Tichys Einblick
Kurzarbeit wegen Nachschubmangel

Mangel an Computerchips wird zum Engpass der Auto-Industrie

Das wird langsam zu einer echten Bedrohung für die deutsche Autoindustrie: Chipmangel – 16.000 Beschäftigte bei Audi mussten unlängst wieder in Kurzarbeit. Deutschland hat sich von elementaren Industrien verabschiedet.

Alle Bänder stehen still, wenn der Chip es will. Audi musste in seinem Stammwerk in Ingolstadt in den vergangenen Wochen mehrfach die Produktion komplett stilllegen. Der Mangel an elektronischen Bauteilen ist mittlerweile so groß geworden, dass keine Autos mehr gebaut werden können.

Schon sehr heftig ist, was sich seit Wochen hinter den Werkstoren der Automobilhersteller abspielt. Es sind nicht mehr genügend Computer-Chips vorhanden. Die aber spielen in den elektronisch hochgerüsteten Autos eine immer zentralere Rolle. Ohne Computer setzt sich kein Auto mehr in Bewegung; nicht nur Navigation und Unterhaltungselektronik benötigen Computer, sondern auch den Motor überwacht eine Steuerelektronik, Kameras ersetzen Rückspiegel, Einparkautomatiken das Einparkenkönnen, hunderte von Sensoren liefern Daten, ohne die sich kein Auto mehr in Bewegung setzt. Der elektronische Aufrüstungswahn geht unvermindert weiter.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Fehlende Computerchips sorgen schon seit längerem für Nervosität bei den Autoherstellern. VW hatte bereits im Dezember Engpässe bei den Chips gemeldet. Kurzarbeit bei VW in Emden, bei Daimler in Bremen sowie im Kompaktwagenwerk in Rastatt als auch beim Zulieferer Hella sind die bisher bekannten gewordenen Folgen. Auch andere Autohersteller wie die französische PSA-Gruppe, Honda und Nissan sind betroffen.

Die wenigen weltweiten Chipfabriken produzierten im vergangenen Jahr ihre Halbleiter für Geräte in der Unterhaltungsindustrie und hatten kaum Kapazitäten für die Autohersteller. Die hatten zudem als Folge des Einbruchs auf dem Autosektor weniger Chips geordert.

Kritisch für die Verfügbarkeit von Chips wirkten sich auch die Stromausfälle in Texas aus, als während der Kältewelle Mitte Februar keine Energie mehr verfügbar war. Der texanische Netzbetreiber Ercot stellte nicht nur Bewohnern, sondern auch Chip-Fabriken den Strom ab. Die mussten ihre Produktion herunterfahren und konnten die Autoindustrie nicht mit Halbleitern beliefern. Schöne Aussichten in Sachen Energiewende, wenn hierzulande der Strom abgestellt werden muss.

China litt im vergangenen Sommer unter einem Strommangel, weil aufgrund einer Trockenheit Wasserkraftwerke nicht produzieren konnten. Resultat: Zu wenig Energie für die stromintensive Herstellung von Siliziumwafern und eine geringere Produktion.

Branchenreport Elektromobilität
Der Markt für Elektroautos verliert an Dynamik
Die Autoindustrie dürfte der Mangel an Computerchips weltweit rund 61 Milliarden Dollar kosten. Kritisch kann das für die deutsche Wirtschaft werden. Die ist bei digitalen Technologien zu stark auf Importe angewiesen, wie eine repräsentative Umfrage des Digitalverbandes Bitkom ergab. Dessen Präsident Achim Berg verwies darauf, dass 94 Prozent der Unternehmen von diesen Importen abhängig seien: »Eine große Mehrheit der Unternehmen in Deutschland hält sich für nur kurzzeitig überlebensfähig, wenn digitale Technologien beziehungsweise Dienstleistungen plötzlich nicht mehr aus dem Ausland bezogen werden könnten.« Hier macht sich die bedrohliche Abhängigkeit von asiatischen Herstellern bemerkbar.
Die Werke produzieren zwar größtenteils wieder. Doch der Handelskrieg zwischen USA und China geht weiter, chinesische Hersteller wie Huawei kaufen gerade die Märkte leer. Dazwischen sitzt die deutsche Autoindustrie und muss um einen der wichtigsten Rohstoffe der Neuzeit bangen.

Denn Halbleiter-Produktionsanlagen benötigen einzeln gefertigte Hightech-Maschinen in Reinsträumen und sind daher so extrem teuer, dass nur noch vier oder fünf Firmen weltweit die technisch sehr anspruchsvollen Halbleiter produzieren können. Folge: Jede dieser Fabriken muss randvoll ausgelastet sein, damit sie sich überhaupt rechnet.

Frank Bösenberg, Geschäftsführer des Branchennetzwerkes Silicon Saxony e. V., weist in einem Gespräch mit dem Branchenmagazin all-electronics daraufhin, dass Autohersteller nicht die höchste Priorität für Chiphersteller haben, nicht zuletzt aufgrund ihrer rüden Verhandlungs- und Preisgestaltungsmethoden: »Der Hersteller hat daher nur marginale Puffermöglichkeiten, und das haben erstaunlicherweise viele Kunden scheinbar noch nicht verstanden – vor allem gepaart mit diesen langen Vorlaufzeiten. Eigentlich muss jede Firma, deren Produkte und Lösungen auf Halbleitern beruhen, ihre Produktspezialisten und Einkäufer für die Komplexität der Lieferkette und Halbleiterherstellung sensibilisieren. Das Unverständnis bei den Kunden – und das sind teilweise nur Kunden der zweiten und dritten Ebene – ist absolut erschreckend, wenn man bedenkt, wie abhängig sie von den Halbleiterprodukten sind.«

Europa habe in den letzten 20 Jahren die Wertschätzung für die Halbleiterindustrie verloren, betont Guido Überreiter von Chiphersteller Globalfoundries in demselben Gespräch. Fast alle Hersteller sitzen in Asien oder USA. »Sollten sich die politischen Meinungsverschiedenheiten zwischen Taiwan und China einmal manifestieren, droht eine Reglementierung bei Halbleitern – ein sehr gefährliches Szenario.«

Es geht dabei auch um die technologische Vorherrschaft, die gerade China in seinem Kampf gegen die USA an sich reissen will. Währenddessen spielt Europa mit Windrädchen angeblich moderne Zukunft.

Anzeige
Die mobile Version verlassen