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Berlin dreht durch

Autos – die haben wir nicht mehr!

Porsche hat jetzt die Konsequenzen gezogen und als erster Autohersteller, wie die FAZ exklusiv meldete, den Verkauf von Neuwagen in EU-Europa komplett eingestellt.

© Sean Gallup/Getty Images

Was geschieht mit einem angeschossenen Elefanten? Wie lange der noch rennt und was der macht, kann keiner wissen. So ähnlich stellt sich die Frage jetzt bei der deutschen Autoindustrie. Als Folge jener Diskussion um Diesel und Grenzwerte kippte die Bundesregierung das Kind mit dem Bade aus und schuf ein bürokratisches Monster, das das Zeug hat, die wichtigste Industrie des Landes zu vernichten.

Ende des Automobils?

Porsche hat jetzt die Konsequenzen gezogen und als erster Autohersteller, wie die FAZ exklusiv meldete, den Verkauf von Neuwagen in Europa komplett eingestellt.

Das gilt vor allem für die Diesel-Modelle. Der Cayenne Diesel ist mindestens bis Ende dieses Jahres nicht mehr lieferbar, möglicherweise erst Mitte des kommenden Jahres wieder. Benzinmodelle, die nach den neuen Abgasregeln dem 1. September verkauft werden dürfen, sind nur vereinzelt erhältlich.

Porsche hatte diese Meldung der FAZ zwar ein wenig dementiert, sprach von »Einschränkungen beim Angebot an Neuwagen« und verwies darauf, dass nur ein paar Modelle nicht bestellbar sein. Doch wie der Porsche »Car Configurator« im Internet zeigt, ist kein einziges Auto ab September bestellbar.

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Porsche verwies darauf, dass das entsprechende Gesetz erst Ende Juli 2017 in Kraft getreten sei. Die Zeiträume für eine neue Entwicklung betragen aber üblicherweise etwa drei Jahre.

Volkswagen hatte bereits vor ein paar Tagen einen Fertigungsstopp für eine Reihe von Diesel-Modellen verhängt. Der Hersteller bekommt offenbar den erheblichen Aufwand bei der Umstellung auf die neue Zertifizierung ebenfalls nicht hin.

Die Situation dürfte auch bei allen anderen deutschen Herstellern umso dramatischer werden, je näher das Stichdatum 1. September rückt. Ab diesem Zeitpunkt müssen verkaufte Autos nach den neuen Abgasmessverfahren WLTP und RDE zertifiziert sein. Die bringen schärfere Abgasgrenzwerte mit sich und gelten nicht nur für den Dieselantrieb, sondern auch Benzinmotoren. Bei dem geraten die geringen Mengen an Feinstaubpartikel ins Visier, die Motoren mit Direkteinspritzung vermehrt ausstoßen. Die brauchen ebenfalls wie die Dieselmotoren nun auch Partikelfilter.

Zulassung für jede, aber auch jede Variante

Das bedeutet einen erheblichen Mehraufwand bei der Zulassung. Möchte der Kunde beispielsweise eine Ausführung mit einem anderen Kühlergrill, der möglicherweise etwas sportlicher aussieht, oder will er aus irgendwelchen Gründen eine zusätzliche Antenne, verändert das die Aerodynamik des gesamten Autos und damit auch ein wenig den Kraftstoffverbrauch. Damit verändert sich die Zusammensetzung der Abgase. Das Auto muss in den Windkanal und dort vermessen werden. Nun sind Windkanäle sehr teure und damit rare Einrichtungen, die Tests aufwendig und von daher ist klar: Das alles geht nicht so schnell.

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Bereits eine Ausstattung mit anderen Sitzen verändert in der Regel das Gewicht des Autos ein wenig und damit wiederum Verbrauch, Abgase und – Sie raten richtig – den Ausstoß von CO2 und Stickoxiden. Breitere Reifen beispielsweise erhöhen den Rollwiderstand und damit ebenso Verbrauch und Abgase. Jedes Modell muss in jeder kaufbaren Konfiguration aufwendig auf einem Rollenprüfstand vermessen werden. Von diesen speziellen Prüfständen gibt es aber nicht genug.

Doch über allem schwebt das größte Risiko, der Entzug der Typzulassung. Der verkehrspolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag, Dr.-Ing. Dirk Spaniel, weist darauf hin, dass anders als bisher der Autohersteller die exakte Konfiguration des einzelnen Fahrzeuges, für die die jeweilige Verbrauchsangabe gelten soll, angeben muss. Also wieviel verbraucht ein Typ beispielsweise mit einem bestimmten Motor und einem Getriebe mit schmalen oder breiten Reifen, mit Stoff- oder Ledersitzen, mit elektrischen Fensterhebern oder handbetriebenen, mit oder ohne Klimaanlage, kurz: in jeder lieferbaren Konfiguration. Spaniel: »Bei Überschreitung des Wertes droht dem Hersteller der Entzug der Typzulassung und damit ein Verkaufsstopp.«

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Verbrauchsmessungen sind eine komplizierte und aufwendige Angelegenheit. Viele Faktoren bis hin zu Wetter und Luftdruck spielen dabei eine Rolle. Das bedeutet, dass der Hersteller ins Risiko gehen muss oder aus wirtschaftlichen Gründen besser nicht liefert.

»Was die Kunden natürlich nicht erfahren«, führt Spaniel aus, »ist, dass sie diesen extremen bürokratischen Aufwand natürlich in Zukunft mitbezahlen müssen. Viele Kunden werden auch feststellen, dass ihre Wunschkonfiguration vielleicht gar nicht mehr lieferbar ist.

Spaniel: „Natürlich können wir davon ausgehen, dass die Regierungen Europas ihre jeweilige Autoindustrie mit dem entsprechenden Ermessensspielraum vor dem Entzug der Typzulassung und gravierenden wirtschaftlichen Konsequenzen schützen werden.«

»Es gibt allerdings eine Ausnahme: Die deutsche Bundesregierung zeigt bereits heute, dass sie die EU-Gesetzgebung in diesem Bereich maximal streng auslegt.«
»Es könnte also sein, dass einige Bürger in diesem Land, vorwiegend Beschäftigte in der Autoindustrie, bereits in den nächsten Monaten spüren werden, dass die deutsche Bundesregierung auch in diesem Politikfeld mit der Führung eines modernen Industriestaates schlicht überfordert ist.«

Alles nur in Deutschland so irre

Merkwürdigerweise hört man in dieser Angelegenheit von ausländischen Autoherstellern nichts. Sie haben natürlich dieselben Probleme wie ihre deutschen Kollegen. Motoren etwa sind heute aufwendige und teure Entwicklungen, die länderübergreifend absolviert werden. So stammt der Dieselmotor im Mercedes Vito in der 1,6 l Version von Renault Nissan, das Einspritzsystem von dem amerikanischen Zulieferer Delphi. Der Vito ist gerade wegen angeblicher Abgasmanipulationen ins Scheinwerferlicht geraten.

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Verwundern darf die Ruhe bei den ausländischen Herstellern allerdings nicht. Die jeweiligen Typzulassungen geschehen in den Heimatländern der Autohersteller, bei Fiat also in Holland und Renault zum Beispiel in Frankreich. Nur wissen die dortigen Regierungen mehr um die wirtschaftliche Bedeutung einer ihrer wichtigsten Industrien und werden sich hüten, über die Entziehung von Zulassungen die Autohersteller zu Fall zu bringen. Das überlassen sie klugerweise der deutschen Bundesregierung, die so Konkurrenz schwächt.

Bei Autohändlern im benachbarten Frankreich etwa sieht man kaum die umfangreichen Auflistungen von Verbrauch bei verschiedenen Geschwindigkeiten, vom Abgasausstoß und vor allem von der CO2 Belastung. Jener scheinheilige ökologische Fußabdruck interessiert offenbar nur Grüne in Deutschland. Doch auch hierzulande, so berichten Autohändler, interessiert sich kaum ein Kunde für diese Werte, die im Verkaufsraum deutlich sichtbar sein müssen.

Deutschen Autohändlern dürfte bald endgültig der Kragen platzen. Sie gehören zu den Hauptleidtragenden der Automobilkrise. Gebrauchte Dieselfahrzeuge versauern auf ihren Höfen und haben dramatisch an Wert verloren. Kunden greifen gern zum Mittel der Rückabwicklung; sie geben ihren Diesel zurück an den Händler. Damit verliert der Händler wiederum seine Marge, hat Aufwand und Kosten bis hin zur Auflösung von Versicherungs- und Leasingverträgen zu leisten und muss vor allem Gewinne rückgängig machen, die vor zwei, drei oder vier Jahren beim Verkauf des Autos angefallen sind. Theoretisch müsste er dafür Rücklagen gebildet haben. Ein Autohändler wütend: »Ich kann das natürlich nicht, denn ich kann nicht davon ausgehen, daß Autohersteller andauernd Scheiße bauen!«

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Vom Tisch zu sein scheint erst einmal der Umbau von Autohäusern und Werkstätten auf die politisch so angepriesene Zukunft »Elektromobilität«. Autohersteller wollen ihre Händler dazu verdonnern, in ihren Autohäusern mehr Dienstleistungen rund um die Elektromobilität anzubieten und die Glaspaläste wieder mit erheblichen Mitteln auf das neue vage »Geschäft« umzurüsten. Für diesen Aufwand dürfte jetzt kein Geld mehr da sein.

Bei den Autoherstellern selbst steigt die Verunsicherung. VW-Chef Diess hatte auch schon auf der Hauptversammlung Anfang Mai vor Lieferenpässen gewarnt. Bei VW sagte Personalleiter Martin Rosik dem Mitarbeiter-Magazin «Inside«, dass es ab August vorübergehende Lücken in der Produktion gebe, die sich auch auf die Beschäftigung auswirke.

All diese Querschüsse gegen die Autoindustrie hält aber zum Beispiel Daimler nicht davon ab, allen Parteien weiterhin Geldspenden zukommen zu lassen. Allen? Nein, zwei Parteien spüren nichts von dem Geldsegen: AfD und Linke.

Dabei zeigt sich immer wieder: Appeasement nutzt nichts.


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