Plötzlich wollen alle mehr Messstellen. 50 neue will allein Thomas Strobl (CDU), Innenminister Baden-Württembergs und Vertreter von Ministerpräsident Kretschmann, in Stuttgart aufstellen lassen, um ein bessereres Bild über die tatsächliche Luftsituation in Stuttgart zu bekommen. Denn nur an vier Stationen an den Hauptverkehrsstraßen in der Innenstadt von Stuttgart werden die EU-Grenzwerte für NO2 überschritten. Das Fahrverbot gilt jedoch für den gesamten Stadtbereich von den Vororten weit außerhalb auf Höhenlage bis in den Talkessel. Ziemlich merkwürdig.
Vorbild: die Stadt München. Dort ist die Luft plötzlich sauber geworden, seitdem die Stadt eigene Messstellen aufgestellt hat. Jetzt erhöhte die Stadt nochmals deren Zahl, seit dem 1. Januar messen 40 statt wie bisher 20 Messstellen die Luftqualität. Bisher lieferten nur wenige Messstellen, die der Freistaat Bayern meist an neuralgischen Punkten betreibt, die Werte. Umweltreferentin Stephanie Jacobs: »Im Gegensatz zu den bisher rein berechneten Werten auf Zahlenbasis von 2015, auf die sich auch Greenpeace aktuell bezieht, zeigen unsere Passivsammlermessungen für 2018 eine positive Tendenz.«
Das Landesamt für Umwelt gibt für die Fürstenrieder Straße NO2-Werte von 60 Mikrogramm an. Die Stadt München selbst hat für die ersten drei Quartale 2018 einen Mittelwert von 37 µg/m3 NO2 gemessen und liegt damit unter dem magischen Grenzwert von 4ß µg/m3. Vor allem in den Wohngebieten lägen die gemessenen Werten deutlich unter dem Grenzwert.
Schon seit Anfang vergangenen Jahres hat die Stadt 20 eigene Messstellen aufgestellt. Es handelt sich allerdings nicht um große Messcontainer, sondern um sogenannte einfache Passivsammler. Deren Aussagekraft ist allerdings beschränkt.
In Stuttgart sind die Grünen um Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) begeistert dabei, Fahrverbote gleich für die gesamte Stadt durchzusetzen. Er sagte jetzt zwar: »Ich habe nichts dagegen, dass wir mehr Stationen aufstellen.« Doch lässt er an seiner Freude an Fahrverboten keinen Zweifel.
Die CDU steht in einer schlechten Ausgangslage, kann doch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) genüsslich während einer Pressekonferenz darauf verweisen, »dass nicht der böse Winni Hermann die Messstelle am Neckartor aufgestellt hat, sondern der liebe Stefan Mappus.« Mappus (CDU) war sein Vorgänger im Amt des Ministerpräsidenten. Nichtsdestotrotz haben die Grünen diese Steilvorlage eifrig aufgenommen und mit Hingabe an den Fahrverboten gebastelt. Dabei ist unter Verkehrsplanern klar, dass mit einer entsprechenden Verkehrsführung der Verkehrsfluss verbessert oder behindert und damit auch den Abgasausstoß verändert werden kann.
Strobl wollte zunächst auch keine Fahrverbote für Euro 5 Diesel. Nach einer »klärenden« Koalitionsausschusssitzung redete er nur noch davon, dass er »kein flächendeckendes Euro 5 Verbot« wolle. Kretschmann meinte einem Bericht der Stuttgarter Zeitung zufolge, dass die Atmosphäre im Ausschuss zwar »angespannt« gewesen sei, lobte dennoch: »Aber es ist niemand laut geworden.«
Auch das rot-rot-grün regierte Berlin hat auf eine Berufung gegen das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichtes vom 9. Oktober 2018 verzichtet. Danach soll Berlin bis 31. März 2019 irgendwas gegen die vermeintlich zu hohen NO2 Werte tun. Doch ob die Werte stimmen, ist mehr als zweifelhaft.
Der renommierte Berliner Umweltanwalt Dr. Claus-Peter Martens sagt, »dass der größte Teil der automatischen Messstationen fehlerhaft oder entgegen den einschlägigen Vorgaben aufgestellt worden ist«. So stünden beispielsweise die Stationen Silbersteinstraße und Karl-Marx-Straße (Neukölln) mit 16,92 Metern und 13,69 Metern näher an der jeweiligen Kreuzung, als es die EU-Vorschriften vorschreiben. Sie müssen mindestens 25 Meter Abstand zu einer Kreuzung einhalten. Mit dieser Position werden höhere Werte registriert.
Jetzt forderte auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) die Kommunen zum Widerstand gegen gerichtlich angeordnete Fahrverbote auf. Sie müssten sich mit »allen juristischen Mitteln« zur Wehr setzen. Er fürchtet Massenproteste nach französischem Gelbwesten-Muster: »Das ist genau die Sorge, die ich habe. Im politischen Berlin ergötzen sich alle an Diskussionen, die oft nichts mit der Lebenswirklichkeit der Menschen außerhalb der Hauptstadt zu tun haben. Die Bürger sind darüber echt verärgert – und stehen auf.«
Jetzt setzen sich in Stuttgart und immer mehr anderen Städten die Bürger zur Wehr und gehen auf die Straßen. Am kommenden Samstag demonstrieren ab 14 Uhr wieder Bürger gegen Diesel-Fahrverbote. Diesmal wollen neun Parlamentarier aufs Pferd springen und ebenso gegen die Fahrverbote protestieren.