Tichys Einblick
E-Autos sind nicht massentauglich

Deutsche Autoindustrie – Täter oder Opfer verfehlter Industriepolitik?

Schuldzuweisungen helfen nicht weiter. Die einseitige Konzentration auf Elektroautos reicht nicht aus, um den Verkehr klimaverträglich zu gestalten. Nur sollte von nun an der richtige Weg beschritten werden. Und dieser Weg ist mehrspurig.

IMAGO / Sven Simon

Einmal Täter, immer Täter. Der Skandal um manipulierte Abgaswerte aus den Jahren 2015 fortfolgende wirkt nach. Die Öffentlichkeit hat sich angewöhnt, die deutsche Autoindustrie für alle Fehlentwicklungen innerhalb und außerhalb der Branche in Sachen Klimaschädigung, Technologierückständigkeit und nachlassender Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der Konkurrenz aus China verantwortlich zu machen.

Dazu tragen nicht nur Medien, sondern auch viele der sogenannten „Autoexperten“ aus der Wissenschaft bei, die in Talkshows und Interviews nicht müde werden, sich mit Anschuldigungen über die Ignoranz und Trägheit des Automobilmanagements selbst in die rechte Positur zu bringen.

Nur nebenbei: Trainerschelte in der Bundesliga durch emeritierte Profis folgt ähnlichen Mustern. Und wenn dann auch noch eine hierzulande nahezu unbekannte chinesische Automarke mit Fuhrpark und Bandenwerbung den Hauptsponsor der kommenden Fußball-Europameisterschaft im Mutterland des Automobils schlechthin stellt, weil der Platzhirsch VW auf Kostendiät ist, ist des Kopfschüttelns kein Ende.

E-Autos sind nicht massentauglich

Dazu im Einzelnen. Unisono wird den deutschen Autoherstellern angekreidet, sie hätten den Zug hin zur Elektromobilität verschlafen, und dabei ihre Poleposition am automobilen Weltmarkt an die chinesische Autoindustrie verloren. Und schlimmer noch, deutsche Ingenieure wären nicht einmal in der Lage, so wie die chinesischen Kollegen, ein bezahlbares E-Auto zum Preis um 25.000 Euro auf den Markt zu bringen. – Was chinesische Autoingenieure auf dem deutschen Markt bis zum heutigen Tage ebenfalls noch nicht hingekriegt haben. Ja, aber morgen soll es dann soweit sein – kann aber auch übermorgen werden …

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Stattdessen hätten die deutschen Autobauer sich auf die Elektrifizierung von sündteuren Luxuskarossen und SUVs konzentriert, die nur für eine dünne kaufkräftige Oberschicht erschwinglich seien und lediglich die eigenen Unternehmens-Bilanzen aber nicht die Welt-Klimabilanz schönten. Und bei deren Preisen sich die strukturell sündteuren Speicherbatterien kostenmäßig leichter unterbringen lassen.

Aber selbst diese Entscheidung primär für Premium-E-Autos erweist sich inzwischen als Fehleinschätzung: Der Markt ist auf Dauer zu klein, immer mehr Hersteller balgen sich mit verlustreichen Rabattschlachten um eine schier bleierne, kaum noch wachsende Nachfrage. Die vermögenden Ladestationen-Besitzer in den grünen Vorstädten haben inzwischen alle schon ein Elektroauto.

Fakt ist: Der Entfall von Kaufsubventionen für Elektroautos in Kombination mit einem langen harten Winter in den nördlichen Hauptabsatzmärkten für Elektroautos haben 2023 die Nachfrage stark eingedämmt. In Norwegen, das neben China als der Elektroauto-Markt schlechthin – und als europäischer Testmarkt für neue Elektroautos – gilt, ist der Absatz 2023 um ein Viertel eingebrochen, nachdem Subventionen zurückgenommen worden waren. Überall müssen die Staaten sparen.

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Als Folge werden in Nordamerika bis nach Europa Investitionen in neue Werke zur Produktion von Elektroautos und Speicherbatterien drastisch zurückgefahren und bereits vorhandene Produktionskapazitäten, wie bei VW in Zwickau und Emden, vom Markt genommen. Weil sie sich auf Dauer nicht auslasten lassen, so die ernüchternden Einschätzungen der Marktstrategen.

Immer deutlicher stellt sich heraus, dass Elektroautos aufgrund ihrer strukturell höheren Herstellkosten und der bei einer Transformationsmasse von 48 Millionen Verbrenner-Pkw zwangsläufig stets und auf Jahrzehnte hinaus unzureichenden Ladeinfrastruktur in Deutschland nicht massentauglich sind. Selbst die bei Eigenheimbesitzern theoretische Möglichkeit von Eigen-Ladestationen (Wall-Boxes) ist wegen unzureichender Netzkapazität/Umspannstationen etc., vielfach belegt, nicht möglich.

Nur eine Minderheit würde für Umweltfreundlichkeit einen höheren Kaufpreis zahlen

Wenn die Politik eine totale Bestandstransformation der heutigen Verbrennerflotte durch Batterie-Elektroautos zum Endziel gehabt hätte – aktuell peilt sie 15 Millionen Vollelektroautos bis 2030 mit anschließendem Verbrennerverbot ab 2035 an –, dann wäre das ohne eine empfindliche Schrumpfung der Pkw-Flotte nicht möglich gewesen. Doch wie soll das in einer demokratisch verfassten Marktwirtschaft geschehen? Wer muss sein Auto stehen lassen, wer darf weiterfahren? Nach welchen sozialen Kriterien legt die Politik das fest, wenn sie denn wiedergewählt werden will?

Auch das eine politische Illusion vom Gutmenschen: Selbst wenn die ersatzweise freiwillig angeschafften neuen Elektroautos durchgängig mit grünem Strom klimafreundlich betrieben werden könnten – was in Deutschland nicht der Fall ist –, wäre nur eine Minderheit der deutschen Autokunden bereit, Umweltfreundlichkeit mit höheren Kaufpreisen zu vergüten. Die neueste DAT Studie 2024 zum Kaufverhalten liefert dazu eindeutige Fakten und spricht da eine deutliche Sprache. Im Gegenteil: Nahezu die Hälfte der heutigen Autobesitzer befürchtete, sich bei den hohen Anschaffungskosten für E-Autos kein eigenes Auto mehr leisten zu können.

DAT-Auto-Report 2024
Eine schallende Ohrfeige für die Umweltpolitik
Ein solcher, durch das Verbrennerverbot ab 2035 erzwungene Rückgang des Individualverkehrs durch die Hintertür wurde dem Sagen nach in politischen Umweltzirkeln hinter verschlossenen „grünen“ Türen durchaus als zielführend diskutiert. In die Öffentlichkeit ist davon nichts gedrungen. Auch die Medien haben die Konsequenzen dieses heißen „Transformations-Eisen“ tunlichst umgangen.

So kann es nicht wundern, dass die deutsche, klimaideologisch einseitig fixierte Technologie- und Umweltpolitik dem politisch in Brüssel zu verortenden Verbrennerverbot ab 2035 freudig zustimmte, zum einen weil mit diesem Verbot über Umwege faktisch der gleiche Flotten-Ausdünn-Effekt erzielt werden kann – ein Teil der heutigen Autokundschaft muss mangels finanzieller Möglichkeiten passen und sich vom eigenen Auto verabschieden –, zum anderen weil dafür Wähler-Verärgerung und Verantwortung nicht at home, sondern nach Brüssel weitergereicht werden konnte. – Was der Europa-Aversion von Kritikern neue Nahrung gibt.

Nicht alle Klagen und Vorurteile über die Inflexibilität und Innovationsschwäche der deutschen Autoindustrie sind also tragfähig. Zum Beispiel, dass sie zu lange am Verbrenner festgehalten und quasi den Anschluss an die Elektromobiliät verpasst hat. Und dass ihr zunächst Tesla und heute die chinesische Autoindustrie mit billigen Elektroautos, zurzeit nur in ihrem Heimatmarkt selber, aber morgen und übermorgen auch in Europa und sonstwo den Rang ablaufen würden. Die deutsche Autoindustrie hat, zunächst widerwillig, dann aber mit full speed, reagiert und inzwischen auch auf dem Elektroantriebs-Sektor nicht bei Batteriespeicherung und Speichermanagement sich an die Weltspitze gesetzt. Allerdings nur im obersten Premium-Marktsegment, für den kleinen Kreis einkommensstarker Kunden. Der Massenmarkt ging leer aus.

Die Nachfrage für E-Autos ist limitiert

Die Sorge der Technologierückständigkeit ist unbegründet. Die abrupte Marktschwäche bei Elektroautos nach Wegfall der staatlichen Kaufprämien macht deutlich, dass die deutschen Hersteller durchaus zu Recht bei der Einführung der Elektromobiliät sehr zögerlich waren. Nach dem Motto: Ein Tesla macht noch keinen Elektro-Weltmarkt, bleibt zunächst ein Nischenprodukt. Auch billige Elektroautos aus China wurden auf amerikanischen und europäischen Straßen noch nicht gesichtet.

Darwin würde sagen: Wenn die Autokunden in Europa und Deutschland Elektroautos aus Marktgründen verschmähen, kaufen sie auch keine chinesischen E-Autos. Zumal diese auf absehbare Zeit auch genauso teuer sind wie deutsche E-Autos, und billige Modelle zwar angekündigt, aber noch nicht auf dem Markt sind. Ankündigungen alleine aber reichen nicht, um die heimischen Anbieter vom Markt zu verdrängen.

Kundigen und erfahrenen Auto-Ökonomen mit Darwin-Kenntnissen war von vornherein klar, dass der Markt für Elektromobilität nachfrage- und ressourcenmäßig limitiert ist und niemals einen Ersatz für die weltweit 1,6 Milliarden Verbrennerautos bieten könnte. Selbst E-Auto-Pionier Tesla kämpft heute mit verlustreichen Preisnachlässen, um zwei Millionen Elektroautos an den Mann zu bringen.

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Weltweit waren 2023 von den rund 80 Millionen verkauften Neuwagen gerade mal 9 Millionen Batteriefahrzeuge (inklusive Plug-In-Hybride 10 Millionen; Quelle: CAM). Und im Elektro-Eldorado-Land China nährt sich der wachsende Absatz von Elektroautos zum einen von staatlichen Förderprämien, vor allem von umweltpolitisch durchaus sinnvollen verbrennerfeindlichen Zulassungsbeschränkungen in den Mega-Citys. Gleichzeitig mehren sich die Anzeichen, dass die chinesische Regierung aufgrund der wachsenden Infrastrukturprobleme (Energieversorgung etc.) von der Elektromobilität abrückt sowie die heimische Autoindustrie inzwischen für so stark hält, nunmehr auch die Verbrennertechnologie – bislang Domäne der ausländischen Hersteller – ins Visier zu nehmen. Was im Endeffekt alle deutschen Hersteller mit ihren unisono hohen China-Absatzanteilen ernsthaft in Schwierigkeiten bringen würde.

Man kann der deutschen Autoindustrie zugutehalten, dass sie dem politischen Druck der einseitigen Elektroverbohrtheit und ideologischen Technologieverengung nur auf Batterieelektroautos auf den Leim gegangen ist. Das wäre allerdings als Entschuldigung zu einfach. Denn das gilt nicht für die Hersteller vor allem im Massenmarkt, die sich einseitig und ohne Not mit fixen Verbrenner-Ausstiegsterminen völlig der Elektromobilität verschrieben haben und damit ihre glorreiche Vergangenheit („Und läuft und läuft und läuft“) über Bord geworfen haben. Und die inzwischen mühsam unter dem Druck leerer Fabrikhallen, verkappter Kurzarbeit und Abbau von Schichten zurückrudern müssen. Diese Antriebs-Strategie entspricht einer krassen Markt-Fehleinschätzung und der strategischen Unfähigkeit des Managements. Für Hersteller, die sich von Anfang an zur Technologieoffenheit bei der Erreichung das Klimaziel bekannt haben, gilt das nicht. Getreu der Devise: das eine tun, das andere aber nicht lassen. BMW ist in diesem Umfeld der weiße Rabe!

Rückwärtige Schuldzuweisungen helfen 2024 nicht weiter

Zu einseitig wäre es also, nur der Politik, wie kürzlich in einem Leserbrief in einer überregionalen Tageszeitung zu lesen war, das Attribut „dümmste Industriepolitik“ umzuhängen. Genauso gut könnte man einzelne deutschen Autoherstellern in Wolfsburg, Ingolstadt, Sindelfingen und sonst wo ob ihrer strategischen Technologie- und Management-Fehlentscheidungen das Prädikat „dümmste Marktpolitik“ verleihen. Nicht nur die Politik mit ihrer Technologiefeindlichkeit, auch einzelne Hersteller haben gravierende strategische Fehler gemacht.

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Wobei das Attribut dümmste mit Vorsicht zu gebrauchen ist. Denn laut einem Einstein zugeschriebenen Zitat sind „zwei Dinge … unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“

Indessen: Rückwärtige Schuldzuweisungen helfen 2024 nicht weiter. Die bisherige einseitige Konzentration nur auf Elektroautos reicht nicht aus, um den Verkehr klimaverträglich bzw. klimaneutral zu gestalten. In dieser Erkenntnis sind sich inzwischen alle Beteiligten, auch die Klimafundamentalisten, einig. Nur sollte von nun an der richtige Weg beschritten werden. An der Elektromobilität führt dabei kein Weg vorbei. Aber dieser Weg ist mehrspurig. Elektroautos mit Batteriespeicherung sind ein Weg, Wasserstoff, Brennstoffzelle oder Klimasprit als E-Fuels sind andere Fahrspuren.

Zielsetzung muss letztlich sein, die Verbrennerflotte in der gesamten Welt klimafreundlich zu betreiben, nicht nur ein Bruchteil davon in reichen Ländern, und dort nur in den begüterten Wohnvierteln. Auch der Ersatz von Verbrennerflotten durch E-Autoflotten, die mit „dreckigem“ Strom „gefüttert“ werden, ist absolut kontraproduktiv. Die Welt-CO2-Bilanz wird dadurch verschlechtert, nicht verbessert. Hohe Zeit, dass die Politik die Tür zu alternativen Antriebsarten aufstößt!

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