Tichys Einblick
Der elektrische Traum zerplatzt

Vom Thronsaal in die Gosse? Mercedes und Porsche kämpfen mit massiven Gewinneinbrüchen

Die Krise der E-Mobilität setzt den deutschen Automobilherstellern vermehrt zu: Mercedes-Benz und Porsche verzeichnen im dritten Quartal 2024 massive Gewinneinbrüche. Nach Mercedes zieht nun auch Porsche eine schrittweise Abkehr vom Elektroauto in Betracht.

picture alliance/dpa | Joerg Carstensen

Die tiefen Gewinneinbrüche bei Mercedes-Benz und Porsche sind maßgeblich auf die E-Mobilitätskrise zurückzuführen. In Deutschland und besonders in China ist die Nachfrage nach Elektroautos drastisch eingebrochen. Die einseitige Fokussierung auf diesen Sektor hat den deutschen Automobilherstellern schwer zugesetzt – eine Fehleinschätzung, deren Konsequenzen sie nun deutlich zu spüren bekommen.

Der Marktanteil rein batteriebetriebener Fahrzeuge in Deutschland hat im laufenden Jahr einen erheblichen Rückgang verzeichnet: Im ersten Halbjahr 2024 brachen die Verkaufszahlen im Vergleich zum Vorjahr um 12,5 % ein. Besonders alarmierend war der August, in dem laut Kraftfahrt-Bundesamt 69 % weniger Elektrofahrzeuge zugelassen wurden als noch im Vorjahresmonat – ein dramatisches Signal für die Branche.

Premium-Absatz in China bricht ein
Absatzkrise erreicht auch deutsche Premium-Hersteller
Doch auch die Bedeutung des chinesischen Markts für die deutsche Automobilindustrie ist nicht zu unterschätzen. Porsche erzielte im vergangenen Jahr etwa 25 % seines Absatzes in China, während der Anteil für Mercedes sogar bei knapp 30 % lag.
Der chinesische Markt setzt auf heimische Anbieter

Doch inzwischen werden beide Hersteller dort zunehmend von chinesischen Anbietern verdrängt. Die schwache Konjunktur in der Volksrepublik hat die Nachfrage nach den hochpreisigen Luxusmodellen von Mercedes und Porsche praktisch zum Erliegen gebracht.

Chinas Autobauer wie BYD, Geely und SAIC bieten hingegen ein überzeugendes Preis-Leistungs-Verhältnis, dem die Stuttgarter Hersteller kaum etwas entgegensetzen können. E-Autos, die früher noch rund 70.000 bis 80.000 Euro kosteten, sind nun für etwa 30.000 Euro erhältlich – und das ohne Einbußen bei Ausstattung und Konnektivität.

Der Absatz von Porsche-Elektromodellen in China stagnierte im letzten Quartal dramatisch. Im September wurden lediglich 23 Exemplare des Taycan zugelassen – die schwächste Monatsbilanz des gesamten Jahres. Übergreifend hat der Luxus-Autobauer im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahr einen weltweiten Gewinnrückgang von nahezu 27 Prozent verzeichnet.

Überfällige Revision der Elektroziele

China übernimmt Verbrenner
Neuer Super-Motor von Mercedes made in China
Angesichts der schleppenden Entwicklung im Elektrosegment plant Porsche nun einen überraschenden Kurswechsel: „Wir wollen die Verbrenner noch deutlich länger fit halten,“ betonte Meschke. Das Unternehmen prüft daher, ob Modelle, die ursprünglich für eine vollständige Elektrifizierung vorgesehen waren, künftig auch als Plug-in-Hybrid- und Verbrennervarianten erhältlich sein könnten. Ursprünglich verfolgte Porsche das hochgesteckte Ziel, bis 2030 über 80 % seiner Neufahrzeuge als reine Elektro- oder Hybridmodelle anzubieten.

Ob Porsche seine Elektroziele ähnlich stark wie Mercedes anpassen wird, bleibt abzuwarten. Mercedes-Benz hatte kürzlich seine Elektrostrategie revidiert und das ursprüngliche Ziel, bis 2030 nur noch Elektrofahrzeuge zu verkaufen, vehement gelockert: Stattdessen plant Mercedes, bis zum Beginn der neuen Dekade maximal 50 % seines Gesamtabsatzes mit Elektroautos zu bestreiten.

Mercedes-Benz befindet sich trotz Anpassungen der E-Mobilitätsstrategie jedoch weiter im Abwärtstrend. Der Konzern musste sich im dritten Quartal ebenfalls mit einem erheblichen Gewinneinbruch anfreunden. Im Vergleich zu Porsche, viel dieser jedoch noch drastischer aus.

Die Erträge sanken im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 3,7 auf 1,7 Milliarden Euro – ein Rückgang von alarmierenden 54 %. Mercedes-CEO Ola Källenius hatte bereits im September die Prognosen des Unternehmens nach unten korrigiert, doch dass der Verlust derart heftig ausfällt, war kaum vorherzusehen.

Einseitige Konzentration auf Luxussegment rächt sich

Ein entscheidender Faktor für die aktuelle Krise ist, neben den Herausforderungen im Bereich der Elektrofahrzeuge, die übermäßige Konzentration auf das Luxussegment. Viele Kunden sind einfach nicht bereit, die hohen Preisaufschläge zu akzeptieren. Besonders in China, einem der zentralen Absatzmärkte für Mercedes, suchen immer mehr Käufer nach erschwinglicheren Alternativen.

E-Auto-Krise
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Die aggressive Luxusstrategie hat außerdem negative Folgen für wichtige Geschäftsbereiche wie das Flottengeschäft. Die hohen Fahrzeugpreise und damit verbundene teure Dienstwagensteuern machen es vielen Unternehmen unmöglich, Mercedes-Modelle in ihre Fuhrparks zu integrieren, was zunehmend Marktanteile kostet.

Ein weiteres Beispiel für diese Entwicklung zeigt sich im deutschen Taxi-Geschäft: In den ersten acht Monaten des Jahres 2024 gingen die Taxi-Zulassungen von Mercedes-Fahrzeugen um 71 % zurück.

Hohe Energiekosten belasten das Geschäft

Zu den Problem im Bereich der Nachfrage, kommen die widrigen Ausgangsbedingungen, die die deutsche Automobilindustrie zusätzlich belasten. Die horrenden Energiekosten, die lähmende Bürokratie und die hohen Steuerlasten setzen den Stuttgarter Autobauern erheblich zu.

Mercedes und VW
Die Krise der Auto-Industrie ist eine Krise der Manager
Seit 1998 hat sich der Strompreis in Deutschland mehr als verdoppelt: Während er im Jahr 1998 noch bei 17,11 ct/kWh lag, so stieg dieser in 2024 auf über 40 ct/kWh an. Ein wesentlicher Faktor für die gigantische Preiserhöhung ist die Abschaltung der Atomkraftwerke, die Deutschland früher effektiv und kostengünstig mit Strom versorgten.

Durch die Abkehr von der Atomkraft und den flächendeckenden Ausbau der erneuerbaren Energien sind gigantische Mehrkosten entstanden. Der Ausbau hat laut mehreren Studien bereits einen dreistelligen Milliardenbetrag verschlungen.

Der „Fortschrittsmonitor Energiewende“ – eine Studie des Bundesverbands der Energie-und Wasserwirtschaft (BDEW) und Ernst & Young (EY) – beziffert den zukünftigen Investitionsbedarf bis 2030 auf bis zu 721 Milliarden Euro.

Die Unstetigkeit von Solar- und Windkraft, die nur bei günstigen Wetterbedingungen Strom liefern können, treibt die Preise zusätzlich in die Höhe. Hinzu kommen Steuern, Abgaben und Umlagen, die im Jahr 2024 etwa 29 % des Gesamtstrompreises ausmachten.

In Zeiten akuter Energieunsicherheit wäre es Aufgabe der Bundesregierung, diese Abgaben deutlich zu senken oder idealerweise ganz entfallen zu lassen. Damit könnte nicht nur die Industrie eine kostengünstigere Energiequelle erhalten, sondern auch private Haushalte würden spürbar entlastet.

Weitere Faktoren: Bürokratie und Abgabenlast

Auch die überbordende Bürokratie trifft die Unternehmen hart: Das Lieferkettengesetz, langwierige Genehmigungsprozesse und das komplexe Steuerrecht erweisen sich als massive Hindernisse.

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In puncto Steuern steht Deutschland international als Hochsteuerland da. Der kombinierte Körperschaftssteuersatz (inklusive Gewerbesteuer) beträgt durchschnittlich 29,94 % und wird weltweit nur von wenigen Ländern, wie beispielsweise Kolumbien (35 %) oder Portugal (31,5 %) übertroffen. Diese hohen Steuern untergraben zusätzlich die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands.
Die Politik muss Rahmenbedingungen verbessern

Abschließend muss festgehalten werden, dass die deutsche Automobilindustrie sich in einer kritischen Lage befindet. Die Notwendigkeit, sich aus der einengenden Fixierung auf die Elektromobilität zu befreien und einen ganzheitlichen Ansatz zu verfolgen, wird immer drängender.

Um den richtigen Kurs wieder einschlagen zu können, ist jedoch auch die Unterstützung der EU-Kommission und der Bundesregierung unerlässlich. Der Rettungsplan für die deutsche Automobilindustrie erfordert rigorose Lockerungen der Klimaziele sowie eine spürbare Entlastung des Wirtschaftsstandorts Deutschlands durch Bürokratieabbau und Steuererleichterungen.

Zudem ist eine Senkung der Energiekosten notwendig, um den Unternehmen die Luft zum Atmen zu verschaffen. Nur so kann die Branche ihre Innovationskraft zurückgewinnen und im internationalen Wettbewerb bestehen.

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