Tichys Einblick
IAA Mobility 2023

IAA: Jubelarien mit Schlagseite

Mit quietschbuntem Klamauk hat sich die IAA in diesem Jahr über Wasser halten können. Die Veranstalter feiern den Erfolg, obwohl die Autohersteller bereits lange Gesichter machen, weil China Deutschland den Rang abläuft.

IMAGO / STL

Die IAA 2023 in München hat ihre Pforten geschlossen, „Open Space“ in Form der schönsten historischen Plätze der bayerischen Landeshauptstadt gehören wieder Einheimischen und Normal-Touristen.

Wie stets nach Ende seiner Automessen hat der Verband der Autoindustrie (VDA) als Veranstalter – neben Messe München und Stadtrat – umgehend den Erfolg der einwöchigen Veranstaltung in den höchsten Tönen gelobt und bejubelt: „IAA MOBILITY 2023: Mobilitätsfestival in München begeistert und fasziniert mehr als eine halbe Million Menschen.“ Und hat dabei geflissentlich alle negativen Begleiterscheinung der Automesse beiseitegelassen.

IAA Mobility in München
Die Internationale Automobilausstellung fährt das Auto vor lauter Angst an die Wand
Richtig ist, dass 2023 die IAA 100.000 mehr Besucher angezogen hat als im Corona-Jahr 2021. Aber dabei wird völlig verschwiegen, dass auf den früheren IAAs, wo ausschließlich Lack, Chrom und hübsche Messehostessen auf den Verbrenner-Messeständen dominierten, die Besucherzahl regelmäßig um die Millionengrenze schwankte – und das in den drögen Frankfurter Messehallen. Das abnehmende Publikumsinteresse am früheren Faszinosum Automobil hat sich damit fortgesetzt. Mit Ausnahme von Shanghai und Peking haben alle renommierten Automessen und Autosalons in Genf, Paris, Detroit etc. bereits die Reißleine gezogen.

Kein Wunder, denn die Devise der diesjährigen IAA hieß: „Verbrenner raus, Elektroauto rein!“ Und Petrol-Heads und Elektromobiliät-Skeptiker sahen sich bestätigt: Batteriereichweiten, KW-Verbräuche, Ladezeiten und KW-Ladekapazitäten, kurz Electric Only faszinieren in der Realität das breite Publikum nicht, sondern lediglich Umweltfreaks und Klima-Politiker. Es dominierten eine Vielzahl junger chinesischer Hersteller von Elektroautos, die den deutschen Platzhirschen allerorten die Show stahlen.

Andererseits ist es dem VDA immerhin gelungen, mit einem gekonnten und bestens organisierten, quietschbunten Info- und Unterhaltungsprogramm rund um das Thema Mobilität die IAA vorerst zu retten. Sonst wären nicht 500.000 Besucher aus dem In- und Ausland gekommen. Dabei dürften die Attraktivität Münchens als bayerische Metropole und der strahlende Himmel eine wichtige Rolle gespielt haben – sowie das „Mobilitäts-Festival“.

Letzteres aber nicht wegen seiner einseitigen Ausrichtung auf Elektroautos; die sind nur als fahrbare Kommunikations- und Unterhaltungsobjekte von Interesse und für Motoren- und Hochleistungsfreaks völlig unsexy. Das Publikum strömte vor allem wegen der Info- und Entertainment-Veranstaltungen für die Familien und die Jüngsten, die Kulturbühne mit internationalen Gesangstars, dazu Oldtimern und Rennwagen zu den Ständen. Für die Radfahrer gab es Probefahrten im Englischen Garten sowie Fahrradwaschanlagen.

Manche behaupteten sogar, das Fahrrad sei der heimliche Star der diesjährigen IAA gewesen. Die eigentlichen Messehallen mit Bundeskanzler Olaf Scholz als prominentestem Besucher zur Eröffnung blieben nur Fachbesuchen vorbehalten. Sie waren wesentlich ausgedünnter besucht. Lange Gesichter bei den Ausstellern waren die Regel.

IAA Mobility in München
Die neue IAA in München oder wie zerstört man die deutschen Autohersteller?
Die Faszination Auto kann es jedenfalls kaum gewesen sein, denn Verbrennerautos waren auf den Messepalästen der Hersteller, auf Freiflächen und der Messe München selber nicht zu sehen: Die Newcomer aus China hatten keinen, die traditionellen Hersteller haben auf Anraten des VDA von einer Präsentation abgesehen und nur Showcars und visionäre Zukunftsstudien aufgestellt. Die Ausnahme war Porsche mit einem Hyper Porsche 911, versteckt im Winkel seines Pavillons auf dem berühmten Promenadeplatz.

Für den VDA dagegen war das Festival der Mobilität ein voller Erfolg: „München (wurde) zum Zentrum der Zukunftsmobilität und lockte faszinierte Besucherinnen und Besucher aus aller Welt auf die Leistungsshow der Innovationen auf dem Messegelände und die Mobilitäts-Show unter freiem Himmel in der Innenstadt. Mehr als 500.000 Menschen kamen zur IAA MOBILITY 2023, allein am Samstag besuchten über 100.000 Menschen den Open Space.“

Dazu in Kurzform aus der Pressemitteilung des VDA: „Besucheransturm auf IAA MOBILITY 2023: Begeisterung und Faszination für die Mobilität der Zukunft – Branche präsentiert Leistungsshow der Innovationen mit mehr als 300 Weltpremieren und Neuheiten – Rekordwerte bei der Internationalität von Ausstellern, Rednern, Gästen und Journalisten – Über 3.700 akkreditierte Journalisten aus 82 Ländern – Internationale Berichterstattung steigt über 70 Prozent im Vergleich zu 2021 – Besucherumfrage: 92 Prozent bewerten IAA MOBILITY als ausgezeichnet bis gut, zwei Drittel der Besucherinnen und Besucher unter 40 Jahre alt.“

Und mehr noch: „Die diesjährige IAA MOBILITY 2023 war (…) wegweisend für die Mobilität der Zukunft. Die deutsche Automobilindustrie ist selbstbewusst und zeigt sich entschlossen – wir sind bereit für die Herausforderungen der Zukunft. Wir sind zuversichtlich, mit unseren Innovationen im weltweiten Wettbewerb die Standards zu setzen. Die IAA MOBILITY ist ein Aufbruchssignal, die Automobilindustrie zeigt die Willensstärke und die Innovationsfähigkeit, die es braucht, um die Transformation zu einer gemeinsamen Erfolgsgeschichte zu machen. Das ist der Spirit, der von München in die Welt geht.“

IAA Mobility 2023
Zeitenwende im Automobilmarkt – Die Chinesen kommen, die Deutschen fahren hinterher
Nicht alle Besucher der diesjährigen IAA Mobility ließen sich davon überzeugen. Die Autoschau ging zwar mit 100.000 Besuchern allein am Samstag, aber auch mit teils spektakulären Protestaktionen zu Ende. Am Rande und innerhalb des Open Space gab es eine Fülle von Demonstrationen gegen das Auto und die Mobilität, für das Fahrrad und für den Klimaschutz. Die Polizei musste sogar mit Schlagstöcken und Festnahmen von Demonstranten eingreifen.

Denn: „Die IAA MOBILITY kam bei den Besucherinnen und Besucher sehr gut an, so das Ergebnis einer Befragung der Gelszus Messe-Marktforschung GmbH. 92 Prozent bewerten die IAA MOBILITY mit ausgezeichnet bis gut. 94 Prozent der Befragten würden die IAA MOBILITY weiterempfehlen. Für den Großteil der Besucherinnen und Besucher stand das Auto im Vordergrund des Interesses; mehr als ein Viertel der Befragten kam wegen der ausgestellten Fahrrad- und Mikromobilität. Die IAA MOBILITY spricht insbesondere ein junges Publikum an – 64 Prozent der Besucherinnen und Besucher waren unter 40 Jahre alt. Auch rund 89 Prozent der Fachbesucher bewerteten das Erlebnis und die Atmosphäre der IAA MOBILITY als ausgezeichnet bis gut. Die Internationalität der IAA MOBILITY bewerten knapp 92 Prozent der Aussteller, Journalisten und der Besucher als ausgezeichnet bis gut.“

Schließlich, so Hildegard Müller, Präsidentin des VDA: „Die Bilder, die in den letzten Tagen aus München in die Welt gesendet wurden, zeigen, dass wir mit Zuversicht in die Zukunft blicken können und dass die deutsche Automobilindustrie ihre Mission – mit Innovationen und Leidenschaft die Menschen für ihre Konzepte und Lösungsansätze zu begeistern – mit voller Kraft angeht. Sie dokumentieren zugleich, dass wir entschlossen sind, dass Deutschland auch in Zukunft Autoland bleibt. Autoland im Sinne des Klimas, der Menschen und des Wohlstands.“

Bleibt nur die Hoffnung, dass die Umweltpolitik nicht auch noch die Elektroautos verbietet, weil es Grünstrom auf Jahrzehnte hinaus in Deutschland nicht genügend geben wird.

Das Finale der IAA endete trotz aller vorheriger Proteste bunt und friedlich. Die Planungen für die IAA 2025 in München hat der VDA bereits aufgenommen, Stadtrat und Messe München machen mit.

Fazit der IAA 2023: Alle waren zufrieden – Veranstalter, Polizei, Publikum. Nur die deutschen Autohersteller nicht. Die mussten ihre frühere Poleposition an die chinesischen Hersteller und Newcomer abtreten. – Und das war wohl nicht im Sinne der Erfinder.

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