Tichys Einblick
Angebots- und Flottenverringerung

Ryanair streicht jeden fünften Flug in Berlin – Steuern und Gebühren machen Fliegen immer teurer

Die staatlichen Belastungen für den Luftverkehr haben sich in Deutschland seit 2020 fast verdoppelt. Zuletzt wurde zum 1. Mai 2024 die Luftverkehrssteuer um rund 25 Prozent erhöht. Ab Januar wird es noch teurer. Eine Konsequenz: Billigfluganbieter Ryanair streicht jetzt 20 Prozent der Flüge in Berlin.

picture alliance/dpa | Patrick Pleul

Fliegen wird in Deutschland teurer, das Flugangebot mehr und mehr ausgedünnt. Jetzt schlagen der Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen (BDL) und der Flughafenverband Alarm. Denn was in grünem Sinne recht ist, Fliegen als Luxusvergnügen für Parteigänger und -funktionäre zu reservieren, ist in Wirklichkeit ein Indikator für die wirtschaftliche Lage. »Wer die lahmende deutsche Wirtschaft beleben will«, so der Präsident des BDL, Jens Bischof, »darf die Luftfahrt in Deutschland nicht länger über die Maßen belasten.« Die hat sich noch immer nicht von den Folgen der Corona-Pandemie erholt.

Zumindest in Deutschland nicht – im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern, wo der Luftverkehr gemessen am Sitzplatzangebot das Vor-Corona-Niveau bereits wieder überschritten hat. Ein wesentlicher Grund: Die deutlich höheren Kosten in Deutschland. Die Abgaben rund um das Fliegen an den Staat kennen nur eine Richtung: nach oben. Zuletzt wurde zum 1. Mai 2024 die Luftverkehrssteuer um rund 25 Prozent erhöht.

Bei einem typischen Mittelstreckenflug innerhalb Europas summieren sich jetzt die staatlichen Gebühren auf rund 30 Euro pro Passagier. Und ab Januar wird dies noch einmal teurer, dann steigt der Gebührensatz für die Luftsicherheitskontrolle von zehn auf 15 Euro je Passagier. Bei der wirtschaftlichen Ergebnisrechnung der Fluggesellschaften spielt dieser Faktor eine entscheidende Rolle, so der BDL. Die staatlichen Belastungen für den Luftverkehr haben sich in Deutschland seit 2020 fast verdoppelt. Bischof: »Deswegen machen vor allem die europäischen Punkt-zu-Punkt Airlines einen Bogen um deutsche Flughäfen.«

Eine Konsequenz: Billigfluganbieter Ryanair streicht 20 Prozent der Flüge in Berlin. Das bedeutet, ab dem kommenden Sommer stehen 750.000 weniger Sitzplätze für Flüge von Berlin zur Verfügung. Außerdem werden die in Berlin stationierten Flugzeuge von neun auf sieben reduziert, so Ryanair-Chef Eddie Wilson. Die Maschinen werden an andere Standorte wie Brüssel, Kaunas, Krakau, Luxemburg, Riga und Chania verlagert. Dort sind die Kosten niedriger.

Über die Folgen für die Arbeitsplätze von rund 30 Beschäftigten pro Flugzeug werde Ryanair mit Arbeitnehmervertretern reden, die entweder mit ihren Flugzeugen umziehen oder sich andere Jobs suchen müssten. Nur eine sichtbare Folge der exorbitanten Erhöhung der Flugkosten in Deutschland. Denn es steigen auch für die Fluggesellschaften die Flugsicherungsgebühren, die im nächsten Januar weiter angehoben werden sollen.

Die Luftverkehrssteuer in Deutschland wurde 2011 eingeführt und wird auf Flugtickets erhoben, die Höhe richtet sich nach der Entfernung des Fluges. Mit dem Geld soll der sogenannte Umweltschutz gefördert werden und der Verkehr auf sogenannte umweltfreundlichere Verkehrsmittel umgeleitet werden, so hieß es bereits bei der Einführung. Der wahre Zweck: die geplünderten Staatskassen füllen.

Wesentlich verantwortlich für die Einführung der Luftverkehrssteuer war seinerzeit Wolfgang Schäuble. Der damalige Bundesfinanzminister hatte die Diskussion um die angebliche Umweltschädlichkeit des Flugverkehrs gern aufgegriffen, um mehr Geld scheffeln zu können und die Staatseinnahmen zu erhöhen. Garniert natürlich nach außen hin mit den Sprüchen von wegen Umwelt und so.

Bei Flügen innerhalb Deutschlands bis 650 Kilometer Entfernung muss jeder Passagier pro Flug 7,50 Euro dazu bezahlen, bei mittellangen Zielen bis 2.500 Kilometer betrug die Steuer schon 23 Euro pro Passagier und darüber hinaus waren 42,50 Euro pro Passagier und Flug fällig. Heute ist sie in drei Distanzklassen auf 15,53 Euro, 39,34 Euro und 70,83 Euro angewachsen. Dazu kommt noch für Flüge innerhalb Deutschlands die Mehrwertsteuer.

Während die Preiserhöhung bei längeren Flügen sich nicht wesentlich auf den Endpreis auswirken, so wirken sie sich bei Billigtickets doch wesentlich stärker aus. Ryanair äußerte bereits damals heftige öffentliche Kritik, bezeichnete die neue Steuer als Strafsteuer und einen Angriff auf die Reisefreiheit. Die irische Fluggesellschaft verlagerte ihre Flüge von grenznahen deutschen Flughäfen in die benachbarten Niederlande Belgien oder die Schweiz. Aus dem westlichen Deutschland reisten Fluggäste nach Amsterdam Schiphol, dort wurde die Steuer nicht erhoben.

Rheinland-Pfalz, das um seinen Flughafen Hahn fürchtete, reichte sogar beim Bundesverfassungsgericht eine Klage gegen die Luftverkehrssteuer ein, das diese pflichtgemäß abschmetterte. Die Steuer diene der Finanzierung der Staatskasse.

Ryanair will, dass die jüngste Erhöhung der Luftverkehrssteuer rückgängig gemacht wird, sonst stünden weitere Kürzungen auf dem Spiel. Andere Länder wie Ungarn, Italien, Polen und Schweden haben ihre Luftverkehrssteuer gesenkt oder abgeschafft. Hierzulande geistert immer noch das Märchen vom achso umweltschädlichen Fliegen durch die Welt und wird kräftig gepflegt. Grüne sind begeistert, wenn das angeblich so schädliche Fliegen teurer wird. Zu viel CO2-Ausstoß, den Untergang der Erde beflügelnd – außer, ja, außer wenn grüne Politiker, Funktionäre und Klimakonferenzteilnehmer diesen Luftverkehr in Anspruch nehmen.

Unmöglich, dass Flüge so unverschämt billig sind. Der Plebs für einen Preis geringer als einen Kasten Bier nach Mallorca fliegen? Im Winter Weintrauben aus Südamerika nach Europa befördern – nicht für wenige gut in staatlichen Diensten Besoldete, sondern für jedermann erschwinglich? Blumen aus Kenia nach Europa fliegen und den dort Beschäftigten Arbeit verschaffen? Oder wie in einen Bus einsteigen und frei und bezahlbar quer durch Europa fliegen?

Vollkommen unmöglich, dass eine Fluggesellschaft damit noch Geld verdient außer mit irgendwelchen krummen Dingern. Kaum vorstellbar, dass am Ruder einer Fluggesellschaft schlaue Menschen sitzen, die sehr gut rechnen können und mit guten Ideen einen Markt umwälzen. Und mit Hilfe moderner Technik: Flugzeuge mit Hightech-Triebwerken, die drei bis vier Liter Treibstoff auf 100 Kilometer pro Passagier verbrauchen, weniger als ein Automobil, nach 25 Minuten am Boden wieder in der Luft sind und sicher fliegen. Dazu eine Informations-Technologie, mit der erst ein solcher Markt funktioniert.

Ryanair hat mehr für Europa getan als Tausende von Funktionären in Brüssel. Dieses Unternehmen hat es als erstes möglich gemacht, dass Menschen für wenig Geld quer durch Europa fliegen, andere Menschen besuchen, Kontakte knüpfen, neue Freunde finden, Länder kennenlernen können und auch schnell zur Arbeit fliegen, wenn gerade zum Beispiel Erntesaison ist. Früher unmöglich, heute kein Problem mehr. Nun gut, Ölsardine hin oder her – die Maschinen müssen ausgelastet werden. Der Flugverkehr ist sicherer als bei der Lufthansa.

Disclaimer: Und nein, wir haben kein Geld von Ryanair für diese Zeilen bekommen.

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