Tichys Einblick
Krisenversammlung in Wolfsburg

Der VW-Vorstand verteidigt seine Irrfahrt

Vor mehr als 15.000 Mitarbeitern verteidigt die Führung des Volkswagen-Konzerns ihren Sparkurs. Geplant sind in der Unternehmensgeschichte einzigartige Standortschließungen, Entlassungen und Lohnkürzungen. Die Stimmung im Stammwerk in Wolfsburg ist gereizt.

Mitarbeiter protestieren vor Beginn einer Betriebsversammlung im VW-Werk Wolfsburg, 4. September 2024

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Moritz Frankenberg

Der Zustand von Deutschlands einstiger Vorzeige-Firma ist denkbar düster. Dem Autobauer fehlen bis 2026 fünf Milliarden Euro. Die lassen sich nicht mehr durch sanfte Maßnahmen einsparen. „Wir haben noch ein Jahr, vielleicht zwei Jahre Zeit, das Ruder herumzureißen“, sagt Finanzchef Arno Antlitz.

„Wir geben in der Marke seit geraumer Zeit schon mehr Geld aus, als wir einnehmen. Das geht nicht gut auf die Dauer.“ Er rechnet vor, dass Geld aus den Verkäufen von rund 500.000 Autos fehlen – das wären die Verkäufe für rund zwei Werke.

Nur mit neuen Produkten könne VW wieder auf die Beine kommen. „Dafür brauchen wir jetzt Geld, um kräftig zu investieren“, sagt Markenchef Thomas Schäfer. Deshalb soll die mit dem Betriebsrat vereinbarte Beschäftigungssicherung aufgekündigt werden. Sie schloss bisher betriebsbedingte Kündigungen bis 2029 aus.

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Die Irrfahrt des VW-Konzerns hält an
Erstmals seit 30 Jahren soll es bei VW nun Entlassungen geben. Und erstmals seit 1998 soll mindestens ein Werk komplett verschwinden. Damals hatte VW die Fabrik in Westmoreland in den USA dicht gemacht. In Deutschland wurde noch nie ein VW-Werk geschlossen.

Darüber zeichnet sich ein erbitterter Streit mit der bei VW besonders mächtigen Gewerkschaft IG Metall ab. Betriebsratschefin Daniela Cavallo kündigt harten Widerstand an und macht dem Vorstand schwere Vorwürfe: Schuld an der Krise seien nicht die Mitarbeiter, sondern die Konzernführung. „Volkswagen krankt daran, dass der Vorstand seinen Job nicht macht.“ Dafür dürfe man nun nicht der Belegschaft die Rechnung präsentieren.

Tatsächlich ist die Krise bei VW zu einem wichtigen Teil hausgemacht. Der Vorstand fährt auf politischen Druck eine Konzern-Strategie, die voll auf das Elektro-Auto setzt und sich vom Verbrenner-Motor komplett abwendet. Die internationalen Konkurrenten – zum Beispiel auch BMW und Mercedes – haben wegen der fehlenden Nachfrage ihre jeweiligen E-Auto-Pläne dagegen längst radikal zurückgefahren.

Dem Bundesland Niedersachsen gehören über 20 Prozent der VW-Aktien. Es hat außerdem sogar ein gesetzliches Veto-Recht bei allen wichtigen Entscheidungen. Die E-Auto-Strategie des Vorstands war ein ausdrücklicher Wunsch von Ministerpräsident Stephan Weil von der SPD. Und die Gewerkschaft sowie der Betriebsrat haben im Gleichschritt mit der Politik die Konzernstrategie – Klima vor Gewinn – bisher ausdrücklich unterstützt.

Jetzt zeigt sich aber, dass die erwünschte radikale Abkehr vom Verbrenner-Motor riesige Löcher in die Unternehmenskasse gerissen hat. Mit den Folgen dieser Irrfahrt wollen von Politik und Arbeitnehmervertreter jetzt allerdings nichts zu tun haben: Genau wie Gewerkschaft und Betriebsrat, so hat auch Ministerpräsident Stephan Weil von der SPD die Sparpläne des VW-Vorstands scharf kritisiert.

Deutschlands größtem Autobauer steht nun im Herbst eine heiße Tarifrunde bevor. Der bisherige Haustarif bei VW sichert den Mitarbeitern Entgelte weit oberhalb des sonst geltenden Branchentarifs. Der Konzern will jetzt die Löhne senken oder zumindest mehrere Nullrunden einlegen. Die IG Metall fordert dagegen sieben Prozent mehr Geld.

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