Tichys Einblick
E-Auto

Dissens um Zukunft der Elektroautos erfasst Prognostiker

Die Auseinandersetzung zwischen Gegnern und Befürwortern von Elektroautos und jeweils solchen mit fossilen Verbrennermotoren hat inzwischen auf das automobile Analyse- und Prognosegewerbe übergegriffen. Natürlich rein sachlich und wissenschaftlich fundiert, aber dem Inhalt von veröffentlichten Studien nach nicht minder konträr.

picture alliance / Jochen Tack | Jochen Tack

Anfang Mai d.J., also mitten in der Zeit des allgemeinen Trübsal Blasens der gesamten Autobranche einschließlich der einschlägig vorbelasteten Medien wegen Absatzeinbrüchen bei Elektroautos , unterausgelasteter Werke und Personalabbau, stornierter Batterieaufträge und auf breiter Front gekappter Investitionen in die E-Mobilität kommen die Marktforscher von Dataforce in ihrem „EU Passenger Car Report 2024“ zu einem völlig anderen und überraschend positiven Marktprognose für die Zukunft von E-Autos.

Nach Dataforce werden Elektroautos in Europa in den nächsten Jahren einen steilen Absatzanstieg haben und 2029 Verbrenner überholt haben. Hatten BEVs zuletzt europaweit einen Marktanteil an den Pkw-Neuzulassungen von 16 Prozent, steigt er laut Dataforce im Jahr 2025 auf 23 Prozent und bis 2029 mit 48 Prozent auf mehr als das Doppelte. Der Marktanteil der Verbrenner halbiert sich und liegt dann nur noch bei 34 vH.

D.h. ab 2028 soll fast jedes zweite der jährlichen ca. 13 Millionen Neuzulassung in Westeuropa ein Batterie- Elektroauto (BEV)sein. Der BEV- Marktanteil erreicht dann knapp 50 vH. In Summe wäre das ca. 7-8 Millionen neu Batterie- Elektroautos jährlich. Hybride (HV) und Plug-In-Hybride(PHEV) kämen noch hinzu, sind aber im Kern nur Verbrenner mit angedocktem Elektromotor werden statistisch nur nach politisch verordneter Definition und wohlwollenden, „grün“ angehauchten Medien antriebstechnisch als Elektroautos verbucht.

BEV werden also nach Dataforce Prognose 2029 den bis dahin dominierenden Verbrennermotor im Markt überholen. Eine sehr ambitionierte Prognose, denn im vergangenen Jahr 2023 waren noch knapp zwei Drittel (64 Prozent) der neu zugelassenen Pkw mit Benzin- oder Dieselmotor ausgestattet, und nur 16 vH mit Batterie-Elektroantrieb, und 18 vH Hybrid (PHEV+HEV). Der Verbrenner-Anteil würde nach Dataforce bis 2029 kontinuierlich auf 34 vH absinken.

Bekanntlich ist „des einen sein Uhl ist des anderen sein Nachtigall“: umgekehrt soll nach Dataforce der Anteil der Batterie-Elektroautos BEV bis 2029 auf 48 vH, fast die Hälfte des Marktes, steigen. Die restlichen 18 Prozentpunkte Marktanteil entfallen auf Plug-In-Hybride (PHEV) und Sonstige Antriebe.

Die frohe Botschaft dieser Prognose für die EU-Politik wie für die Autohersteller lautet also: Haltet durch! Gegen Ende dieses Jahrzehnts ist jedes zweite neu zugelassene Auto in Europa ein Voll-Elektroauto. Der Elektroantrieb wird sich durchsetzen, auch ohne Förderprogramme.
Für die kräftigen Zuwächse der Elektroautos führt Dataforce mehrere Ursachen auf: strengere CO2-Ziele bereits im nächsten Jahr (indirekt vermutlich verbunden mit höheren Steuern auf fossile Treibstoffe); höherer Nutzerkomfort durch weitere technische Fortschritte bei Batterien mit dem Ergebnis größerer Reichweiten und besserer Ladefähigkeiten; weiter für sinkende Preise bei E-Autos als Folge von Größenvorteilen und verschärftem Preiswettbewerb mit neuen Wettbewerbern aus China (z.B BYD, Leapmotor ,Xpeng, Nio etc.)

Die Ausgangslage für diese optimistische Marktprognose der Marktforscher von Dataforce für den künftigen Absatz von Elektroautos ist alles andere als berauschend: Denn Fakt ist, dass E-Autos eine Durststrecke bevorsteht!

Der Markt für neue Elektroautos – noch schlimmer für gebrauchte – befindet sich weltweit, sogar in China, im Abwärtstrend, die Marktanteile sinken, in fast allen europäischen Ländern werden die vorjährigen Zulassungsniveaus um bis zu 30 Prozent verfehlt.

Aktuell im Mai 2024 sah die Lage am EU Automarkt wie folgt aus:

Damit hat sich die Skepsis von langjährigen Automarktkennern bestätigt, dass der bisherige rasche Absatzerfolg von Elektroautos nicht markt- sondern umweltbonus-getrieben war. Gefördert durch die angekündigte überraschende Aussetzung der staatlichen Kaufprämie Ende 2023 erreichten die Neuzulassungen von reinen E-Autos 2023 dank vorgezogener Käufe eine einsame Absatzspitze von 524.219 Einheiten; im Jahr 2022 waren es erst 470.595. Dazu die Automobilwoche “ Die Niveaus von 2023 und 2022 sind angesichts der derzeitigen Marktdynamik kaum erreichbar“. (https://www.automobilwoche.de/autohandel/dataforce-studie-2029-haben-elektroautos-grosseren-marktanteil-als-verbrenner)

Auch der gesunde Marktverstand zweifelt an der Dataforce Prognose für die EU. Rund 1,5 Millionen Elektroautos (BEV) sind laut dem Branchenverband ACEA 2023 in der EU neu zugelassen worden (beliebtestes Modell über alle Antriebe hinweg war das Tesla Model Y), + 37 Prozent gegenüber 2022. Von nun ab ging bergab mit den hohen Zuwachsraten: die ersten vier Monate 2024 brachten nur ein Wachstum von 2,1 Prozent. Sollen in 2028 als 8 Millionen BEV die Straßen der EU bevölkern, klafft zwischen den Neuzulassungen 2023 und 2028 einen Lücke von 6,5 Millionen Batterie-E-Autos, die innerhalb von 5 Jahren geschlossen werden müsste. Das bedeutet, dass die BEV-Zulassungen in der EU von 2024 an jährlich um 1,3 Millionen BEV zusätzlich wachsen müssten, in 2024 also auf 2,8 Millionen usw.

Dazu fehlt es an allem, vor allem an den Kunden, die diese E-Autos kaufen sollen. Die von Politik und Autoindustrie erhoffte Rückkehr auf den Wachstumstrend der letzten Jahre bei Elektroautos wird so schnell nicht eintreten. Das belegt eine jüngste, repräsentativ und global angelegte Studie von McKinsey („Mobility Consumer Pulse“) in der vor allem das künftige Kaufverhalten von Autokunden erfragt wurde, die ein Elektroautos gekauft haben. Es geht also um das Wiederkäufer-Verhalten. Denn bekanntlich ist nichts schlimmer für einen Autohersteller angesichts der ohnehin großen Skepsis gegen E-Autos, wenn Käufer eines E-Autos wieder zum Verbrenner zurückkehren wollen.

Die McKinsey-Studie ist insofern beachtlich, als sie 30.000 Menschen in 15 Ländern, die zusammen für mehr als 80 Prozent des weltweiten Auto-Handelsvolumens stehen, nach ihrer Meinung zu verschiedenen Themen rund um die Mobilität befragt. In Deutschland haben rund 4350 Menschen teilgenommen. Nachfolgend sind die Ergebnisse der Studie dargestellt, wie sie der Automobilwoche nach eigenen Angaben im Detail exklusiv vorliegen (Studie: Jeder vierte E-Autofahrer will zum Verbrenner zurück | Automobilwoche.de)

Im Ergebnis der McKinsey-Studie zum Konsumentenverhalten zeigt sich: Weltweit wollen viele E-Auto-Käufer, in Deutschland konkret fast jeder vierte Besitzer eines E-Autos, zum Verbrenner zurückkehren; und autonom fahren wollen die wenigsten. Was diametral dem entgegen steht, was prominente Autohersteller in Deutschland hoffen und gerade planen. In anderen Ländern ist die Rückkehrer Quote (Ausnahme China) noch viel größer, wobei geographische Aspekte sicherlich eine große Rolle gespielt haben dürften.

Bemerkenswert im Einzelnen:

In Deutschland will nur eine Minderheit der E-Auto-Besitzern von 24 Prozent zurück zum Verbrenner. Deren wichtigste Gründe, die sich „sehr wahrscheinlich“ wieder einen Verbrenner kaufen werden, sind vor allem die als zu hoch empfundenen Gesamtbetriebskosten (47 Prozent), gefolgt von der unzureichenden Ladeinfrastruktur (27 Prozent) und den veränderten Reisegewohnheiten auf langen Strecken (26 Prozent). Laut McKinsey sind Deutsche bezüglich der Reichweite mit 500 Kilometer besonders anspruchsvoll, der weltweite Durchschnitt gibt sich mit 469 Kilometern zufrieden.

Lücken im Ladenetz sind für deutsche Rückkehrer nicht der Hauptgrund, denn global betrachtet ist die Quote von 24 Prozent kein auffallend hoher Wert: in den Flächenstaaten Australien sind es mit 49 Prozent fast die Hälfte, in den USA 46 Prozent – und selbst im oft als E-Auto-Musterland beschriebenen China 28 Prozent.
Laut McKinsey ist dennoch „ein wesentlicher Grund für die Unzufriedenheit einer Minderheit der E-Auto-Fahrer: innen … die Ladeinfrastruktur, die als noch nicht ausreichend wahrgenommen wird. Dies gilt vor allem für Schnellladepunkte auf der Mittel- und Langstrecke.“ In den meisten Fällen würden solche Fahrten über lange Distanzen zwar nur einige Male im Jahr gemacht, aber „die Lücken im Ladenetz wiegen hier überproportional“.

Die Studie bestätigt die Lebenserfahrung, denn wie vielfach vermutet ist der Hauptgrund Rückkehr zum Verbrenner der zeitliche Ladeaufwand: „Die subjektiv wahrgenommene Disruptions des Reiseverhaltens durch das Laden auf längeren Fahrten ist für einige E-Auto-Fahrer: innen größer als erwartet. Dies gilt vor allem für Kundengruppen wie Familien, die sich eine stressfreie Mobilität wünschen.“

Soweit so gut. Dies mag sich mit fortschreitendem Ausbau des Ladenetzes grenzüberschreitend ändern. Schlimmer wiegt allerdings ein anderes Ergebnis der McKinsey Studie, wonach das Interesse an Elektroautos in Deutschland bei den Umfrage-Teilnehmern in den letzten Jahren abnimmt: Aktuell sind es nur 29 Prozent der Befragten, die aktuell kein elektrifiziertes Auto fahren und als nächstes Auto ein batterieelektrisches Modell (BEV) oder einen Plug-in-Hybrid (PHEV) in Erwägung ziehen. Bei der vorangegangenen Befragung (Dezember 2022) waren noch 34 Prozent an einem elektrifizierten Modell interessiert.

Immerhin 27 vH der Befragten in Deutschland wollen laut Studie partout kein Elektroauto kaufen – gegenüber 25 vH vor zwei Jahren –, wovon fast die Hälfte wiederum die hohen Kosten als Hauptgrund anführt. Mit ein Hauptgrund dafür dürfte sein, dass abermals nur sieben vH der Befragten das gegenwärtige Ladenetz als ausreichend bewerten.

So sehr ein fossilarmer Verkehr aus Klimagründen notwendig ist, so sehr zeigt die Kontroverse zwischen renommierten Forschungs- und Analysequellen auf, das der bisher eingeschlagene Weg einer einseitigen Batterie-Elektromobilität nicht zum Ziel führt. Gesucht wird eine einvernehmliche, klimafreundliche Antriebslösung.

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