In internationalen Klimaabkommen hat die Bundesrepublik sich verpflichtet, bis 2050 „klimaneutral“ zu sein. Bis dahin muss also die Industrie, insbesondere Stahl- und Zementwerke und ähnliche, die Produktion entsprechend umstellen, die Verkehrsflotte zu Land, zu Wasser und in der Luft nur noch klimaneutral betrieben und Häuser beheizt werden, will man das weitere Anwachsen des CO2 Ausstoßes künftig zum Stillstand bringen – Folge: Aus heutiger Sicht ein kaum vorstellbarer Wandel in der gesamten Wirtschafts- und Mobilitätsstruktur einer hochmodernen deutschen Industriegesellschaft. Dagegen war die bisherige Merkelsche Energiewende noch ein harmloses Unterfangen!
Neben den Haupt-Emittenten Energie- und Wärmeerzeugung sowie Landwirtschaft ist der Verkehrssektor am anthropogenen CO2-Ausstoß mit etwa 20 Prozent beteiligt, die Pkw-Flotte alleine etwa mit 12 Prozent. Da der Individual-Verkehr aufgrund seiner täglichen Stau-Ärgernisse und vor allem innerstädtischen Abgas-und Lärmbelastungen, verstärkt noch durch die Diesel-Abgasmanipulationen ohnehin massiv ins Fadenkreuz der öffentlichen Kritik geraten ist, konzentrierte sich die Umweltpolitik vor allem auf die Senkung der Emissionen von CO2 und NOx im Straßenverkehr.
Das war die Geburtsstunde der Euro-Abgasnormen, die 2007 eingeführt, bis zur heutigen Euro6d-TEMP–Norm schrittweise verschärft wurden und bis 2030 weiter verschärft werden – für den Verbrennermotor dann strangulierend. Folgerichtig nahm die Politik auf deutscher wie auf EU-Ebene vor allem den Pkw-Straeßnverkehr in den Zugriff, um durch die schrittweise Vorgabe immer schärferer Abgas-Emissionsgrenzwerte die fossile Verbrennerflotte motorisch durch umweltfreundlichere zu verbessern.
Von allen Herstellern war lediglich Volkswagen unter CEO Herbert Diess bereit, sich diesem Druck rigoros zu beugen und die Entwicklung von Verbrennermotoren ab 2026 aufzugeben, um nur noch Elektroautos zu bauen. Den übrigen drohten existenziell hohe Strafzahlungen beim Absatz von Verbrennern, wie von den Kunden präferiert.
In Deutschland wurde am 8. Mai 2010 die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) gegründet, die zum Ziel hatte, bis zum Jahr 2020 eine Million Elektroautos auf deutsche Straßen zu bringen. Doch weit gefehlt: Am 1. April 2020 lag der Bestand elektrisch angetriebener Pkw einschließlich jener, die als Hybride mit Verbrenner-Zusatzmotor fahren (inzwischen mehr als Hälfte der Anzahl wie der Nutzung nach, Tendenz steigend) nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) gerade mal bei 284.000 Autos.
Damit wurde offenkundig, dass Deutschland kein Leitmarkt der Elektromobiliät werden würde, wie der Verband der Automobilindustrie (VDA) das angekündigt hatte: und dass trotz aller Milliarden an bisherigen staatlichen Kaufprämien und Investitionen in das E-Tankstellennetz (aus dem Konjunkturpaket sollen in den nächsten Jahren nochmals 2,5 Milliarden Euro zusätzlich für Elektromobilität ausgegeben werden). Der regulatorische Zugriff des Gesetzgebers beim Hersteller statt beim Käufer erwies sich als Würgegriff für die Autoindustrie: Die Kunden wollen aus vielerlei Gründen keine Elektroautos. Die Erklärung für die Kaufzurückhaltung bei Batterie-Elektroauto-Autos fasste Kurt Kister (Süddeutsche Zeitung) nach einem frustrierenden Selbstversuch so zusammen: „Jetzt noch nicht!“
Als das Desaster der NPE-Zielverfehlung und vor allem das Dilemma der Autohersteller, qua gesetzlicher Vorgaben und Existenz bedrohender Strafzahlungen Elektroautos produzieren zu müssen, die die Masse der Kunden verschmähte, nicht mehr zu vertuschen war, vollzog die Politik eine doppelte Kehrtwende in Umwelt- und Verkehrspolitik:
- Zum einen wurde in den Wirren der Koalitionsverhandlungen die NPE-Strategie sang- und klanglos am 31.12.2018 kassiert und an deren Stelle am 19.09.2019 die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) ins Leben gerufen. Danach sollte die Mobilität der Zukunft zwar weiterhin elektrisch (zudem vernetzt und automatisiert) sein, aber von Elektroautos auf Strombasis als alleinigem Medium war keine Rede mehr.
- Zum anderen wurde (endlich) die Sackgasse der reinen Elektroautos verlassen und die Tür zu antriebsoffenen Mobilitäts-Technologien aufgestoßen – ohne Gesichtsverlust für die Politik. Denn immer deutlicher zeichnete sich ab, dass es für eine Energiewende, vor allem im Verkehr, nicht ausreicht, Kohlekraft durch Windräder und Solaranlagen zu ersetzen oder Elektroautos statt Verbrenner auf die Straße zu bringen. So dämmerte allmählich die Erkenntnis, dass Elektroautos bestenfalls ein Teilsegment der Verbrennerflotte ersetzen können, niemals den Gesamtbestand: weder die 47 Millionen Pkw in Deutschland, noch die 1,6 Milliarden Automobile im Weltbestand. Dem Klima helfen Elektroautos nicht!
Soviel zur Historie der heutigen Wasserstoff-Strategie im Kontext zur umweltverträglichen Verkehrspolitik. Schlussfolgerung: Strom allein genügt nicht, notwendig ist der Rückgriff auf eine andere, altbekannte Technologie: Wasserstoff. Und zwar „grüner“ Wasserstoff, CO2-frei mit nachhaltiger Energie aus Wind und Sonne hergestellt, als omnipotenter Energieträger und „Kai aus der Kiste.“ Kurz: Wasserstoff als Garant einer klimafreundlichen Mobilität als Problemlöser in allen Industrie Sektoren. Vor allem aber zur Rettung der deutschen Automobilindustrie.
Bis 2030 will die Bundesregierung Produktions-(Elektrolyse-)kapazitäten von 5 Gigawatt, bis 2040 von 10 Gigawatt aufbauen; das entspricht 10 Atomkraftwerksblöcken. Damit wäre der Anfang gemaht! Das wäre der Durchbruch! Endlich …
Denn Wasserstoff hat den Ruf eines technischen, aber auch aus Sicht eines Ökonomen, volkswirtschaftlichen Allrounders. Vorzüge in Auswahl gegenüber der Batterie-Elektromobiliät:
- Er kann Fahrzeuge aller Art antreiben, in der Industrie fossile Energieträger ersetzen, Haushalte mit Wärme versorgen.
- Er kann in verschiedenen Formen als Gas oder Flüssigkeit („Power to X“) eingesetzt werden, ist schnell zu betanken und kann auf die vorhandene Tankstellen-Infrastruktur zurückgreifen.
- Er erlaubt Reichweiten im Verkehr bei normalen Tankzeiten bis zu 1.000 Kilometern.
- Er rettet in der Autoindustrie den Verbrenner im Altbestand wie bei Neufahrzugen und bewahrt so die Branche vor dem Beschäftigungseinbruch.
Die Frage ist berechtigt, warum die Politik bei so vielen Vorteilen nicht schon früher auf die Wasserstoff-Lösung gekommen ist.
Die Antwort ist einfach. Keine Rose ohne Dornen!
- Fossile Brennstoffe wie Erdöl waren und sind bis heute reichlich und konkurrenzlos billig verfügbar, während Wasserstoff in der Herstellung durch Elektrolyse teuer, und wenn er als Energieträger aus „grünem Strom“ klimafreundlich hergestellt werden soll, noch teurer ist.
- Die Energie-Effizienz von Wasserstoff (oder synthetischem Treibstoff = efuel) gegenüber dem Einsatz von Benzin oder Diesel in Verbrennermotoren oder gegenüber alternativen elektrischen Antriebsarten (Batterieelektrik, Brennstoffzelle) ist aus Sicht eines Ingenieurs „grottenschlecht“.
- Der Gesamtwirkungsgrad von eingesetzter Energie liegt in Verbrennungsmotoren bei rd. 35-40 Prozent (Bei voller Last können Otto-Motoren Werte von 35 % oder auch etwas mehr erreichen. Dieselmotoren erreichen auch mehr als 40 %, vor allem mit Direkteinspritzung und Turboaufladung und bei großen Motoren. Große Schiffsdieselmotoren erzielen sogar Wirkungsgrade von bis zu 50 %). Mit Brennstoffzellen bei 26 Prozent und bei Verbrennungsmotoren mit synthetischem Treibstoff lediglich bei 13 Prozent. In Batterieelektrik-Autos aber liegt er bei 69 % (!).
Also keine Chancen für Wasserstoff im Verkehr? Ökonomen volkswirtschaftlicher Prägung haben den beruflichen Vorteil, dass sie in der Regel von technischen Zusammenhängen wenig Ahnung haben (müssen) und dass ihnen buchhalterische Kostenrechnungen auf Mikroebene ziemlich egal sind. Was im Endeffekt für den Ökonomen zählt, ist das Gemeinwohl, also per Saldo höhere volkswirtschaftliche Erträge, nicht betriebswirtschaftliche Gewinne oder Kosten.
Durch die Brille des Ökonomen gesehen ist nicht Elektromobilität auf Batteriebasis, sondern Wasserstoff und dessen Weiterverarbeitung zu E-Fuel also die zukunftsfähige Lösung. Die Lösung, um in der Automobilindustrie den angesichts der Klima- und Umweltbilanz politisch erzwungenen Transformationscrash weg von der bewährten Otto- und Diesel-Verbrennertechnologie hin zur ungeliebten Elektromobilität auf Batteriebasis und damit den Verlust von Hunderttausenden Arbeitsplätzen zu entschärfen.
Wasserstoff, nachhaltig in Deutschland produziert und zusätzlich preiswert aus dem sonnigen Ausland importiert, ist volkswirtschaftlich der einzig vernünftige Ansatz, um Klimaschutz und hohes Wohlstandsniveau in Einklang zu bringen; nicht nur in Deutschland sondern weltweit.
Wasserstoff ist der einzige Energieträger, um die deutsche Autoindustrie langfristig und auf Dauer am Leben zu halten.