Im Angedenken an den unglückseligen römischen Feldherrn Varus seufzt heute so mancher deutsche Auto-Finanzvorstand, Autovermieter oder Fuhrparkbetreiber: „Elon , Elon, gib mir meine Millionen wieder!“
Was hat sich Schreckliches ereignet? Gemeint ist ein möglicher Milliardenverlust bei den Leasing-Flotten der Hersteller selber, bei den Vermietern oder Fuhrparkbetreibern bei reinen Elektroautos, deren Kalkulation bei den Leasingraten oder den Verwertungspreisen bei Fahrzeugrücknahme oder Gebrauchtwagenverkauf durch den Verfall der Autopreise als Folge der tobenden Preisschlacht plötzlich nicht mehr aufgeht.
Dazu zum besseren Verständnis einige Hintergrundfakten:
• Leasing bezeichnet ein Finanzierungsmodell für Unternehmen und Privatpersonen. Der Leasingnehmer zahlt dem Leasinggeber eine Leasinggebühr und erhält dafür das Nutzungsrecht auf Zeit. In Deutschland gibt es 2.749 Leasingunternehmen (2022).
• Leasingunternehmen haben im Jahr 2020 ca. 13,7 Milliarden Euro umgesetzt.
• Rund zwei von fünf neu zugelassenen Pkw wurden im Durschnitt der Vergangenheit geleast (43 Prozent in 2022). Der Löwenanteil der Leasing-Fahrzeuge wird von Unternehmen genutzt. Etwa jedes zweite von gewerblichen Haltern neuzugelassene Fahrzeug wurde mittels Leasing angeschafft, bei Elektroautos ist der Anteil wesentlich höher., da hier die Leas Nehmer fast ausschließlich gewerblich unterwegs sind.
• Elektroautos werden des höheren Risikos wegen: hohe Anschaffungskosten, schneller technischer Fortschritt in der Batterietechnik, unsichere Wiederverkaufswerte, fast ausschließlich geleast.
• Nach fünf Jahren kann man davon ausgehen, dass ein Auto etwa 50 % bis 60 % seines ursprünglichen Werts verloren hat. Der genaue Wertverlust hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie dem Zustand des Fahrzeugs, dem Modell und dem Kilometerstand.
• Generell gilt: Je älter das Auto und je höher der Kilometerstand, desto größer ist der Verlust des Fahrzeugwerts., desto niedriger der Restwert. Eine niedrige Laufleistung und eine kürzere Vertragszeit erhöhen den Fahrzeugrestwert und schlagen sich in günstigeren Leasingraten nieder.
• Die Kalkulation der Leasingraten richtet sich nach den Erfahrungen des Leasinggebers im Durchschnitt der letzten Jahre. Feste Preis-Schemata gibt es nicht, der Wettbewerb /Markt bestimmt den Leasingpreis.
• In Deutschland waren in 2017 rd. 40.000, in 2019 rd. 90.000, in 2021 knapp 300.00 und am 1. Oktober 2023 rd.1,3 Millionen Elektroautos (BEV) registriert. Inzwischen dürfte die Anzahl auf über 1,5 Millionen gestiegen sein. Der Anteil am PKW-Bestand in Deutschland hat sich von knapp 0,1 vH in 2019 auf rd 3.0 vH in 2023 erhöht – ein kräftiges Wachstum. Dennoch schlummert da noch ein hohes Transformationspotenzial!
• Fast alle reine Batterie-Elektroautos befinden im Hoch-Preissegment, da es preiswerte Elektro-Pkw bislang kaum gibt, auch nicht bei – wie vielfach fälschlich vermutet – bei chinesischen Herstellern.
• Bei den sämtlichen Neuzulassungen in Deutschland entfallen rd 70 auf gewerbliche Halter. Bei Elektroautos dürfte etwa 90 Prozent auf gewerbliche Halter, die aufgrund des höheren Risikos bei E-Autos zu fast 100 Prozent geleast sein dürften. Derr Leasing-Bestand an Elektroautos in Deutschland dürfte damit 1.2 bis 1.3 Millionen betragen.
Der Preisverfall bei Elektroautos wird nach Einschätzung von Marktkennern für Leasing-Geber wie für Leasing-Kunden zunehmend zum Verlust-Damoklesschwert.
Zusätzlich zum Preiskrieg ist das Elektroauto seit den staatlichen Prämien-Kürzungen für alle Beteiligten: Leasinggesellschaften, Vermieter, Firmenkunden und vor allem sonstige freischaffende gewerbliche Kunden zum Problem geworden (Studie von CAR des Bochumer CAR – Center Automotive Research). Zum einen sind die Wertverluste beim späteren Verkauf als Gebrauchtwagen zum Teil dramatisch. Denn je höher die Rabatte und die Absenkung der Listenpreise, desto größer der Vertrauensverlust und die Furcht vor einem Wertverlust.“ Die Käufer treten Kaufstreik.
Des einen Freud des anderen Leid: Während neue Elektroautos derzeit überall im Handel mit hohen Preisnachlässen zu haben sind, explodieren die Leasingraten bei Neuabschlüssen. Die Leasing-Geber sind gebrannte Kinder und geben die höheren Risiken voll in den Leas Raten weiter. Elektro-Leas-Raten und sind inzwischen erheblich höher als bei vergleichbaren Verbrennern, obwohl auch diese erheblich angezogen haben. Grund sind die niedrigen Restwerte der wachsenden Anzahl von Rückläufer in 2024 und die unisicheren Werte in einigen Jahren, die die Firmen bereits jetzt einrechnen müssen.
Fakt ist: Für die Leasing-Geber ist das aktuelle Geschäft, weil nahezu unkalkulierbar, ein erhebliches Risiko geworden. Von Monat zu Monat kommen inzwischen in zunehmender Anzahl geleaste Fahrzeuge als Gebrauchtwagen zurück zu den Herstellern, Finanzdienstleistern und Leasing-Gesellschaften. n der Regel laufen Leasing-Verträge drei Jahre, die Rückgabefahrzeuge stammten also aus dem Elektroauto-Bestand der Jahre 2020/21.Laut amtlicher Statistik wären das knapp 300.000 Leasing-Fahrzeuge. Da die Restwerte von gebrauchten Elektroautos inzwischen drastisch gesunken sind, drohen jetzt der Leasing Branche Milliarden-Verluste – allerdings verteilt auf viele Schultern.
Verluste in Milliardenhöhe fallen an, wenn das Leasing-Autos nach Vertragsende wieder auf dem Hof steht und als Gebrauchtfahrzeug verwertet werden soll. Und die kalkulierte Preise von den gegebenen Marktpreisen erheblich unterboten werden, wenn der Verfall der Marktpreise also länger anhält. Wenn die Hersteller nicht drastisch ihre Produktion herunterfahren – bei VW schon geschehen – , um die Bestände an neuen wie gebrauchten E-Autos nicht weiter anwachsen zu lassen. Oder die gebrauchten BEV-Rückläufer ins Ausland exportieren. Was kaum möglich ist.
Rein rechnerisch beliefen sich die Verlust der Leasing-Branche Stand 2024 bei rd 300.000 Leasing-Autos und einem zusätzlichen, von den Leasinggesellschaften und Flottenbetreibern nicht in den Raten bei Vertragsabschluss eingerechneten Wertverfall von 10.000 Euro auf etwa drei Milliarden Euro. Wohlgemerkt rein rechnerisch und im Extremfall.
Wie konnte es dazu kommen?
Auslöser für den Preisverfall bei E-Autos war Tesla Erfinder und E-Auto Pionier Elon Musk. Tesla-CEO Musk hatte zur Sicherung seiner ambitionierten globalen Absatzplanung von 1.8 Millionen in 2023, in seinem Hauptmarkt China im Frühjahr 2023 eine Rabattschlacht vom Zaun gebrochen. Nur also Hinweis: Musk produziert in seiner Giga-Fabrik in Shanghai inzwischen 1 Millionen Teslas p.a. (!), die meisten davon werden in China selber verkauft.
Zur Absatzankurbelung gewährte Tesla schrittweise Rabatte erst von 3000 US Dollar, dann mit von indem er, beginnend bei 3000 US-Dollar immer höhere Rabatte für seien Erfolgsmodell Model 3 und das SUV Model Y auslobte und danach die Listenpreise auch noch die Listenpreise teilweise bis zu 10.000 Dollar senke.
Diese aggressive Preispolitik des Weltmarktführers Tesla griff rasch auf den gesamten chinesischen Markt über – dort tummeln sich immer noch schätzungsweise rd 100 Elektroauto-Herstellern von insgesamt über 300 vor wenigen Jahren – , wo die Preise für Elektroautos teilweise um 50 Prozent sanken. Diese Marktentwicklung bescherte auch VW und zuletzt auch den deutschen Premium Herstellern schwere Preisverluste.
Aus der Rabattschlacht wurde ein Preiskrieg, der rasch auf alle großen Elektroauto- Märkte in USA und Europa übergriff.
Wer zurzeit ein Elektro-Auto kaufen will, kann hohe Rabatte einheimsen. Leasing-Kunden haben dagegen das Nachsehen, denn vice versa Leasingraten explodieren. Beides belastete den Elektromarkt noch mehr, es bewahrheitete sich die alte Börsianer Weisheit: Die Baisse nährt die Baisse!
Für die deutschen Auto-Vermieter und Flottenbetreiber drohen dadurch Milliardenverluste, sollten die Listenpreise nicht nach oben reagieren.
Dazu hat folgende Fakten (CAR Institut):
• Im Schnitt könnten Käufer von Elektro-Neuwagen mit knapp 16 Prozent Rabatt rechnen. Den höchsten Rabatt gebe es dabei derzeit beim vollelektrischen Dacia Spring mit 44 Prozent.
• Chinesische Hersteller, die auf den europäischen Markt drängen, lockten mit 20 bis 30 Prozent Rabatt, bei VW seien für ID-Modelle bis zu 19 Prozent Nachlass möglich. Grund sei das nachlassende Interesse an E-Autos nach dem Wegfall der staatlichen Kaufprämien.
• Beim Leasing sehe dies anders aus zu Ungunsten der E-Autos stellt CAR anhand von Beispielen von Volkswagen und Opel fest So koste ein elektrischer VW ID.3 im Barkauf nach Abzug aller Rabatte derzeit rund zwölf Prozent mehr als ein VW Tiguan mit Benzinmotor, im 48-Monats-Leasing seien dagegen unterm Strich 23 Prozent mehr fällig, heißt es in der Studie.
• Bei einem Opel Corsa liege der Kaufpreis für die Elektroversion knapp 70 Prozent über dem des Benziner-Schwestermodells, beim 48-Monats-Leasing seien es dagegen 142 Prozent Aufpreis.
Die Frage ist, wie geht es weiter?
Die gegebenen schwierigen Rahmenbedingungen für neue BEV sowie kaum Interessen an Gebrauchten sowie schnelle Fortschritte bei der Batterie-Technologie – all das dürfte weiterhin die Nachfrage und damit auch Preise für Elektroautos drücken. Der Branche droht ein Milliarden-Grab. Umso entscheidender: Wann hört der Preisverfall auf und beginnt die Bodenbildung für die sinkenden Restwerte?
Dazu die Automobilwoche: „Wir gehen davon aus, dass mit ein wenig Glück bereits im späteren Verlauf von 2025, mit guten Chancen aber in 2026 Entlastung und damit Erholung eintritt“ (Andreas Geilenbrügge, Chefanalyst der Autovista Group: Automobilwoche, So lange sinken die Restwerte von E-Autos noch, 24.02.2024)
Doch erstmal steigt der Druck auf die Bilanzen weiter „Die nachfließenden Zulassungsjahrgänge gebrauchter EVs (BEV + PHEV + Hybride) werden leider auch noch in diesem Jahr zunehmen und somit den Markt belasten“ (Geilenbrügge.) – Das werden sie auch in den kommenden Jahren in wachsendem Ausmaß, wenn die „Elektro-Boomer“ der Jahre 2021 ff. als gebrauchte auf die Höfe der Leasing-Geber zurückdrängen.
Allerdings die aktuelle Situation auf dem Neuwagenmarkt nährt die Hoffnung auf etwas Entspannung, weil die Hersteller Kapazitäten aus dem Markt nehmen, das Angebot also schrumpft, nicht, weil die Nachfrage durch den Preisverfall nennenswert stimuliert wird. Folge: „Der E-Neuwagenabsatz dürfte in diesem Jahr kaum zulegen, wenn überhaupt.“ (Automobilwoche)
Unterstützung von den gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist kaum zu erwarten. Laut jüngstem Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung bleibt das Wirtschaftswachstum schwach und Deutschland Schlusslicht in Europa- allerdings auf hohem Niveau. Positiv dagegen zu sehen ist: weniger Inflation, geringere Zinsen und weniger Druck auf die Kaufkraft. Über allem schwebt natürlich die Unsicherheiten des Ukraine-Krieges, die sekbst das Davos Forum und die Münchner Sicherheitskonferenz (SIKO) diesmal in beklemmende Ratlosigkeit versetzten.
Sollen aus rechnerischen Verlusten der Leasingnehmer nicht tatsächliche werden, müssen die Listenpreise wieder hochgesetzt und die Rabatte zurück geschraubt werden. Das geht aber nur, wenn sich Angebot und Nachfrage wieder annähern und letztlich zum Gleichgewicht kommen. Und wenn es keine Außenseiter-Wettbewerb durch neue chinesische Anbieter gäbe.
Für ein Gleichgewicht gibt es zwei Möglichkeiten: Angebot reduzieren oder Nachfrage stimulieren. „Am besten beides“ (Automobilwoche) – wie wahr!
Das ist reines Wunschdenken. Zum einen weil nach Einschätzung von Marktexperten – keinen ökonomischen Illusionisten – die Nachfrage nach Elektroautos (BEV) strukturell begrenzt bleiben wird. Ein Massenmarkt wird das nicht, sondern nur für betuchte Kunden. Denn für die Nachfragestimulation in der Breite braucht es eher staatliche Unterstützung. „Alle Maßnahmen, die eben nicht nur den Neukauf anvisieren, sondern vor allem den Betrieb erheblich attraktiver machen, fördern zwangsläufig das Interesse privater Kunden an Elektrofahrzeugen“(Geilenbrügge). – Und dafür hat der Staat kein Geld mehr.
Somit kann die Lösung nur darin bestehen, dass das BEV-Angebot strukturell gedrosselt wird.
Zum anderen verbleiben zwei Möglichkeiten, das Angebot an E-Autos zu verknappen:
1) Neuwagen-Produktion drosseln. Ist bei allen eingeleitet, bei den einen offen, bei den anderen verkappt.
2) Gebrauchtwagenleasing hochfahren, d.h. die Gebrauchten bleiben Besitz des Herstellers oder Finanzdienstleisters und kommen erst später zum Verkauf auf den Markt. Auch wenn es wirkt, führt es bei den Leasinggebern weiterhin zu Verlusten
3) Gebrauchte BEV dem Markt entziehen: a) verschrotten (sehr teuer) oder b) die Fahrzeuge in andere Länder exportieren. – Doch wohin? Eine Vermarktung der Gebrauchtwagen durch Verschiebung in die Ostländer oder nach Afrika war und ist bei den Verbrennern möglich, bei E-Autos in Ermangelung der Lade-Infrastruktur nicht mehr.
Die nahe Zukunft sieht also für die Leasingbranche wenig erfreulich aus. In den nächsten Monaten belasten die sinkenden Restwerte alle Branchenplayer, wenn auch – je nach Elektroauto-Besatz – unterschiedlich stark.
Laut Automobilwoche sieht Jürgen Pieper (Analyst Metzler Privatbank) für die Hersteller zwar ein hohes, aber noch kein bedrohliches Risiko: „Wenn die schwache Nachfrage lediglich das erste Halbjahr anhält, wovon ich ausgehe, und nicht zwölf oder 18 Monate, dann sprechen wir über ein mögliches Risikopotenzial von mehreren Hundert Millionen Euro.“
Aber dann kann es bei einigen in die Milliarden gehen, kann man ergänzen.
Diese Erfahrung machten die Hersteller bereits vor 15 Jahren. Im Zuge der durch die Lehman-Pleite ausgelösten Finanzkrise und der Abwrackprämie kämpfte die Branche mit ähnlichen Problemen. „BMW hatte 2009 das größte Restwertproblem und musste rund zwei Milliarden Euro abschreiben“, erinnert sich Pieper. Bei anderen Herstellern seien es mit mehreren Hundert Millionen Euro deutlich weniger gewesen (Automobilwoche).
Nicht ausgeschlossen werden kann, dass dann aus buchhalterischen Verlusten tatsächliche Verluste der Leasingbranche werden. Bei den großen Leasingflotten-Betreibern, dürfte sich der Rückfluss von gebrauchten E-Autos aus Alt-Verträgen 2024 noch in Grenzen halten, Verluste sind demnach vorerst noch verkraftbar.