Grundsätzlich sei eine Zwangshaft für Politiker bei Verstößen gegen EU-Recht nicht ausgeschlossen. Das verkündeten Richter am Europäischen Gerichtshof (EuGH) heute in einem Verfahren, das ursprünglich der umstrittene Abmahnverein Deutsche Umwelthilfe e.V. angestrengt hatte. Allerdings knüpfte der EuGH zwei Voraussetzungen daran: Im deutschen Recht müsse es eine hinreichend zugängliche, präzise und in ihrer Anwendung vorhersehbare Rechtsgrundlage geben, und sie legten vor allem Wert auf die Bedingung der Verhältnismäßigkeit. Die war von deutschen Verwaltungsrichtern bei den Klagen der DUH in letzter Zeit kaum berücksichtigt worden, obgleich dies seinerzeit der Richter beim Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig ausdrücklich forderten. Geprüft werden müsse immer, ob ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge verhältnismäßig sei.
Im konkreten Fall, den die DUH spektakulär gegen den Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) angestrengt und bis vor den EuGH geführt hatte, lehnte der Europäische Gerichtshof jedoch ein Urteil zur Anordnung von Zwangshaft für Söder ab und verwies den Fall zurück nach Deutschland.
Der zuständige Generalanwalt hatte zuvor in einem Gutachten ausgeführt, dass geltendes EU-Recht für eine solche Anordnung als rechtliche Grundlage nicht ausreiche.
Jetzt muß der Bayerische Verwaltungsgerichtshof eine Entscheidung in dem konkreten Fall überprüfen. Er hatte allerdings schon vor dem Verweis des Verfahrens an den EuGH betont, das die Verhängung von Zwangshaft aus verfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen sei.
Die DUH klagte dagegen, dass die Landesregierung ein von ihr 2012 ebenfalls erstrittenes Urteil für Fahrverbote in der Landeshauptstadt nicht umgesetzt habe.
Wie mehrfach berichtet, klagt die Deutsche Umwelthilfe wegen angeblich zu hoher Schadstoffe in der Luft gegen 39 Städte. Einige der Städte gehen gegen die Urteile vor, andere beachten sie nicht und Ministerpräsident Söder lehnt Fahrverbote als unverhältnismäßig ab.
Nicht zur Diskussion steht bisher die Platzierung der Messstationen in den Städten. Die stehen in Deutschland bekanntlich häufig so, dass sie möglichst hohe Werte produzieren, im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern, in denen die Luft messtechnisch sauberer als hierzulande ist.
Hamburg, Stuttgart und Berlin verhängten fleißig Verbote für Dieselfahrzeuge. Die bayerische Landeshauptstadt München dagegen führt die Umwelthilfe kunstgerecht vor.
Denn nur einige Messstationen zeigen Stickstoffdioxidwerte an, die leicht über den niedrigen Grenzwerten liegen. Die Stadt München beruft sich auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Aachen vom 31.7.2019, nachdem auf ein Fahrverbot verzichtet werden kann, wenn aufgrund der angeordneten Maßnahmen Stickstoffdioxid-Emissionen stetig abnehmen, beziehungsweise wenn mit einem Fahrverbot – etwa wegen einer notwendigen Vorlaufzeit bei dessen Einführung – die Grenzwerte nur unwesentlich schneller als mit Fahrverbot eingehalten werden könnten, wie die Münchner Umweltreferentin Stefanie Jacobs gegenüber Focus online ausführte.
Die Luft sei in den Wohngebieten gut, sagte sie weiter, »auch an vielen Straßenabschnitten kann der gesetzliche Jahresgrenzwert für Stickoxide eingehalten werden.«
Nur an wenigen Messstellen an stark befahrenen Abschnitten des Innenstadtrings verzeichneten die Messapparaturen erwartungsgemäß leichte Überschreitungen der Grenzwerte.
Doch ein Fahrverbot an diesen Stellen will die Stadt nicht, das würde nur zu einer Verlagerung des Verkehrs in die umliegenden Seitenstraßen führen, die meist auch noch durch Wohngebiete gehen. Die Folge wäre eine Zunahme der Stickoxidbelastung und damit eine Verschlechterung der Luftqualität in den Wohngebieten. Das Umweltreferat weist zudem darauf hin, dass die Luftwerte in den vergangenen Jahren sich deutlich verbessert haben.
Die Grundlage der Schadstoffwerte sind zudem Hochrechnungen auf der Basis von Messwerten, die schon drei oder vier Jahre alt sind. Mittlerweile hat sich durch die Einführung neuer moderner und sauberer Dieselfahrzeugen die Situation wesentlich weiter verbessert.
Die Stadt München will insgesamt den Autoverkehr in der Innenstadt deutlich reduzieren, Bus und Bahn stärken und so die Verkehrsströme reduzieren.
Die Deutsche Umwelthilfe wiederum deutet das jüngste EuGH-Urteil zu einem glatten Sieg des Abmahnvereins um: »Erfolg der Deutschen Umwelthilfe vor dem Europäischen Gerichtshof: Zwangshaft gegen Amtsträger des Freistaates Bayern ist wegen gravierender Rechtsverstöße unter bestimmten Voraussetzungen zu verhängen.«
Die DUH benutzt die spektakulären Verfahren auch, um Spenden zu generieren. Sie führt die »Autokonzerne« an sowie Politiker, die sich »immer wieder über die von uns erwirkten Gerichtsurteile für die saubere Luft hinwegsetzten«. Also muss weiteres Geld her: »Mit immer absurderen Argumenten versucht die Stadt Berlin aber auch die Landesregierungen in NRW, Hessen, Rheinland-Pfalz, Bayern und Baden-Württemberg die von der DUH erstrittenen Gerichtsentscheide zu umgehen. Daher müssen wir in vielen Ländern erneut vor Gericht ziehen und die Einhaltung der Gerichtsentscheidung durch die Regierung einklagen. Im Juni waren wir daher gezwungen, auch in Berlin in die Zwangsvollstreckung zu gehen, am 29. November wird erneut verhandelt. Für solche Klagen in zweite und dritte Instanz fehlt uns aber aktuell die Finanzierung. Bitte helfen Sie uns mit Ihrer Spende oder noch wirksamer als oder Fördermitglied.« Das kann auch ein Geschäftsprinzip sein: Spenden sammeln – auch von Autobesitzern, um dann gegen ihre Autos zu klagen.