Tichys Einblick
Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Droht VW das Schicksal von Ford?

Es gibt bei beiden Autoherstellern Gemeinsamkeiten in den Ursachen für ihre Probleme, aber mehr Unterschiede. Indessen: Eine Warnung sollte der Niedergang von Ford für das Traditionsunternehmen in Wolfsburg schon sein. Gegen Ignoranz und Fehlentscheidungen in der Führung hilft auch Größe nichts.

picture alliance / Jochen Eckel | Jochen Eckel

Wie sich die Ereignisse ähneln: Der deutsche Automobil-Champion Volkswagen will wegen Absatzproblemen bei Elektroautos und zu hohen Kosten Tausende Mitarbeiter entlassen, Löhne senken und Werke schließen; IG Metall und Betriebsrat haben heftigen Widerstand angekündigt, ein harter Streik steht bevor. Traditions-Autohersteller Ford-Köln, nach seiner Degradierung im Sommer 2024 heute nur noch Niederlassung der Muttergesellschaft Ford (Dearborn, USA), hat fast aus den gleichen Gründen einen weiteren Kahlschlag von 2900 Beschäftigten in Köln angekündigt, schickt die Belegschaft für Wochen in Kurzarbeit, schließt 2025 sein Traditionswerk Saarlouis; der Betriebsrat hat heftigen Widerstand angekündigt, Streik nicht ausgeschlossen.

Diese Entwicklung wirft die Frage auf: Droht VW das gleiche Schicksal wie Ford? Stellt sich auch bei Volkswagen die Existenzfrage? Oder anders betrachtet: Ist Martin Sander, bis Ende Juni 2024 noch CEO bei Ford, danach abrupter Wechsel als Vertriebs- und Marketingchef zu Volkswagen, aus dem Regen direkt in der Traufe gelandet?

Gemeinsam ist beiden Traditionsherstellern, dass die Umstellung des Geschäftsmodells weg vom Verbrenner hin zum Elektroauto auf reine Batteriebasis (BEV), beflügelt durch das weltweit einmalige Verbrennerverbot 2035 in der und durch die EU, den Unternehmen zum Verhängnis geworden ist. Beide haben viel in die Transformation zur Elektromobilität, in Modelle und Werke investiert: Das Geld ist weg, der Rückfluss bleibt aus. Beide haben immense Kostenprobleme bei sinkender Auslastung und sinkender Nachfrage nach ihren Elektroautos. Ansonsten sind die Unterschiede jedoch eklatant.

Der Volkswagen-Konzern hat drei Baustellen, davon eine Dauerbaustelle:

Ford-Köln hat keine Chinaprobleme, sondern ist nur in Europa präsent. Die Baustellen von Ford unterscheiden sich teilweise erheblich von jenen von VW. Das Hauptproblem bei Ford sind fehlende Kunden, zu hohe Kosten und hanebüchene Fehleinschätzungen des europäischen und deutschen Marktes durch die Konzernmutter im fernen Amerika, sowie die dort getroffenen strategischen Fehlentscheidungen für ihre Konzerntochter in Köln. Zu den Ursachen für die schwierige Lage bei Ford ist im Grunde hier bei TE bereits alles gesagt worden. Im Groben sind das:

In Summe ist Ford Köln ein Lehrbuchbeispiel dafür, wie ein traditionsreiches Automobilunternehmen durch unfähiges Management drüben wie hüben des Großen Teiches langsam, aber sicher ins Abseits manövriert wird.

Der Niedergang der Traditionsmarke Ford – im Oktober 1930 legte der legendäre Firmengründer Henry Ford gemeinsam mit Oberbürgermeister Konrad Adenauer in Köln-Niehl den Grundstein für das Ford-Werk in Deutschland – ist beispiellos:

Ein hoffnungsfroher Aufbruch in die Elektro-Zukunft sieht anders aus – bei Ford geht die Existenzangst um. Vieles deutet darauf hin, dass der Niedergang von Ford inzwischen zum Selbstläufer geworden ist, die Kauf-Zurückhaltung der Kunden kommt vom Rückgang des Absatzes.

Über allem schwebt die Befürchtung, dass die angekündigte Kurzarbeit in Köln für die Ford-Mutter in Dearborn nicht das Ende der Maßnahmen zur Kostensenkung in Europa und Deutschland sein wird. Der Rückzug von GM aus Europa durch den Verkauf von Opel an Stellantis steht als Beispiel im Raum. Und die Konzernmutter Ford hat selber stark mit Verlusten aus der E-Mobilität zu kämpfen. Denn die Probleme mit den E-Autos beschränken sich nicht auf Europa. Für die USA hat Ford eine Elektro-Version seines Bestsellers F-150 entwickelt – trotz staatlicher Förderung ein Flop. Während sich der Verbrenner hervorragend verkauft, verursacht der eF-150 pro Einheit 130.000 US-Dollar Verlust. – Die Produktion ist inzwischen gedrosselt worden. – Und in Zukunft droht Trump mit einer Renaissance der fossilen Industrien und Verbrenner.

In Drosselung der Produktion von Elektroautos kennt sich der VW-Konzern ebenfalls bestens aus: Emden, Zwickau, Dresden, Osnabrück heißen die Stationen, von den Zulieferwerken ganz zu schweigen. Droht also bei VW der gleiche Niedergang wie bei Ford? Ist die Existenz bedroht?
Grundsätzlich: Es gibt bei beiden Autoherstellern große Gemeinsamkeiten in den Ursachen, aber wesentlich mehr Unterschiedliches.

Eine Existenzfrage stellt sich bei VW nicht, noch nicht! Dagegen kämpfen CEO Oliver Blume und Kollegen aktuell heftig an, auch wenn Streik droht. Noch immer macht der VW-Konzern hohe Gewinne, kann sich den bestbezahlten Vorstand der ganzen Autoindustrie leisten, ist dabei, China – unabhängig von Wolfsburg – neu aufzubauen, und durch Kooperation mit dem chinesischen Start-up Xpeng und die Übernahme des E-Auto-Spezialisten Rivian in USA das Bauen marktfähiger Elektroautos zu lernen. Und vor allem: Der Verbrenner erhält bei VW intern klammheimlich eine neue Wertschätzung, wenn auch bis dato nur unter Verrenkungen.

Indessen: Eine Warnung sollte der Niedergang von Ford für das Traditionsunternehmen in Wolfsburg schon sein! Gegen Ignoranz und Fehlentscheidungen in der Führung hilft auch Größe nichts.
„Gestern noch auf stolzen Rossen, heute durch die Brust geschossen …“ – so schnell kann’s gehen!

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