Tichys Einblick
Einzige Hoffnung

Nur Wasserstoff kann die deutsche Autoindustrie retten

Die Euro-Abgasnormen werden den herkömmlichen Verbrennermotor strangulieren, die Säule der deutschen Automobilgeschichte. Nicht Elektromotoren, sondern der Wasserstoff-Antrieb ist die einzige Hoffnung für Deutschlands Leitindustrie - nicht in betriebswirtschaftlicher, aber in volkswirtschaftlicher Perspektive.

imago images / Jochen Eckel

In internationalen Klimaabkommen hat die Bundesrepublik sich verpflichtet, bis 2050 „klimaneutral“ zu sein. Bis dahin muss also die Industrie, insbesondere Stahl- und Zementwerke und ähnliche, die Produktion entsprechend umstellen, die Verkehrsflotte zu Land, zu Wasser und in der Luft nur noch klimaneutral betrieben und Häuser beheizt werden, will man das weitere Anwachsen des CO2 Ausstoßes künftig zum Stillstand bringen – Folge: Aus heutiger Sicht ein kaum vorstellbarer Wandel in der gesamten Wirtschafts- und Mobilitätsstruktur einer hochmodernen deutschen Industriegesellschaft. Dagegen war die bisherige Merkelsche Energiewende noch ein harmloses Unterfangen!

Neben den Haupt-Emittenten Energie- und Wärmeerzeugung sowie Landwirtschaft ist der Verkehrssektor am anthropogenen CO2-Ausstoß mit etwa 20 Prozent beteiligt, die Pkw-Flotte alleine etwa mit 12 Prozent. Da der Individual-Verkehr aufgrund seiner täglichen Stau-Ärgernisse und vor allem innerstädtischen Abgas-und Lärmbelastungen, verstärkt noch durch die Diesel-Abgasmanipulationen ohnehin massiv ins Fadenkreuz der öffentlichen Kritik geraten ist, konzentrierte sich die Umweltpolitik vor allem auf die Senkung der Emissionen von CO2 und NOx im Straßenverkehr. 

Das war die Geburtsstunde der Euro-Abgasnormen, die 2007 eingeführt, bis zur heutigen Euro6d-TEMPNorm schrittweise verschärft wurden und bis 2030 weiter verschärft werden – für den Verbrennermotor dann strangulierend. Folgerichtig nahm die Politik auf deutscher wie auf EU-Ebene vor allem den Pkw-Straeßnverkehr in den Zugriff, um durch die schrittweise Vorgabe immer schärferer Abgas-Emissionsgrenzwerte die fossile Verbrennerflotte motorisch durch umweltfreundlichere zu verbessern.

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Besonders pikant: Die Hersteller, nicht die Käufer, sollten dazu gebracht werden, schließlich freiwillig oder durch die Kraft des Faktischen ihr Verbrennerangebot  sukzessive durch Elektroautos zu erweitern und am Ende ganz vom Markt zu nehmen. Für das Jahr 2030 wurden die EU-Abgas-Grenzwerte so niedrig fixiert, dass sie von Verbrennermotoren nicht mehr zu erreichen wären. Damit war der Tod des Verbrennermotors eingeläutet, der tragenden Säule des Erfolgs von einem Jahrhundert deutscher Automobilgeschichte.

Von allen Herstellern war lediglich Volkswagen unter CEO Herbert Diess bereit, sich diesem Druck rigoros zu beugen und die Entwicklung von Verbrennermotoren ab 2026 aufzugeben, um nur noch Elektroautos zu bauen. Den übrigen drohten existenziell hohe Strafzahlungen beim Absatz von Verbrennern, wie von den Kunden präferiert.

In Deutschland wurde am 8. Mai 2010 die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) gegründet, die zum Ziel hatte, bis zum Jahr 2020 eine Million Elektroautos auf deutsche Straßen zu bringen. Doch weit gefehlt: Am 1. April 2020 lag der Bestand elektrisch angetriebener Pkw einschließlich jener, die als Hybride mit Verbrenner-Zusatzmotor fahren (inzwischen mehr als Hälfte der Anzahl wie der Nutzung nach, Tendenz steigend) nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) gerade mal bei 284.000 Autos.

Damit wurde offenkundig, dass Deutschland kein Leitmarkt der Elektromobiliät werden würde, wie der Verband der Automobilindustrie (VDA) das angekündigt hatte: und dass trotz aller Milliarden an bisherigen staatlichen Kaufprämien und Investitionen in das E-Tankstellennetz (aus dem Konjunkturpaket sollen in den nächsten Jahren nochmals 2,5 Milliarden Euro zusätzlich für Elektromobilität ausgegeben werden). Der regulatorische Zugriff des Gesetzgebers beim Hersteller statt beim Käufer erwies sich als Würgegriff für die Autoindustrie: Die Kunden wollen aus vielerlei Gründen keine Elektroautos. Die Erklärung für die Kaufzurückhaltung bei Batterie-Elektroauto-Autos fasste Kurt Kister (Süddeutsche Zeitung) nach einem frustrierenden Selbstversuch so zusammen: „Jetzt noch nicht!“

Als das Desaster der NPE-Zielverfehlung und vor allem das Dilemma der Autohersteller, qua gesetzlicher Vorgaben und Existenz bedrohender Strafzahlungen Elektroautos produzieren zu müssen, die die Masse der Kunden verschmähte, nicht mehr zu vertuschen war, vollzog die Politik eine doppelte Kehrtwende in Umwelt- und Verkehrspolitik:

Soviel zur Historie der heutigen Wasserstoff-Strategie im Kontext zur umweltverträglichen Verkehrspolitik. Schlussfolgerung: Strom allein genügt nicht, notwendig ist der Rückgriff auf eine andere, altbekannte Technologie: Wasserstoff. Und zwar „grüner“ Wasserstoff, CO2-frei mit nachhaltiger Energie aus Wind und Sonne hergestellt, als omnipotenter Energieträger und „Kai aus der Kiste.“ Kurz: Wasserstoff als Garant einer klimafreundlichen Mobilität als Problemlöser in allen Industrie Sektoren. Vor allem aber zur Rettung der deutschen Automobilindustrie.

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Die Bundesregierung hat nach langem Zaudern und nicht ohne Widerstand von Umweltverbänden am 10. Juni 2020 die „Nationale Wasserstoffstrategie“ verabschiedet. Danach möchte die Bundesregierung mit dem Einsatz von rund 10 Milliarden Euro Fördergeld Wasserstoff zum Energieträger Nr. 1 in der Industrieproduktion und im Verkehr machen. Wasserstoff soll zum Exportschlager werden und Deutschland eine globale Vorreiterrolle in dieser Technologie einnehmen. Zusätzlich winken Fördergelder der EU in zweistelliger Milliardenhöhe aus dem Corona-Rettungspaket für die EU-Wirtschaft. 

Bis 2030 will die Bundesregierung Produktions-(Elektrolyse-)kapazitäten von 5 Gigawatt, bis 2040 von 10 Gigawatt aufbauen; das entspricht 10 Atomkraftwerksblöcken. Damit wäre der Anfang gemaht! Das wäre der Durchbruch! Endlich …

Denn Wasserstoff hat den Ruf eines technischen, aber auch aus Sicht eines Ökonomen, volkswirtschaftlichen Allrounders. Vorzüge in Auswahl gegenüber der Batterie-Elektromobiliät:

Die Frage ist berechtigt, warum die Politik bei so vielen Vorteilen nicht schon früher auf die Wasserstoff-Lösung gekommen ist. 

Die Antwort ist einfach. Keine Rose ohne Dornen!

Also keine Chancen für Wasserstoff im Verkehr? Ökonomen volkswirtschaftlicher Prägung haben den beruflichen Vorteil, dass sie in der Regel von technischen Zusammenhängen wenig Ahnung haben (müssen) und dass ihnen buchhalterische Kostenrechnungen auf Mikroebene ziemlich egal sind. Was im Endeffekt für den Ökonomen zählt, ist das Gemeinwohl, also per Saldo höhere volkswirtschaftliche Erträge, nicht betriebswirtschaftliche Gewinne oder Kosten.

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Nach rein betriebswirtschaftlicher Kostenrechnung rechnet sich der Einsatz von Wasserstoff  bei Produktionskosten zu deutschen Energiepreisen im Verkehr nicht, wäre E-Fuel 5 bis 7 mal so teuer wie Benzin oder Diesel. In der volkswirtschaftlichen Kostenrechnung aber schon, wenn man die hohen Verluste im Blick hat, die der Niedergang oder das Verschwinden der deutschen Autoindustrie für Wirtschaft und Gesellschaft, nur, weil strenge Umweltauflagen für die Hersteller nur in Europa gelten. Während in andern großen Weltregionen der CO2-Ausstoß ungebremst weitergeht und jede Einsparung in Europa zunichte macht.  

Durch die Brille des Ökonomen gesehen ist nicht Elektromobilität auf Batteriebasis, sondern Wasserstoff und dessen Weiterverarbeitung zu E-Fuel also die  zukunftsfähige Lösung. Die Lösung, um in der Automobilindustrie den angesichts der Klima- und Umweltbilanz politisch erzwungenen Transformationscrash weg von der bewährten Otto- und Diesel-Verbrennertechnologie hin zur ungeliebten Elektromobilität auf Batteriebasis und damit den Verlust von Hunderttausenden Arbeitsplätzen zu entschärfen.

Wasserstoff, nachhaltig in Deutschland produziert und zusätzlich preiswert aus dem sonnigen Ausland importiert, ist volkswirtschaftlich der einzig vernünftige Ansatz, um Klimaschutz und hohes Wohlstandsniveau in Einklang zu bringen; nicht nur in Deutschland sondern weltweit.     

Wasserstoff ist der einzige Energieträger, um die deutsche Autoindustrie langfristig und auf Dauer am Leben zu halten.

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