Wenn Volkswagen als der größte Autohersteller Deutschlands wie Europas, und früher auch mal der Welt, die Branchenkrise ausruft, und wenn der zuständige „grüne“ Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) Robert Habeck wegen der Wichtigkeit des Unternehmens und der Autobranche für die deutsche Wirtschaft ganz kurzfristig zum Branchengipfel einlädt, ist große Aufmerksamkeit in Wirtschaft und Gesellschaft garantiert. Wie steht es um den Zustand des Leuchtturms der deutschen Autoindustrie, wie angeschlagen ist der Autoriese am Mittellandkanal, der Volkswagen-Konzern, und vor allem warum? Und was kommt da auf die deutsche Volkswirtschaft zu – so die bangen Fragen in allen Medien.
Der Volkswagen-Konzern hatte vor wenigen Tagen angesichts drohender Milliarden CO2-Strafzahlungen an Brüssel und drastisch sinkender Verkäufe von Elektroautos die Krise der deutschen Autoindustrie proklamiert, heftige Kostensenkungs-Programme und die mögliche Schließung von Werken nebst Massen-Entlassungen angekündigt, und die betriebsinternen Arbeitsplatzgarantien mit dem Betriebsrat aufgekündigt – ein Sakrileg in der VW-Historie.
Dazu kamen Vertreter der großen Zulieferer, Gewerkschaften und Betriebsräte sowie die einschlägigen Branchenverbände, allen voran der Automobilverband VDA, der ex-post ein kühnes Zehn-Punkte-Programm mit Vorschlägen, was denn nun konkret zu machen sei, beisteuerte.
Im Vorfeld kursierte aus der SPD-Fraktion der Vorschlag nach neuerlicher Einführung einer Abwrackprämie à la 2009 für Verbrennerautos beim Ankauf von neuen (6000 Euro) oder gebrauchten (3000 Euro) Elektroautos. Letzeres besonders wichtig, denn der Markt ist komplett verstopft mit Neu- und Alt-E-Fahrzeugen.
Konkrete Ergebnisse und möglicherweise von VW erhoffte neuerliche staatliche Subsidien brachte der Autogipfel indessen nicht. Also doch viel Lärm um nichts? Oder wie ein altgedienter Branchenkenner es formulierte: „A lot of nothing!“
Nein, im Gegenteil, der Autogipfel brachte eine Vielzahl von Erkenntnissen ans Licht, die so in der Öffentlichkeit angesichts des seit Wochen anhaltenden Landtagswahlen- und Parteien-Getümmels in Deutschland untergegangen wären! Getreu der Lebensweisheit meiner saarländischen Großmutter, die da sagte: „Es gibt nichts Schlimmes, wo nicht noch was Gutes dabei herauskommt“!
Damit ist der ministerielle marktwirtschaftliche Erkenntnisfortschritt denn auch schon vorbei. Notwendig sei laut Habeck für die Branche vor allem Kontinuität in den Rahmenbedingungen, daran will er festhalten. Das heißt, die Bundesregierung will keine Aufweichung der Emmissionsgrenzwerte und auch keine Abschaffung bzw. Verschiebung des Verbrenneraus‘ 2035. Von Technologieoffenheit war keine Rede, selbst beim VDA nicht (mehr).
Noch eine Erkenntnis hat der Gipfel für die Öffentlichkeit gebracht: Nicht die deutsche Autoindustrie befindet sich in einer Krise, sondern ausschließlich VW und jene Unternehmen, die in der Vergangenheit strategisch ähnlich einseitig besonders stark auf Elektromobilität zu Lasten ihres Verbrenner-Portfolios gesetzt hatten – etwa Ford und Mercedes.
VW hatte unter der Verantwortung von Ex-CEO Herbert Diess jeglicher Technologieoffenheit abgeschworen und ausschließlich auf E-Autos gesetzt – anders als etwa BMW. Nachfolger Oliver Blume setze diesen Kurs nahtlos fort, auch bei Porsche. Die Folge: Das VW-Verbrennerangebot in den unteren Segmenten wurde ausgedünnt und zurückgefahren, alle Kraft auf Batterie-Elektroautos gesetzt inkklusive des Baus von Batterie-Fabriken. Ganz abgesehen von sonstigen strategischen Merkwürdigkeiten wie autonomes Fahren etc.
Was die Werkschließungen anbelangt, so ist richtig, dass der Autoabsatz in der EU seit der Covid-Krise 2019 nicht mehr wächst, sondern bislang um rund zwei Millionen Autos geschrumpft ist. Richtig ist aber auch, dass VW in Europa in den letzten Jahren gut zwei Prozentpunkte Marktanteil verloren hat. Bei einem europäischen Marktvolumen von 15 Millionen Euro entspricht das der Kapazität einer Autofabrik. Von zwei Werken, die VW schließen will, geht also ein Werk nicht auf Konto des „miesen“ Standorts Deutschland oder des bis dato nicht vorhandenen Wettbewerbs aus China, sondern auf falsche Modellpolitik und Selbstverschuldung des Konzerns.
Beachtlich ist, dass in Europa der Verbrennerabsatz inklusive der Hybrid-Modelle 2024 mit zweistelligen Raten wieder wächst, während Markteinbrüche von 30 Prozent und mehr ausschließlich bei Elektroautos zu verzeichnen sind. Europaweit! Richtig ist also, dass VW keine Absatzprobleme bei Verbrenner-Modellen wie dem Golf hat, sondern ausschließlich bei seinen Elektroautos. Dagegen fehlen kleine erschwingliche Verbrennerautos, über die aber die europäischen Wettbewerber verfügen.
Wichtigste Erkenntnis des Autogipfels ist demnach: Krisenherd bei VW ist ausschließlich die einseitige Fokussierung auf Elektromobilität, und die sträfliche Vernachlässigung der cash cows im Verbrennerangebot.
VW steht damit nicht alleine da: Bei Ford und der „noch“-Nobelmarke Mercedes ist es ähnlich – Kurzarbeit bei allem, wo Luxus in Kombination mit „electric only“ draufsteht.
Das Fazit gebührt an dieser Stelle dem VDA ob seiner mutigen Bewertung des Branchen-Gipfels in einem Zehn-Punkte-Programm.
Für den VDA steht zweifelsfrei fest, dass die Krise bei VW ausschließlich dem Standort Deutschland respektive der grünen Wirtschaftspolitik der Bundesregierung geschuldet ist! Dazu der VDA wörtlich: „Es ist gut und richtig, dass dieser Austausch heute stattgefunden hat. Ein gemeinsames Verständnis der Lage ist essenziell. Mit Blick auf die Datenlage gibt es hier keinen Interpretationsspielraum mehr: Wir erleben keine Krise der Automobilindustrie, wir erleben eine Krise des Standortes Deutschland.
Worauf kommt es jetzt an? Wettbewerbsfähigkeit und Standortattraktivität müssen jetzt zur politischen Top-Priorität in Berlin und Brüssel werden. Es braucht von der Bundesregierung mehr als nur Symptombekämpfung, sondern konkrete Maßnahmen zu den Ursachen der mangelnden internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Standortes. Die deutsche Automobilindustrie ist wettbewerbsfähig, der deutsche Standort ist es nicht.“