Tichys Einblick
Automobil-Report International August 21

Chip-Engpässe blockieren globalen Auto-Aufschwung

Die Corona-Krise ist für die Auto-Industrie noch nicht überwunden, da kommt auch noch der Materialmangel hinzu. Die Knappheit der Halbleiter setzt der Branche weltweit zu. Das ist eine seit vielen Jahrzehnten völlig ungewohnte Situation.

Computer-Bauteil fürAutos auf der "Shanghai International Automobile Industry Exhibition" imApril 2021

IMAGO / VCG

Noch selten war das Geschäft der Auto-Prognostiker riskanter als im Sommer 2021. Kaum schien die Corona-Pandemie im ersten Halbjahr 2021 den Schrecken zu verlieren und hellte sich das weltwirtschaftliche Umfeld auch für die Autoindustrie auf, denn

schon kam völlig unerwartet der nächste Schicksalsschlag für die Branche in Form von Materialmangel und entsprechenden Produktions- und Lieferengpässen.

Ende 2020 setzte, zunächst wegen hoher Vorräte fast unbemerkt, weltweit zunehmend ein Halbleitermangel ein, der durch den Ausfall chinesischer Lieferanten begonnen hatte. Speicherchips werden in sämtlichen elektronischen Geräten eingesetzt, seit Vernetzung, Infotainment, Elektromobilität und Roboterisierung an der Tagesordnung sind verstärkt natürlich in der Autoindustrie in Prozessen und Produkten.

Produktionsausfälle durch Materialmangel – für alle Generationen seit den Baby-Boomern ist das eine völlig neue Erfahrung.

Der Mangel an Halbleiter-Chips frisst sich seit Frühjahr 2021 langsam aber sicher durch die gesamte Wertschöpfungs-und Absatzkette, füllt Halden mit unfertigen Autos oder legt Fabriken still. Und soll nach Expertenschätzungen auch noch 2022 anhalten.

Aktuelle Marktlage

Aufgrund unzureichender Marktversorgung wegen des anhaltenden Mangels an Halbleitern sind alle großen Absatzmärkte der Welt außer den USA mit  Einbußen  gegenüber dem Vorjahr in die zweite Jahreshälfte 2021 gestartet (Tabelle 1). In Westeuropa (EU14, EFTA & UK) fielen die Neuzulassungen im Juli um ein Viertel, am übelsten hat es das Vereinigte Königreich erwischt. Der chinesische Markt verzeichnete den dritten Rückgang in Folge. Japan musste erstmals in diesem Jahr ein Minus verbuchen. Der US-Markt konnte hingegen seinen Wachstumspfad im Juli fortsetzen. 

Dank der starken Zuwächse im Frühjahr 2021 fällt die Bilanz für den europäischen Markt bislang noch positiv aus: per Juli 2021 : 6,7 Mio. Neuzulassungen ( + 17 Prozent).

Sonderfall Vereinigtes Königreich (Quelle: Automobilwoche):

Die britische Autoindustrie verzeichnete den schlechtesten Juli seit 1956:
Die Autoproduktion ging um mehr als ein Drittel steil nach unten. Damit ist die Automobilproduktion in UK erstmals seit Februar wieder deutlich zurückgegangen, die Hersteller produzierten im Juli 37,6 Prozent weniger Fahrzeuge als im gleichen Monat des Vorjahres wie der Verband Society of Motor Manufacturers and Traders (SMMT) mitteilte. Der vergangene Monat war damit der schlechteste Juli seit dem Jahr 1956. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum hat die Autoproduktion 2021 in England allerdings bislang um rund 18 Prozent zugenommen, liegt allerdings mit einem Minus von knapp 29 Prozent noch immer weit unter dem Niveau von 2019, also vor der Pandemie.

Grund für den Rückgang ist vor allem der anhaltende Chip-Mangel, der Autohersteller weltweit belastet. Hinzu kam im Juli, dass in Großbritannien Tausende „gepingt“, also nach Kontakten zu Corona-Infizierten in Quarantäne geschickt wurden. Die Hersteller in England litten also zusätzlich unter deutlichem Personalmangel.

„Diese Zahlen spiegeln die extrem harten Bedingungen wieder, denen britische Autohersteller sich gegenüber sehen“, sagte der SMMT-Chef Mike Hawes. zufolge. Eine rasche Änderung sei nicht in Sicht. „Während der Einfluss der „Pingdemic“ abnehmen wird, weil sich die Quarantäneregeln geändert haben, gibt es bei dem weltweiten Mangel an Chips wenig Aussichten auf Erholung.“

Rund ein Viertel (26 Prozent) aller im Juli produzierten Autos waren entweder Elektro- oder Hybridfahrzeuge – das wiederum entspricht dem Verband zufolge einem bisherigen Höchststand.

Ausblick

Experten rechnen für 2021 in der deutschen Autoindustrie mit Produktionseinbußen von bis zu 20 Prozent. Bezogen auf das deutsche Bruttoinlandsprodukt könnte lt. Banken-Berechnungen durch die Produktionsausfälle ein Verlust von 35 Milliarden Euro oder einem Prozentpunkt Wachstumsverlust entstehen. 

In der Weltautomobilindustrie wird 2021 aufgrund des Halbleitermangels mit einem Produktionsausfall in Höhe von über 5 Millionen PKWs gerechnet, könnten nur 75 Millionen statt 80 Millionen Autos verkauft werden.

Umweltschützern dürfte diese Entwicklung nicht ungelegen kommen.

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