Die Schlagzeile einer überregionalen Tageszeitung bringt es an den Tag: Da heißt es: „Comeback gut möglich, Europas Christdemokaten … wollen das Verbot des Verbrennungsmotors kippen …!“(Süddeutsche Zeitung, Nr. 287, Seite 13)
Da ist er wieder, der große semantische Irrtum, die Verwirrung in den Köpfen der Normalbürger, auch jener, die in den Medien tätig sind und die es eigentlich besser wissen müssten. Denn: Die EU-Kommission hat im Herbst 2023 kein explizites Verbot des Verbrennungsmotors ausgesprochen, sondern – gravierend genug für die Autoindustrie – Verbrennungsmotoren, die ab 2035 CO2-Abgase ausstoßen.
Damit waren sämtliche fossilen Treibstoffe Benzin und Diesel als Treibmittel für den Verbrennungsmotor ab 2035 verboten, von den Motoren selber war keine Rede. Was auch damals schon daran deutlich wurde, dass die Verbrennung von synthetischen Kraftstoffen in normalen Motoren, wenn sie mit „sauberem“ Strom CO2-klimaneutral hergestellt würden, weiterhin zulässig wären.
Dennoch, das Unwort vom Verbrenner-Aus war mit diesem EU-Verbot fossiler Treibstoffe aus der Taufe gehoben – und hat sich als Schlagwort bis zum heutigen Tag ohne Widerspruch gehalten. Dieser Widerspruch sollte hier und heute nochmals vorgetragen werden:
Ab 2035 hat die EU-Kommission de jure nicht den Verbrennungsmotor verboten, sondern die Verbrennung fossiler Treibstoffe. Was faktisch damals einem Verbot des Verbrennungsmotors gleichkam.
Damit tut sich ein semantisches Problem auf. Verbrennungsmotor ist nicht gleich Verbrennungsmotor im Sinne des Gesetzgebers. Es gibt Verbrennungsmotoren, die stoßen klimaschädliche CO2-Emissionen aus durch Verbrennung von fossilen Treibstoffen (Benzin, Diesel) und es gibt Verbrennungsmotoren, die stoßen klimaunschädliche CO2-Emissionen aus, weil ihre synthetischen Treibstoffe eine klimaneutrale CO2-Bilanz aufweisen.
Auf energischen Widerstand des deutschen Verkehrsministers Volker Wissing hin sollte laut EU-Beschluss vom Sommer 2023 dieses faktische Verbot der Verbrennungsmotoren ab 2035 von der EU nochmals überprüft werden. Auch Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen hatte vor ihrer Wiederwahl im Sommer 2024 diese Überprüfung nochmals bekräftigt und will sie auf 2025 vorziehen. Stand jetzt bliebe das Verbot des Einsatzes fossiler Treibstoffe, vulgo: Verbrennungsmotor, davon unangetastet. Diese Überprüfung steht mit dem Jahr 2025 vor der Tür.
Manfred Weber, Chef der Europäischen Volkspartei (EVP), hat inzwischen, wie in der Wahl angekündigt, ein Strategiepapier vorgelegt, dessen zentrale Forderung ist, das „Verbrenner-Aus“ schnellstmöglich zu kippen. „Unsere Botschaft ist: Keine Abstriche an der Ambition, aber mehr Realismus und Pragmatismus in der Umsetzung“ (Süddeutsche Zeitung). Laut dem Medienbericht möchte der EVP-Vorsitzende an dem Ziel, dass nach 2035 keine Autos mehr zugelassen werden dürfen, die Klimaabgase ausstoßen – landläufig als „Verbrenner-Verbot“ diskutiert – zwar nicht rütteln, aber der Weg dahin soll offen bleiben. Damit stößt die EVP die Tür für alternative und synthetische Kraftstoffe beherzt auf. Und gibt dem Klima eine Chance.
Durch eine Revision des Verbrenner-Aus-Gesetzes sollten laut Strategiepapier explizit Ausnahmen für „E-Fuels, Biokraftstoffe, erneuerbare oder synthetische Kraftstoffe“ geschaffen werden. Darüber hinaus sollte die Revision weiter Bestimmungen wie einen CO2-Korrekturfaktor aufnehmen, wonach die Autokonzerne Maßnahmen anrechnen lassen könnten, durch die Kohlendioxid aus der Luft aufgenommen und gebunden wird. – Der Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt, wie Renaturierung von Mooren, Löschflugzeuge gegen Brände im Regenwald (Brasilien) oder CO2-Versenkung im Meer CCS (Carbon Capture Sequestrierung).
Alle diese Maßnahmen wären zielführend, das Verbot der Verbrennung von fossilen Treibstoffen würde dadurch nicht angetastet. Der große Klima-Vorteil wäre, dass durch den Einsatz alternativer Treibstoffe der weltweite Altbestand an Verbrenner-Fahrzeugen schlagartig klimafreundlicher betrieben werden könnte. „Grüne“ Politik ist bisher an diesem Vorteil achtlos vorbeigegangen.
Das EU-Verbot fossiler Treibstoffe ab 2035 rettet zwar das Weltklima nicht, weil auch nach 2035 60 Prozent aller globalen Neuzulassungen weiterhin „mangels Steckdose“ mit fossilen Treibstoffen befeuert werden müssen; ganz zu schweigen vom „Verbrenner“-Altbestand von 1,6 Milliarden Pkw. Und weil die Erdölproduzenten ein großes Interesse daran haben, ihren kostbaren Rohstoff Erdöl unverbrannt im Boden zu lassen.
Vornehmste Klima-Aufgabe der EU-Kommission sollte sein, Klimaziele fest vorzugeben, ansonsten aber die Marktkräfte zu entfesseln. In marktwirtschaftlich organisierten Systemen haben dann die Player bislang immer den besten Weg gefunden – solange der Staat den Streckenverlauf nicht vorgeschrieben hat.