Nun ist der Kompromiss da. 37,5 Prozent. Das EU-Parlament hat nicht lockergelassen. Wie auf einem Basar wurde um Grenzwerte gerungen, von denen völlig unklar ist, ob sie jemals eingehalten werden können, denn die Technik zu ihrer Umsetzung existiert höchstwahrscheinlich noch gar nicht – diese Aussage ist auch für Nicht-Ingenieure keine allzu riskante Prognose. Lange hatte die Autoindustrie darum gerungen, lediglich die Handschellen angelegt zu bekommen, die nicht auch noch die Venen zerschneiden – von 30 Prozent CO2-Reduktion bis 2030 war lange die Rede. Doch dann kippte die deutsche Position, sie schien von innen weich zu werden. Ob es daran lag, dass am europäischen Verhandlungstisch eine Bundesumweltministerin saß, die auch ihrer Feindschaft gegen den Idividualverkehr und das Automobil keinen Hehl macht?
Luxusobjekt wie der Trabbi in der DDR?
Den von der EU in die Wege geleiteten Strukturwandel werden die Verbraucher bezahlen. Ob sie wollen oder nicht. Die neuen leistungsfähigen Batterien sind teuer, und für konventionelle Autos werden CO2-Strafzahlungen fällig. Damit steigt der Mindestpreis für ein Auto in absehbarer Zeit deutlich an, die „Einstiegsmobilität“ dürfte für viele Verbraucher sehr viel teurer werden, für viele weniger gut betuchte Kunden unerschwinglich. Ein Stück gelebter Sozialismus rückt näher: auch in der DDR musste man ein Bonze sein, damit ein Auto vor der Tür stehen konnte.
Gerechnet wird der ominöse Durchschnitt des Ausstoßes von CO2 nach Fahrzeugflotten. Das ist ein an sich schon egalitärer Ansatz, denn es gibt Hersteller, die – wohlgemerkt, auf Kundenwunsch! – eher größere Autos produzieren und andere, die auf Kleinwagen spezialisiert sind. Die von der EU verordnete Durchschnittsregelung ist damit, für sich genommen, ein weiteres großes Stück Sozialismus. Ein Stück Enteignung bestimmter Hersteller, die damit dafür bestraft werden, dass sie bessere, größere und leistungsfähigere Autos bauen können als die Konkurrenz. Denn das ist sozialistisches Prinzip: Gleichmacherei dadurch, dass man in den Dreck zieht, was überdurchschnittlich gut ist, genau so, wie es in der DDR zu besichtigen war.
Die große Autobauer-Arbeitslosigkeit
Auch in Hannover, wo der VW-Aufsichtsrat Stephan Weil als niedersächsischer Ministerpräsident amtiert, herrscht keine Vorweihnachtsstimmung. Weil wird deutlich: „Ich sehe diese Entscheidung sehr kritisch; Brüssel und Berlin machen zum wiederholten Male den Fehler, Ziele festzulegen ohne einen Plan zu haben.“ Es sei eine sehr hohe Wette mit sehr hohem Einsatz, gerade für die deutsche Industriepolitik. Weil kritisierte gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“, dass es keine „ehrliche Folgeabschätzung“ gebe: „Das gilt insbesondere für die Arbeitsplätze: Die IG Metall befürchtet, dass in diesem Zusammenhang insgesamt etwa 200.000 Arbeitsplätze verloren gehen könnten.“ Das Thema sei ausgeklammert worden. Die Zahl jener Arbeitsplätze, die verloren gingen, werde um ein Vielfaches höher sein als die Zahl der Zukunftsarbeitsplätze.
Wenn die Kanzlerin eine „lame duck“ ist
Und natürlich wird die Misere nicht in Wolfsburg haltmachen. Auch Audi und seine Zulieferbetriebe werden den nächsten Jahren massiv Stellen abbauen. Die Ingolstädter Bürgermeister rechnen mit dem Wegfall von bis zu 5.000 Arbeitsplätzen. Vor allem in der Produktion und auch in der Verwaltung sollen viele weniger anspruchsvolle Jobs wegfallen. Zahlreiche Insider stützen diese Zahlen, das Audi-Management hält sich bedeckt. Der Ingolstädter Bürgermeister Albert Wittmann ist angesichts dessen einer der wenigen, der sich mit einer konkreten Zahl vor ein Mikrofon des Bayerischen Rundfunks wagt: „Wir gehen von 5.000 Arbeitsplätzen aus, die wir in den nächsten Jahren weniger haben werden, abgebaut durch Fluktuation. Es gibt keine Entlassungen.“ Der Bürgermeister macht sich selbst vor den Mikrophonen örtlicher Rundfunkanstalten Mut: „Wir werden nicht Detroit. Auf keinen Fall.“ Allein der Vergleich lässt tiefer blicken, als es der wackere Lokalpolitiker im Moment, als er das Wort aussprach, wohl dachte.
Siegerin ist eine autofeindliche Lobby, die vorgibt, aus ethischen Motiven heraus für die Umwelt zu handeln – von der aber vermutet werden darf, dass sie von spätkommunistischen Enteignungsphantasien getrieben ist. Gewonnen hat auch Umweltministerin Schulze. Sie hatte zu keinem Zeitpunkt einen Hehl daraus gemacht, dass sie von Anfang an für erheblich schärfere CO2-Grenzwerte eingetreten wäre – wenn sie denn gedurft hätte. Nun sind die Verhandlungen immer weiter in Richtung einer Verschärfung zulasten der Deutschen gelaufen, und die Gegenwehr der deutschen Umweltministerin gegen diese Ambitionen des EU-Parlaments dürften überschaubar gewesen sein. Von Merkel bei alledem keine Spur. So sehen Ergebnisse aus, wenn die Regierungschefin eine „lame duck“ ist.