnte der Elektro-Pionier mit Sitz in Austin (Texas) zwischen Juli und September weltweit rund 435.000 Fahrzeuge ausliefern. Um das zu erreichen, hatte Tesla die Preise seiner Volumenmodelle 3 und Y aber so weit gedrückt, dass der Kaufpreis der jeweiligen Einstiegsvarianten zu Beginn des vierten Quartals unter dem durchschnittlichen Preis für Neuwagen in den USA liegt.
Eine Kampfansage mit Wirkung: Tesla konnte seinen Absatz in den USA im dritten Quartal um 19,5 Prozent, weltweit sogar um 27 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum steigern – der Weltabsatz des Vorquartals wurde allerdings um 7 Prozent verfehlt. Tesla begründete den Absatzrückgang gegenüber dem Vorquartal mit Produktionsunterbrechungen für den Austausch von Maschinen in Fabriken. Experten hatten allerdings auch inklusive der geplanten Fertigungspausen mit rund 20.000 mehr verkauften Autos gerechnet.
Mehrfach hatte Tesla in diesem Jahr die Preise für seine Modelle gesenkt, teilweise sogar um bis zu 30 Prozent, um die Fahrzeuge in Zeiten hoher Inflation und Zinsen erschwinglich zu halten. Denn in zahlreichen Regionen sah sich der Konzern mit einer schwächelnden Nachfrage konfrontiert. Doch diese Rabattschlacht fordert Opfer, denn sie drückt die Rentabilität. Die Bruttomarge fiel das fünfte Quartal in Folge auf inzwischen 16,3 Prozent. Verglichen mit den restlichen Autoherstellern, auch in Deutschland, ist sie damit aber immer noch hoch, denn auch diese mussten die Preise senken. Analysten hatten zuvor mit 17,7 Prozent gerechnet, die Tesla-Aktie fiel zeitweise um mehr als fünf Prozent (Automobilwoche).
Das Ende der Rabatt-Fahnenstange ist damit aber noch nicht erreicht. In den USA, dem für den amerikanischen Pionier der Elektromobiliät Elon Musk weiterhin wichtigsten Absatzmarkt, hat Tesla Anfang Oktober 2023 erneut die Preise für seine wichtigsten Modelle gesenkt; der Einstiegspreis für das Model 3 ging auf 38.990 Dollar zurück – das waren 1250 Dollar weniger als bisher. Schon wenige Tage zuvor hatte der Elektroautohersteller eine günstigere Version des Kompakt-SUV Model Y wieder ins Angebot genommen.
Der US-Autobauer hat die Erfolgsspur von früher offensichtlich verlassen, die Zeiten zweistelliger Absatz-Zuwachsraten und Pionier-Gewinnmargen sind vorbei. Dafür gibt es untrügliche Anzeichen:
- Zum einen tritt Tesla-Chef Elon Musk angesichts wegbrechender Gewinne beim geplanten Bau seiner neuen Fabrik in Mexiko auf die Bremse. „Wenn die makroökonomischen Bedingungen stürmisch sind, wird auch das beste Schiff in schweres Fahrwasser kommen“, sagte Musk über die Quartalszahlen. Statt einer Öffnung von Teslas Gigafactory 6 in Mexiko im Jahr 2025 ist jetzt von 2026 und sogar 2027 die Rede. Noch vor einem Jahr hatte er Tesla als „Rezessions-resistent“ bezeichnet. Auf die Frage, wie es mit dem im März angekündigten Werk im Norden Mexikos weitergehe, sagte Musk: „Ich bin gebrannt von 2009, als General Motors und Chrysler pleite gingen.“
- Zum anderen macht Tesla sein futuristischer, stählerner Cybertruck zu schaffen. Das Fahrzeug sollte ursprünglich ab Ende November 2023 ausgeliefert werden und den Modellen von Auto-Start-up Rivian, Ford und GM am US-Markt Konkurrenz machen. Jährlich sollen zunächst 125.000 Cybertrucks gefertigt werden, 2025 könne die Kapazität dann verdoppelt werden.
Danach sieht es allerdings nicht aus. Beim Cybertruck gebe es „enorme Herausforderungen“, sagte Musk. So sei es schwierig, die Fertigung hochzufahren. „Wir haben mit dem Cybertruck unser eigenes Grab geschaufelt“, sagte Musk. Das meint er offensichtlich ernst. Musk spricht von einer Million Kunden, welche das Fahrzeug bereits reserviert hätten. Werden diese Kunden mit Verlustfahrzeugen bedient, dürfte es Tesla ähnlich wie seinem Pick-Up-Rivalen Rivian ergehen: Der hat vor kurzem durchschnittliche Anlaufverluste von 31.000 Dollar pro Fahrzeug R1T bekannt gegeben. Analysten bezweifelt heftig die Muskschen Cybertruck-Pläne. „Ich gehe nicht davon aus, dass Tesla bei Produktion und Absatz auch nur annähernd in die Größenordnung von 125.000 Stück kommt“ (Automobilwoche).
Hinzu kommt, dass sich das Wettbewerbsumfeld für Tesla strukturell verändert hat, nicht zum Besseren. Die Meute der Verfolger hat aufgeholt und ist endlich angekommen. Mercedes, BMW und andere haben ihr Angebot an E-Autos attraktiver und breiter gemacht. Und kappen ebenfalls die Preise. In China hat der Elektro-Newcomer BYD (= build-your-dreams) Tesla inzwischen von der Spitze verdrängt.
Im bisherigen Jahresverlauf bis Ende September wurden in USA insgesamt über 873.000 batteriebetriebene Autos verkauft. Damit dürfte der US-Markt in diesem Jahr zum ersten Mal die Schwelle von einer Million neu zugelassenen E-Autos knacken. Hält die aktuelle Dynamik an, dürfte es schon im November so weit sein.
Marktführer im EV-Markt (Electric Vehicle) ist bis zuletzt zwar eindeutig Tesla geblieben, aber die Konkurrenz wird stärker – vor allem die aus Deutschland. Fakt ist: Deutsche Premiummarken schnappen inzwischen Tesla US-Marktanteile weg.
Es gibt deutliche Verschiebungen bei den Marktanteilen einzelner Hersteller – und zwar zu Lasten Teslas. Lag Teslas Marktanteil im ersten Quartal 2023 noch bei 62 Prozent, so schrumpft er im dritten Quartal auf 50 Prozent. Und das hat vor allem mit etablierten Autoherstellern, die im Elektro-Rennen lange Zeit abgehängt waren, zu tun. Vor allem die deutschen Premium-Hersteller haben beim BEV-Absatz deutlich gegenüber Tesla aufgeholt, nicht – und dass ist besonders wichtig – gesenkter Preise wegen, sondern wegen eines breiteren und qualitativ wettbewerbsfähigen, verbesserten Modellangebots; selbst die Kult-Marke Rolls Royce, ohnehin Ausgeburt an Geräuscharmut, kommt jetzt auch elektrisch daher.
Tesla kann da nicht mithalten. BMW, Mercedes und Audi legen in USA zu, den deutschen Premium-Herstellern kommt bei dieser Aufholjagd auf dem EV-Markt eine Sonderrolle zu. Im dritten Quartal verdreifachten sich die Elektroauto-Verkäufe von BMW und Mercedes gegenüber dem Vorjahreszeitraum, während Audi seinen Absatz ungefähr verdoppelte. In absoluten Zahlen verkaufte BMW im dritten Quartal demnach 13.079 Elektroautos (Q3 2022: 4365), bei Mercedes-Benz waren es 10.423 (Q3 2022: 2717) und bei Audi 7538 (Q3 2022: 3891), Porsche 2050 (Q3 2022: 1325). Auch Volkswagen konnte im dritten Quartal seinen Absatz von E-Autos von 6657(Q3 2022) auf 10.707 Exemplare steigern.
Tesla verkauft nach wie vor mit Abstand die meisten Elektroautos in den USA. Aber jüngste Absatzzahlen zeigen laut Automobilwoche auch, dass die US-Käufer weiter gern zu großen Pick-ups und SUVs greifen – und sich oft auch für Hybrid-Antriebe entscheiden, die günstiger als vollelektrische Modelle sind. Tesla kann keine Verbrenner, außer Tesla haben inzwischen alle übrigen globalen E-Auto-Anbieter diese im Programm. Eine Rolle spielt auch, dass aktuell die Ausgabefreudigkeit der Amerikaner von den deutlich gestiegenen Zinsen auf den höchsten Stand seit 20 Jahren gebremst wird.
Im laufenden vierten Quartal 2023 müsste Tesla rund 475.000 Fahrzeuge ausliefern, um das von Musk wiederholt verkündete Jahresziel von 1,8 Millionen zu schaffen. Die erneute Preissenkung soll offensichtlich dabei helfen, drückt allerdings die Gewinnmargen.
Es zeigt sich immer deutlicher: Elon Musk ist ein Produktions-Freak, kein Vertriebsexperte und Marktpsychologe. Sonst wüsste er, dass man mit Preissenkungen bei hochwertigen Verbrauchsgütern, wie teuren Elektroautos der Marke Tesla, lediglich alte Premium-Kunden verärgert, und eine wechselhafte Kundschaft aus dem Massensegment dazu gewinnt. Das mag in der Kaufpsyche amerikanischer Käufer anders sein, hier zählt: value for money, und zwar heute und ad hoc. In Europa dagegen wird sich Tesla mit seiner Niedrig-Preisstrategie irreparable Imageschäden einhandeln, und sich langfristig in der Kundenmeinung zum Billig-Anbieter degradieren. Premium ade! Das ist dann das Ende einer Luxusmarke.
Altgediente Premium-Hersteller mit Tradition scheuen daher offene Preissenkungen wie der Teufel das Weihwasser. Eingedenk der Lebensweisheit der alten Römer: „Quidquid agis, prudenter agas, et respice finem!“